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Berufsunfähigkeitsversicherung – Berufsunfähigkeit eines Auszubildenden

Wenn die Berufsunfähigkeitsversicherung auf einen anderen Job verweist: Zählt dann nur das Einkommen oder auch die Qualifikation und der Status des neuen Berufs? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm klärt diese wichtige Frage für Versicherte. Die Richter stellen klar: Bei der sogenannten konkreten Verweisung zählt die vergleichbare Lebensstellung stärker als ein potenziell höheres Gehalt.

Übersicht

Zum vorliegenden Urteil Az.: I-20 U 33/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Hamm
  • Datum: 31.01.2018
  • Aktenzeichen: I-20 U 33/17
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Person, die Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung beantragte und auf Zahlung klagte.
  • Beklagte: Versicherungsgesellschaft, die die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente einstellte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Eine Person erkrankte während der Ausbildung zum Rechtspflegeranwärter und erhielt Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung. Später absolvierte und übte die Person eine Tätigkeit als technischer Produktdesigner aus. Die Versicherung stellte daraufhin die Rentenzahlung mit Verweis auf die neue Tätigkeit ein. Die versicherte Person klagte auf Weiterzahlung der Rente.
  • Kern des Rechtsstreits: Kern des Streits war, ob die Tätigkeit als technischer Produktdesigner eine im Sinne der Versicherungsbedingungen „entsprechende“ Tätigkeit zur ursprünglich angestrebten Tätigkeit als Rechtspfleger darstellt. Es ging um die Zulässigkeit einer „konkreten Verweisung“ auf die neue Tätigkeit.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht gab dem Kläger Recht. Die Versicherung muss rückständige Rentenzahlungen leisten und ist zur künftigen Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente sowie zur Beitragsbefreiung verpflichtet.
  • Begründung: Die Tätigkeit als technischer Produktdesigner ist laut Gericht nicht mit der angestrebten Tätigkeit als Rechtspfleger vergleichbar. Sie unterscheidet sich deutlich im Ausbildungsniveau, Berufsstatus, Unabhängigkeit, Verantwortung und Aufstiegsmöglichkeiten. Daher ist eine Verweisung auf diese Tätigkeit nicht zulässig.
  • Folgen: Die Versicherung muss die Berufsunfähigkeitsrente weiterhin zahlen und die Beiträge erlassen. Die versicherte Person gilt weiterhin als berufsunfähig im Sinne der Bedingungen.

Der Fall vor Gericht


OLG Hamm: Berufsunfähigkeitsversicherung darf ehemaligen Rechtspflegeranwärter nicht auf Tätigkeit als Technischer Produktdesigner verweisen – Soziale Wertschätzung und Ausbildung wiegen schwerer als Einkommen

Ein wegweisendes Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az.: I-20 U 33/17) vom 31. Januar 2018 stärkt die Rechte von Versicherten in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Junger Mann am unordentlichen Schreibtisch mit Akten, technischen Zeichnungen und Rechtspflegermaterialien
Berufsunfähigkeit im Rechtspfleger- und Produktdesign-Bereich: Chancen nach Erkrankung erkennen. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Gericht entschied, dass eine Versicherung ihren Kunden, der als Rechtspflegeranwärter berufsunfähig wurde, nicht auf eine später ausgeübte Tätigkeit als technischer Produktdesigner verweisen darf, selbst wenn das Einkommen in der neuen Tätigkeit potenziell höher ist. Ausschlaggebend für das Gericht waren die deutlich geringere Qualifikation, soziale Wertschätzung, Verantwortung und die schlechteren Aufstiegsmöglichkeiten des neuen Berufs im Vergleich zur ursprünglich angestrebten Laufbahn als Rechtspfleger. Diese Entscheidung unterstreicht, dass die Vergleichbarkeit der Lebensstellung bei einer konkreten Verweisung nicht allein am Einkommen gemessen werden darf.

Ausgangslage: Vom Wirtschaftsingenieurwesen zur Rechtspflegerausbildung und in die Berufsunfähigkeit

Der Fall betrifft einen Mann, geboren 1982, der im Juli 2004 eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschloss. Zu diesem Zeitpunkt war er Student des Wirtschaftsingenieurwesens. Mitte 2006 brach er dieses Studium ab und begann stattdessen eine Ausbildung zum Rechtspflegeranwärter. Im Juli 2006 wurde er offiziell zum Rechtspflegeranwärter ernannt, eine Ausbildung, die sowohl fachwissenschaftliche Studien an der Fachhochschule für Rechtspflege als auch praktische Phasen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften umfasste. Ein erstes Zwischenzeugnis nach dem ersten Studienabschnitt fiel mit „ausreichend“ eher mäßig aus und wies auf ein „bedenkliches“ schriftliches Leistungsbild hin. Ein späteres Zeugnis während der praktischen Ausbildung bescheinigte ihm jedoch „vollbefriedigende“ Leistungen.

