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Berufsunfähigkeitsversicherung – Berufsunfähigkeit aufgrund Depression

OLG Hamm – Az.: I-20 U 75/17 – Urteil vom 27.04.2018

1. Die Berufung der Beklagten zu 2) wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten zu 3) wird das am 28.03.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und hinsichtlich der Beklagten zu 3) – unter Zurückweisung ihrer Berufung im Übrigen – wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin 100.127,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 38.346,84 EUR seit dem 29.10.2009 sowie aus jeweils weiteren 2.130,38 EUR seit dem 1. eines Monats vom 01.11.2009 bis zum 01.03.2012 zu zahlen.

b) Die Beklagte zu 3) wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.04.2012 bis längstens zum 01.07.2017 eine monatlich im Voraus zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.130,38 EUR zu zahlen.

c) Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, auf die nach Ziffer 2.b) seit dem 28.06.2012 fällig gewordenen und bis zur Rechtskraft dieses Urteils fällig werdenden Ansprüche ebenfalls Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.

d) Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, die Klägerin vom 01.05.2008 bis längstens zum 01.07.2017 von der Zahlungspflicht der monatlichen Versicherungsprämie im Hinblick auf die Versicherung Nr. 1228705 freizustellen.

e) Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, an die Klägerin auch die vom 01.05.2008 bis längstens zum 01.07.2017 bedingungsgemäß angefallenen und zukünftig anfallenden Bonusrenten zu zahlen.

f) Im Übrigen wird die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Klage abgewiesen.

3. Für die Kosten erster Instanz gilt: Die Beklagte zu 2), die Beklagte zu 3) und die Beklagte zu 4) tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 5 %, im Übrigen die Beklagte zu 1) selbst. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 1) zu 51 %, die Beklagte zu 2) zu 5 %, die Beklagte zu 3) zu 28 %, die Beklagte zu 4) zu 13 % und die Klägerin zu 3 %.

Für die Kosten des Berufungsverfahrens [mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs der Klägerin und der Beklagten zu 1)] des gilt: Die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 5 %, im Übrigen die Beklagte zu 1) selbst. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 1) zu 53 %, die Beklagte zu 2) zu 14 %, die Beklagte zu 3) zu 30 % und die Klägerin zu 3 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten, im Berufungsverfahren ursprünglich noch die Beklagten zu 1) bis 3), aus jeweils für die Klägerin bestehenden Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung bzw. Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ist im Laufe des Berufungsverfahrens ein Vergleich zustande gekommen.

Der Versicherungsvertrag mit der Beklagten zu 2) wurde nicht von der Klägerin, sondern von deren Vater geschlossen, die Klägerin war versicherte Person. Zwischenzeitlich wurde der Vater von der Mutter der Klägerin beerbt. Die Klägerin hat im Prozess das Original des entsprechenden Versicherungsscheins vorgelegt (Anlagenband, dort vorgeheftet). Dem Vertrag liegen die „Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung“ (Bl. 56 ff. Anlagenband) zugrunde. Diese enthalten auszugsweise folgende Regelungen:

§ 1 Was ist versichert?

(1) Wird der Versicherte während der Dauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig, so erbringen wird folgende Versicherungsleistungen:

a) Volle Befreiung von der Beitragszahlungspflicht für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversicherungen;

b) Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente, wenn diese mitversichert ist. Die Rente zahlen wir vierteljährlich im voraus, erstmals anteilig bis zum Ende des laufenden Versicherungsvierteljahres.

[ … ]

(2) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist.

[ … ]

§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

(2) Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen erfüllt sind.

(3) Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.“

Dem Vertrag mit der Beklagten zu 3) liegen die „Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ zugrunde (Bl. 73 ff. Anlagenband). Diese enthalten in § 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1 – 3 entsprechende Regelungen zum Eintritt der Leistungspflicht und zur Berufsunfähigkeit wie hinsichtlich der Beklagten zu 2), allerdings mit der Maßgabe, dass es in § 2 Nr. 1 und 2 der AVB jeweils „voraussichtlich dauernd“ (statt „voraussichtlich sechs Monate“) heißt.

Die ursprüngliche Beklagte zu 4) hat das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten.

Berufsunfähigkeitsversicherung - Berufsunfähigkeit aufgrund Depression
(Symbolfoto: Von YAKOBCHUK VIACHESLAV/Shutterstock.com)

Die Klägerin war bis 2008 in dem Unternehmen „X“ tätig, das sie von ihrem Vater übernommen hatte. Es handelte sich um eine Unternehmensgruppe, in der mehrere Gesellschaften mit insgesamt über 500 Mitarbeitern in Deutschland und Polen betrieben wurden. Die Einzelheiten zur Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit sind zwischen den Parteien streitig.

Im März 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften eröffnet, am 01.07.2008 zudem auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin.

Die Klägerin beantragte zum 01.04.2008 bei sämtlichen Beklagten Leistungen aus den Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherungsverträgen, weil sie wegen einer Depressionserkrankung berufsunfähig sei.

Die Beklagten einigten sich, dass die Beklagte zu 1) bei der Leistungsprüfung federführend sein sollte. Die Beklagte zu 1) veranlasste die Einholung eines Gutachtens des Psychiaters Q. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zwar nicht zu einer Ableistung ihres Arbeitsalltages in der Lage sei, dies jedoch eine „normale Reaktion auf den erlittenen Verlust