Ab März 2008 erkrankte der Mann an einer Psychose und war seitdem arbeitsunfähig. Im Oktober 2008 beantragte er Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Versicherung erkannte im Mai 2009 die Berufsunfähigkeit rückwirkend zum April 2008 an, zahlte eine monatliche Rente von zuletzt 912,23 Euro und stellte ihn von den Beitragszahlungen frei. Aufgrund seiner Erkrankung wurde der Mann auf eigenen Antrag im August 2009 aus dem Dienst als Rechtspflegeranwärter entlassen.

Der Streitpunkt: Konkrete Verweisung auf neuen Beruf als Technischer Produktdesigner nach Umschulung

Im September 2011 begann der Versicherte eine Umschulung zum technischen Zeichner, genauer gesagt zum technischen Produktdesigner, die er im Januar 2015 erfolgreich abschloss. Direkt im Anschluss nahm er eine befristete Stelle als technischer Produktdesigner in seinem Ausbildungsbetrieb an, mit einem anfänglichen Bruttogehalt von 2.801,00 Euro. Später wechselte er den Arbeitgeber und verdiente 3.000,00 Euro brutto. Seine Aufgaben umfassten das Anfertigen von Zeichnungen nach Vorgaben, Detailabstimmungen und die Erstellung von Listen.

Nachdem der Mann seiner Versicherung die neue Tätigkeit mitgeteilt hatte, leitete diese ein Nachprüfungsverfahren ein. Im März 2015 teilte die Versicherung mit, dass sie die Leistungen zum 1. Juli 2015 einstellen werde. Als Begründung führte sie unter anderem die Möglichkeit der konkreten Verweisung auf die ausgeübte Tätigkeit als technischer Produktdesigner an. Die Versicherungsbedingungen sahen in § 2 vor, dass eine Verweisung auf eine andere berufliche Tätigkeit möglich ist, wenn diese seiner Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entspricht, keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in Vergütung und Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau der bisherigen Tätigkeit absinkt.

Der Versicherte akzeptierte diese Entscheidung nicht und klagte auf Fortzahlung der Rente, Rückerstattung der zwischenzeitlich gezahlten Beiträge und Feststellung der zukünftigen Leistungspflicht der Versicherung.

Die Entscheidung des Landgerichts: Einkommen und vermeintlich vergleichbarer Status gaben den Ausschlag für die Versicherung

Das Landgericht Münster wies die Klage des Mannes zunächst ab. Die Richter vertraten die Ansicht, dass für den Vergleich die Tätigkeit eines fertigen Rechtspflegers heranzuziehen sei, auch wenn der Versicherte die Ausbildung nicht abgeschlossen hatte. Eine Verweisung auf die Tätigkeit als technischer Zeichner sei zulässig. Dies begründete das Gericht vor allem mit dem höheren Einkommen in der neuen Tätigkeit. Zudem sei der Beruf des technischen Zeichners sozial nicht niedriger einzustufen als der eines Rechtspflegers. Beide Berufe erforderten eine dreijährige Ausbildung, und das Ansehen sei vergleichbar. Das unterschiedliche Arbeitsplatzrisiko – eine Verbeamtung auf Lebenszeit als Rechtspfleger gegenüber einer befristeten Anstellung als technischer Produktdesigner – sei nicht Gegenstand der Berufsunfähigkeitsversicherung und daher irrelevant.

Die Berufung beim OLG Hamm: Argumentation zur mangelnden Vergleichbarkeit der Lebensstellung

Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Versicherte Berufung beim Oberlandesgericht Hamm ein. Er machte eine Verletzung materiellen Rechts geltend und betonte erneut, dass eine Verweisung unzulässig sei. Die Tätigkeit als technischer Zeichner sei der eines Rechtspflegers in Bezug auf das Qualifikationsniveau (Deutscher Qualifikationsrahmen Niveau 4 gegenüber Niveau 6 für den Diplom-Rechtspfleger), das öffentliche Ansehen, die Selbstständigkeit und Weisungsungebundenheit, die Verantwortung im Justizwesen und die Aufstiegsmöglichkeiten deutlich unterlegen.

Die Versicherung beantragte die Zurückweisung der Berufung und verteidigte das erstinstanzliche Urteil. Sie argumentierte, dass als Vergleichsmaßstab lediglich die Tätigkeit als Rechtspflegeranwärter heranzuziehen sei, in der der Versicherte weisungsgebunden gewesen sei. Zudem zweifelte die Versicherung an, dass der Mann die Rechtspflegerausbildung erfolgreich abgeschlossen hätte. Die Tätigkeit als technischer Zeichner hielt sie hinsichtlich Freiheit, Kreativität und Aufstiegsmöglichkeiten (Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker/Gestalter) für vergleichbar.

Interessanterweise wurde im Laufe des Berufungsverfahrens bekannt, dass der Versicherte Mitte Juli 2017 wegen einer akuten psychischen Erkrankung erneut in Behandlung gehen musste und seitdem nicht mehr arbeitsfähig ist.

Die Entscheidung des OLG Hamm: Versicherer muss weiterzahlen – Verweisung auf Technischen Produktdesigner unzulässig

Das Oberlandesgericht Hamm änderte das Urteil des Landgerichts Münster zugunsten des Versicherten ab. Die Versicherung wurde verurteilt, an den Mann 11.402,76 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Versicherung verpflichtet ist, ab dem 1. Juli 2016 bis längstens zum Vertragsende am 1. August 2042 die monatliche Berufsunfähigkeitsrente weiterzuzahlen und den Mann von den Beiträgen freizustellen. Die Kosten des Rechtsstreits musste die Versicherung tragen. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Die detaillierte Begründung des OLG Hamm: Status und Ausbildung schlagen reines Einkommen

Das OLG Hamm begründete seine Entscheidung umfassend. Der Anspruch des Versicherten auf die Rentenzahlungen und Beitragsbefreiung ergebe sich aus den vertraglichen Vereinbarungen der Berufsunfähigkeitsversicherung. Entscheidend war, dass die Versicherung den Mann im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht wirksam auf die Tätigkeit als technischer Produktdesigner verweisen konnte.

Eine Konkrete Verweisung sei nach den Versicherungsbedingungen (§ 2 Abs. 2 AVB) nur auf eine Tätigkeit möglich, die der Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht. Zudem dürfe die neue Tätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern und in Vergütung und sozialer Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau der bisherigen Tätigkeit absinken.

Das Gericht verwies auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach ein Versicherter in einem Verweisungsberuf nicht „unterwertig“ beschäftigt sein dürfe. Das bedeutet, seine frühere Qualifikation und sein beruflicher oder sozialer Status dürfen nicht unterschritten werden, selbst wenn das Einkommen in der neuen Tätigkeit möglicherweise höher ist.

Genau dies sei hier der Fall:

  1. Maßstab ist die angestrebte Tätigkeit als Rechtspfleger: Das OLG stellte klar, dass für die Vergleichbarkeit nicht die Tätigkeit als Rechtspflegeranwärter, sondern die angestrebte und durch die Berufsunfähigkeit verhinderte Tätigkeit als voll ausgebildeter Rechtspfleger maßgeblich ist. Dies entspricht der BGH-Rechtsprechung für Fälle, in denen Versicherte während einer Ausbildung berufsunfähig werden. Der Wechsel vom Wirtschaftsingenieurstudium zur Rechtspflegerausbildung sei wie ein Berufswechsel zu behandeln, und die angestrebte Tätigkeit als Rechtspfleger sei durch den gesetzlichen Aufgabenkreis hinreichend konkretisiert.
  2. Prognose des Ausbildungserfolgs: Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass der Versicherte ohne seine psychische Erkrankung die Rechtspflegerprüfung erfolgreich abgeschlossen hätte. Obwohl das erste Zwischenzeugnis Schwierigkeiten andeutete, habe das spätere Zeugnis aus der praktischen Ausbildung „sehr ordentliche Leistungen“ bescheinigt. Dies war für das Gericht ausschlaggebend. Zudem sei es gerichtsbekannt, dass Absolventen des Rechtspflegerstudiums, insbesondere männliche Anwärter, nach erfolgreichem Abschluss regelmäßig in den Justizdienst übernommen und zu Beamten auf Lebenszeit ernannt werden.
  3. Deutliche Unterschiede in Ausbildung und Status: Der Vergleich zwischen der angestrebten Tätigkeit als Rechtspfleger und der ausgeübten Tätigkeit als technischer Produktdesigner offenbarte erhebliche Unterschiede:
    • Ausbildung: Die Ausbildung zum Rechtspfleger sei erheblich höherwertiger. Sie umfasse ein 21-monatiges Studium an einer Fachhochschule und eine 15-monatige praktische Ausbildung, setze in der Regel die Hochschulreife voraus und führe zum akademischen Grad eines Diplom-Rechtspflegers. Die Ausbildung zum technischen Produktdesigner sei hingegen eine dreijährige duale Ausbildung, die üblicherweise nur die mittlere Reife erfordere und mit einer Prüfung nach dem Berufsbildungsgesetz abschließe. Die Ausbildungsniveaus seien somit nicht vergleichbar.
    • Beruflicher und sozialer Status: Auch hier sah das Gericht keine Vergleichbarkeit. Rechtspfleger werden nach einer Probezeit zu Beamten auf Lebenszeit ernannt. In Rechtsprechungsaufgaben sind sie sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden (§ 9 RPflG) und nehmen Aufgaben von höchster Verantwortung in der Justiz wahr. Technische Produktdesigner hingegen sind Angestellte mit gesetzlichem Kündigungsschutz, haben eine deutlich geringere Verwendungsbreite und unterliegen den Weisungen ihrer Vorgesetzten.
    • Aufstiegsmöglichkeiten: Die von der Versicherung genannten Weiterbildungen zum staatlich geprüften Techniker oder Gestalter seien keine Aufstiegschancen innerhalb des Berufs des technischen Produktdesigners, sondern erforderten eine gesonderte, neue Ausbildung für einen anderen Beruf. Sie seien daher für die Vergleichbarkeit der ursprünglichen und der Verweisungstätigkeit nicht relevant.

Zusammenfassend stellte das OLG Hamm fest, dass die Tätigkeit als technischer Produktdesigner in Bezug auf Ausbildung, Status, Verantwortung und Wertschätzung nicht mit der angestrebten Tätigkeit als Rechtspfleger vergleichbar ist und somit eine „unterwertige“ Beschäftigung darstellt. Eine Verweisung durch die Versicherung war daher unzulässig.

Finanzielle Konsequenzen und Feststellung der zukünftigen Leistungspflicht

Der zugesprochene Betrag von 11.402,76 Euro setzte sich aus den rückständigen Renten für den Zeitraum Juli 2015 bis Juni 2016 (12 Monate à 912,23 Euro) und den in diesem Zeitraum zu Unrecht vom Versicherten gezahlten Versicherungsbeiträgen (12 Monate à 38,00 Euro) zusammen. Die Zinsen wurden ab dem Tag nach Zustellung der Klage zugesprochen. Der Antrag auf Feststellung der zukünftigen Leistungspflicht war ebenfalls begründet, da die Verpflichtung der Versicherung zur Zahlung der Rente und Gewährung der Beitragsfreistellung ab dem 1. Juli 2016 fortbesteht.

Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht, dass bei der Prüfung einer konkreten Verweisung im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht allein das erzielbare Einkommen entscheidend ist. Vielmehr muss eine umfassende Bewertung der sozialen Wertschätzung, des erforderlichen Ausbildungsniveaus, der Verantwortung und der Selbstständigkeit der verglichenen Tätigkeiten erfolgen, um die Lebensstellung des Versicherten angemessen zu berücksichtigen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil stärkt die Position von Versicherten in Berufsunfähigkeitsversicherungen, indem es klarstellt, dass bei einer Verweisung auf einen anderen Beruf nicht nur das Einkommen, sondern vor allem Ausbildungsniveau, soziale Wertschätzung und beruflicher Status entscheidend sind. Ein Versicherter, der während seiner Rechtspflegerausbildung berufsunfähig wurde, musste nicht als Technischer Produktdesigner arbeiten, obwohl das Einkommen vergleichbar war, weil die Tätigkeit hinsichtlich Qualifikation, Verantwortung und Stellung deutlich niedriger einzustufen war. Bei Berufsunfähigkeit während einer Ausbildung gilt als Vergleichsmaßstab die angestrebte Tätigkeit nach erfolgreichem Abschluss, nicht die Ausbildungssituation selbst.

Häufig gestellte Fragen zu versicherungsrechtlichen Themen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „konkrete Verweisung“ im Zusammenhang mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung?

In einer Berufsunfähigkeitsversicherung (kurz: BU) sichert man in der Regel seinen zuletzt ausgeübten Beruf ab. Das bedeutet: Wenn Sie in diesem Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, erhalten Sie die vereinbarte BU-Rente. Allerdings enthalten viele ältere BU-Verträge (oder auch manche neuere, je nach Tarif) eine Klausel zur sogenannten „konkreten Verweisung“.

Was ist eine konkrete Verweisung?

Eine konkrete Verweisung liegt vor, wenn die Versicherung Sie nicht auf irgendeine beliebige andere Tätigkeit verweisen darf, sondern nur auf eine ganz bestimmte, konkret existierende andere Tätigkeit. Diese Tätigkeit muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit die Versicherung die Zahlung der BU-Rente einstellen oder ablehnen darf.

Stellen Sie sich vor, Sie können Ihren bisherigen Beruf als Handwerker aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Die Versicherung prüft nun, ob es eine andere Tätigkeit gibt, die Sie trotz Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ausüben könnten und die Ihnen von Ihrer bisherigen Situation her zumutbar ist.

Welche Kriterien muss die andere Tätigkeit erfüllen?

Die Versicherung kann Sie nur dann erfolgreich auf eine andere Tätigkeit verweisen, wenn diese für Sie vergleichbar ist. Das bedeutet in der Regel:

  • Lebensstellung: Die neue Tätigkeit darf Ihre bisherige soziale und wirtschaftliche Stellung, die Sie durch Ihren Beruf erreicht haben, nicht wesentlich verschlechtern. Das betrifft vor allem das Einkommen und das Ansehen des Berufs. Eine wesentliche Verschlechterung der Lebensstellung liegt meist vor, wenn das Einkommen in der neuen Tätigkeit deutlich unter 80% des bisherigen Einkommens liegt.
  • Ausbildung und Erfahrung: Die neue Tätigkeit muss Ihren Fähigkeiten, Ihrer Ausbildung und Ihrer bisherigen beruflichen Erfahrung entsprechen oder von vergleichbarem Niveau sein. Man darf Sie nicht auf eine Tätigkeit verweisen, für die Sie völlig andere Qualifikationen oder eine neue, lange Ausbildung bräuchten.
  • Konkrete Stelle: Wichtig ist, dass die Versicherung Sie nicht auf eine rein theoretische Möglichkeit verweist. Es muss eine konkrete, tatsächlich existierende Arbeitsstelle geben, die Sie aufgrund Ihrer Fähigkeiten und gesundheitlichen Situation auch tatsächlich ausüben könnten.

Bedeutet eine Verweisung automatisch, dass die Leistungen eingestellt werden?

Nein. Eine konkrete Verweisung ist nur dann wirksam, wenn die Versicherung eine konkrete Stelle benennen kann, die alle oben genannten Kriterien erfüllt.

Selbst wenn die Versicherung eine solche Stelle benennt, stellt sie die Leistungen nicht automatisch ein. Sie müssen die konkrete Verweisung prüfen. Die Leistungen werden in der Regel erst dann eingestellt, wenn Sie eine Ihnen wirksam nachgewiesene, zumutbare und vergleichbare Tätigkeit tatsächlich aufgenommen haben oder die Aufnahme einer solchen Tätigkeit ohne berechtigten Grund verweigern.

Ob eine Verweisung im Einzelfall rechtmäßig ist und die benannte Tätigkeit tatsächlich „vergleichbar“ und „konkret“ ist, hängt immer von den genauen Umständen Ihres Falles und den Formulierungen in Ihrem Versicherungsvertrag ab.


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Welche Rolle spielt die „Lebensstellung“ bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit?

Die sogenannte „Lebensstellung“ ist ein wichtiger Begriff, wenn beurteilt wird, ob Ihnen zugemutet werden kann, eine bestimmte andere Tätigkeit auszuüben. Dies ist zum Beispiel relevant, wenn es um Ansprüche geht, die davon abhängen, ob Sie trotz einer Einschränkung (z.B. nach einem Unfall oder wegen einer Krankheit) noch arbeiten können.

Die Lebensstellung geht weit über das reine Einkommen hinaus. Sie beschreibt, welchen Platz Sie in Ihrem Berufsleben eingenommen haben und welche Merkmale Ihre bisherige Arbeit ausmachten. Dazu gehören mehrere Faktoren:

Was bedeutet „Lebensstellung“ konkret?

Wenn man von der Lebensstellung spricht, sind Aspekte wie die Qualifikation, die Sie sich erworben haben, die Verantwortung, die Sie in Ihrer früheren Position trugen, Ihr Ansehen oder Ihre soziale Wertschätzung im Berufsumfeld sowie Ihre bisherigen Aufstiegsmöglichkeiten gemeint.

Stellen Sie sich vor, jemand hat viele Jahre lang eine anspruchsvolle Tätigkeit ausgeübt, für die eine hohe Qualifikation nötig war und die mit viel Verantwortung verbunden war. Diese Person hat sich dadurch eine bestimmte Lebensstellung erarbeitet.

Warum ist die Lebensstellung für die Zumutbarkeit wichtig?

Wenn geprüft wird, ob eine andere, alternative Tätigkeit (eine sogenannte „Verweisungstätigkeit“) für Sie zumutbar ist, wird diese alternative Tätigkeit mit Ihrer früheren Lebensstellung verglichen. Die Idee dahinter ist, dass Sie nicht auf jede beliebige Arbeit verwiesen werden dürfen, sondern die alternative Tätigkeit in einem vernünftigen Verhältnis zu dem stehen muss, was Sie bisher erreicht hatten.

Ein höheres Einkommen in der neuen, alternativen Tätigkeit bedeutet nicht automatisch, dass diese Tätigkeit auch zumutbar ist. Wenn die neue Arbeit zum Beispiel keinerlei Qualifikation erfordert, keine Verantwortung beinhaltet und überhaupt nicht zu dem passt, was Ihre frühere Lebensstellung ausmachte (z.B. weil Sie vorher eine hochspezialisierte oder führende Position hatten), kann sie als unzumutbar gelten. Selbst wenn das Gehalt dort gleich hoch oder sogar höher wäre.

Es geht also darum, ob die angebotene alternative Tätigkeit Ihrer früheren Position im Arbeitsleben noch weitgehend entspricht oder ob Sie durch die Annahme dieser Arbeit in Ihrer beruflichen und sozialen Stellung unangemessen absteigen müssten. Dies wird anhand der genannten Faktoren – Qualifikation, Verantwortung, Ansehen und Perspektiven – bewertet.


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Kann eine Berufsunfähigkeitsversicherung Leistungen einstellen, wenn der Versicherte eine neue Tätigkeit ausübt?

Nein, die Leistungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) werden nicht automatisch eingestellt, nur weil Sie eine neue Tätigkeit aufnehmen. Auch wenn Sie wieder arbeiten, muss die Versicherung prüfen, ob und inwieweit dies Einfluss auf Ihre Berufsunfähigkeit hat.

Was die Versicherung prüft

Wenn Sie trotz anerkannter Berufsunfähigkeit eine neue Arbeit beginnen, wird die Versicherung genau hinschauen. Sie prüft, ob diese neue Tätigkeit zumutbar für Sie ist. Zumutbar bedeutet hier, dass die neue Arbeit Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle:

  • Ihre frühere Tätigkeit: Was haben Sie vor der Berufsunfähigkeit beruflich gemacht?
  • Ihre Qualifikation und Erfahrung: Welche Fähigkeiten und Kenntnisse bringen Sie mit?
  • Ihr Einkommen: Verdienen Sie in der neuen Tätigkeit ein vergleichbares Einkommen?
  • Ihr soziales Ansehen: Entspricht die neue Position Ihrer bisherigen sozialen Stellung?
  • Ihre gesundheitliche Situation: Können Sie die neue Tätigkeit trotz Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen voll ausüben?

Eine neue Tätigkeit gilt in der Regel nur dann als „zumutbare Verweisung“ – also als Grund, die Leistungen einzustellen – wenn sie Ihrer bisherigen Lebensstellung nachhaltig entspricht. Das bedeutet, es muss eine dauerhafte, stabile Tätigkeit sein, die Ihnen ein vergleichbares Einkommen und Ansehen sichert.

Ihre Mitwirkungspflicht

Es ist wichtig, dass Sie Ihrer Versicherung mitteilen, wenn Sie eine neue Tätigkeit aufnehmen. Sie haben eine Meldepflicht. Durch die Information ermöglichen Sie der Versicherung, die notwendige Prüfung vorzunehmen. Das Verschweigen einer neuen Tätigkeit kann problematisch sein.

Die Beweislast liegt bei der Versicherung

Die Versicherung darf die Leistungen nicht einfach so stoppen. Bevor sie die Zahlungen einstellen kann, muss die Versicherung beweisen, dass die neue Tätigkeit für Sie zumutbar ist und Sie damit Ihre Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen überwunden haben. Das ist oft eine aufwendige Prüfung, die nicht schnell abgeschlossen ist.

Für Sie als Versicherter bedeutet das: Die Aufnahme einer neuen Tätigkeit löst eine Prüfung durch die Versicherung aus, führt aber nicht zwangsläufig zur Einstellung der Leistungen. Die Versicherung muss Ihnen nachweisen, dass die neue Arbeit Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht und Sie nicht mehr berufsunfähig sind.


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Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer abstrakten und einer konkreten Verweisung?

In vielen Versicherungen, besonders bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, spielt das Konzept der Verweisung eine wichtige Rolle. Es geht darum, ob und unter welchen Umständen der Versicherer Sie auf eine andere Tätigkeit verweisen kann, wenn Sie Ihren ursprünglichen Beruf nicht mehr ausüben können. Dabei unterscheidet man hauptsächlich zwei Arten: die abstrakte und die konkrete Verweisung.

Abstrakte Verweisung: Die theoretische Möglichkeit

Bei der abstrakten Verweisung prüft der Versicherer, ob Sie aufgrund Ihrer Ausbildung, Ihrer Fähigkeiten und Ihrer bisherigen Lebensstellung theoretisch noch eine andere Tätigkeit ausüben könnten.

  • Es wird also gefragt: Könnten Sie irgendeinen anderen Beruf ausüben, der Ihrer Qualifikation und Ihrem bisherigen sozialen Status entspricht?
  • Dabei ist es nicht wichtig, ob es eine solche Stelle tatsächlich gibt oder ob Sie diese Stelle bekommen könnten.
  • Es geht rein um die Möglichkeit, eine vergleichbare Arbeit zu verrichten, unabhängig von der realen Arbeitsmarktsituation.

Stellen Sie sich vor, eine Bürofachkraft kann wegen Rückenproblemen nicht mehr am Schreibtisch sitzen. Bei einer abstrakten Verweisung könnte der Versicherer prüfen, ob sie theoretisch noch eine andere, ihrer Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausführen könnte, auch wenn keine konkrete Stelle in Aussicht steht oder sie gar nicht sucht.

Konkrete Verweisung: Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit

Die konkrete Verweisung betrachtet die reale Situation. Hier prüft der Versicherer, ob Sie tatsächlich eine andere Tätigkeit aufgenommen haben oder ausüben, die Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

  • Es wird also gefragt: Machen Sie bereits einen anderen, konkreten Job, der vergleichbar mit Ihrer früheren Arbeit ist?
  • Dabei muss die neue Tätigkeit in Bezug auf Einkommen, soziale Geltung und Fähigkeiten angemessen sein.
  • Es geht um eine konkret ausgeübte neue Beschäftigung.

Wenn dieselbe Bürofachkraft tatsächlich eine neue Stelle als Koordinatorin in einem anderen Unternehmen annimmt, bei der sie hauptsächlich auf den Beinen ist und das Einkommen sowie der Status vergleichbar sind, dann liegt eine konkrete Verweisung vor.

Der wesentliche Unterschied

Der Kernunterschied liegt darin, dass die abstrakte Verweisung auf einer theoretischen Arbeitsmöglichkeit basiert, während die konkrete Verweisung eine tatsächlich ausgeübte neue Tätigkeit voraussetzt.

Für Sie bedeutet das: Die Klauseln in Ihren Versicherungsbedingungen, die sich auf abstrakte oder konkrete Verweisung beziehen, sind wichtig dafür, unter welchen Voraussetzungen der Versicherer Leistungen wegen Berufsunfähigkeit verweigern kann, indem er Sie auf eine andere Arbeit verweist. Viele neuere Versicherungsverträge verzichten zugunsten der Versicherten auf die Möglichkeit der abstrakten Verweisung.


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Wie wirkt sich eine Umschulung auf den Anspruch auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung aus?

Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen Ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können und Leistungen aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten, stellt sich oft die Frage, ob eine Umschulung den Anspruch auf diese Leistungen beeinflusst. Eine Umschulung ist oft ein wichtiger Schritt, um wieder am Arbeitsleben teilzunehmen.

Grundsätzlich gilt: Eine Umschulung allein beendet nicht automatisch Ihren Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Versicherung prüft nicht nur, ob Sie Ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, sondern auch, ob Sie noch eine andere, für Sie zumutbare Tätigkeit ausüben können.

Dabei kommt es auf das Ergebnis der Umschulung an. Die Versicherung wird prüfen, ob Sie nach Abschluss der Umschulung tatsächlich in der Lage sind, eine konkrete Tätigkeit auszuüben, die Ihrer Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entspricht und die Sie trotz Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen bewältigen können. Erst wenn Sie eine solche zumutbare Tätigkeit konkret ausüben oder ausüben könnten, kann dies Auswirkungen auf Ihre Leistungen haben. Die bloße Möglichkeit einer Umschulung oder eine Umschulung, die nicht zu einer tatsächlich ausführbaren und zumutbaren Tätigkeit führt, beendet in der Regel den Leistungsanspruch nicht.

Für die Versicherung kann eine erfolgreiche Umschulung und Wiedereingliederung ins Arbeitsleben von Vorteil sein, da dies langfristig zur Einstellung oder Reduzierung der Rentenzahlungen führen kann. Daher kann es sein, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen sogar verpflichtet ist, eine Umschulung finanziell zu unterstützen, um Ihre berufliche Wiedereingliederung zu fördern.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine Umschulung ist oft positiv zu sehen und Ihr Anspruch auf BU-Leistungen hängt davon ab, ob Sie danach eine für Sie tatsächlich zumutbare und ausführbare Tätigkeit aufnehmen können.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Berufsunfähigkeitsversicherung

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist eine Versicherung, die Leistungen zahlt, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit oder Unfall seinen Beruf dauerhaft nicht mehr ausüben kann. Sie sichert das Einkommen ab, indem sie eine Rente leistet, solange die Berufsunfähigkeit besteht. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in den allgemeinen Versicherungsbedingungen und dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Ein Beispiel: Wenn ein Handwerker nach einem Unfall nicht mehr arbeiten kann, erhält er eine BU-Rente, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.


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Konkrete Verweisung

Die konkrete Verweisung bedeutet, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung den Versicherten nicht beliebig, sondern nur auf eine tatsächlich ausgeübte, bestimmte andere Tätigkeit verweisen darf. Diese alternative Tätigkeit muss im Hinblick auf Ausbildung, Erfahrung, bisherige Lebensstellung sowie Einkommen und soziale Wertschätzung vergleichbar und zumutbar sein. Gemäß den Versicherungsbedingungen darf die neue Tätigkeit die bisherige Lebensstellung nicht spürbar verschlechtern. Beispiel: Ein Berufsunfähigkeitsversicherter, der als Rechtsanwalt ausfällt, darf nur dann auf eine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als juristischer Berater verwiesen werden, wenn diese vergleichbar ist.


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Lebensstellung

Die Lebensstellung ist ein umfassendes Konzept, das im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung geprüft wird, wenn es um die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit geht. Sie umfasst nicht nur das Einkommen, sondern auch die Qualifikation, Verantwortung, soziale Wertschätzung, das Ansehen und die bisherigen Aufstiegschancen im Beruf. Die Lebensstellung stellt sicher, dass der Versicherte nicht auf eine Arbeit verwiesen wird, die ihn beruflich und sozial unangemessen herabsetzt, auch wenn diese besser bezahlt ist. Beispiel: Ein Hochschulabsolvent mit Führungsverantwortung darf nicht auf eine einfache Hilfsarbeit verwiesen werden, nur weil das Einkommen ähnlich ist.


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Nachprüfungsverfahren

Das Nachprüfungsverfahren ist das Verfahren, mit dem die Versicherung überprüft, ob sich der Gesundheitszustand oder die berufliche Situation des Versicherten seit Anerkennung der Berufsunfähigkeit verändert hat. Ziel ist herauszufinden, ob der Leistungsanspruch noch besteht, zum Beispiel weil der Versicherte eine andere zumutbare Tätigkeit aufgenommen hat. Die Versicherung trägt die Beweislast, dass eine Verweisung gerechtfertigt ist. Beispiel: Wenn ein Versicherter trotz Anerkennung der BU eine andere Tätigkeit aufnimmt, prüft die Versicherung im Nachprüfungsverfahren, ob diese Tätigkeit die vertraglichen Anforderungen erfüllt.


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Qualifikationsniveau (Deutscher Qualifikationsrahmen)

Das Qualifikationsniveau beschreibt die berufliche oder schulische Bildung und die damit verbundenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen. In Deutschland orientiert man sich häufig am Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR), der von Niveau 1 (geringste Qualifikation) bis Niveau 8 (höchste Qualifikation, z. B. Doktorgrad) reicht. Für den Vergleich bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist entscheidend, ob eine Tätigkeit dieselbe oder eine vergleichbare Qualifikation erfordert. Beispiel: Eine Tätigkeit, die Niveau 6 (z. B. akademischer Abschluss) verlangt, ist nicht gleichwertig mit einer Arbeit, die auf Niveau 4 (z. B. Berufsausbildung) basiert, auch wenn das Einkommen ähnlich ist.


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Umschulung

Eine Umschulung ist eine berufliche Weiterbildung oder Neuorientierung, bei der der Versicherte eine neue Qualifikation erwirbt, um einen anderen Beruf auszuüben. Im Zusammenhang mit der Berufsunfähigkeitsversicherung bedeutet eine Umschulung nicht automatisch das Ende des Leistungsanspruchs. Entscheidend ist, ob die neue Tätigkeit tatsächlich ausgeübt und als vergleichbare Tätigkeit akzeptiert wird. Die Versicherung prüft im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht und zumutbar ist. Beispiel: Ein Bauarbeiter, der aufgrund einer Verletzung nicht mehr im Bau arbeiten kann, macht eine Umschulung zum technischen Zeichner; bei Aufnahme dieser Tätigkeit prüft die Versicherung, ob diese Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2 Abs. 2 Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) für die Berufsunfähigkeitsversicherung: Regelt die konkrete Verweisung auf eine andere Tätigkeit, die Ausbildung, Erfahrung und bisherige Lebensstellung des Versicherten entsprechen muss und bei der weder Kenntnisse noch soziale Wertschätzung spürbar unter dem bisherigen Niveau liegen dürfen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung durfte den Versicherten nicht auf die Tätigkeit als technischer Produktdesigner verweisen, weil diese nicht mit seiner angestrebten Tätigkeit als Rechtspfleger vergleichbar ist.
  • Berufsunfähigkeitsschutz nach den Bedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung (§ 172 VVG): Legt fest, dass Versicherte bei Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rentenzahlungen haben, solange sie ihrer ursprünglichen Lebensstellung nicht angemessen eine andere zumutbare Tätigkeit ausüben können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Frage, ob eine andere Tätigkeit zumutbar und vergleichbar ist, bestimmt, ob die Versicherung die Leistungen einstellen darf; hier wurde dies verneint.
  • Grundsätze zur konkreten Verweisung aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Der BGH verlangt, dass der Verweisungsberuf nicht „unterwertig“ sein darf, das heißt, die Qualifikation, das Einkommen, die soziale Wertschätzung, die Verantwortung und das Aufstiegsniveau müssen vergleichbar sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Hamm folgte diesen Grundsätzen und wertete die Tätigkeit als technischer Produktdesigner als unterwertig gegenüber der angestrebten Tätigkeit als Rechtspfleger.
  • § 9 Rechtspflegergesetz (RPflG): Bestimmt die sachliche Unabhängigkeit und Weisungsgebundenheit von Rechtspflegern, die Aufgaben mit hoher Verantwortung in der Justiz wahrnehmen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die sich aus § 9 RPflG ergebende Eigenständigkeit der Tätigkeit eines Rechtspflegers war ein wesentliches Abgrenzungskriterium gegenüber der weisungsgebundenen Tätigkeit als technischer Produktdesigner.
  • Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR): Bewertet die Ausbildungsniveaus verschiedener Berufe und Bildungswege, wobei ein Abschluss auf Niveau 6 (Bachelor/Diplom) höher eingestuft wird als auf Niveau 4 (berufsfachlicher Abschluss). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Hamm bewertete die Ausbildung zum Rechtspfleger (Niveau 6) als deutlich höherwertig im Vergleich zur dreijährigen dualen Ausbildung zum technischen Produktdesigner (Niveau 4).
  • § 613a BGB (Betriebsübergang) und arbeitsrechtliche Stellung: Obwohl hier nicht ausdrücklich zentrales Thema, zeigt die Unterscheidung zwischen Beamtenstatus (Lebenszeit) und Arbeitnehmerstatus (befristeter Vertrag) Unterschiede in Arbeitsplatzsicherheit und sozialer Wertschätzung auf. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verbeamtung als Rechtspfleger begründet eine höhere Arbeitsplatzsicherheit und gesellschaftliche Stellung, die bei der Vergleichbarkeit mit der Anstellung als technischer Produktdesigner zu berücksichtigen ist.

Das vorliegende Urteil


OLG Hamm – Az.: I-20 U 33/17 – Urteil vom 31.01.2018


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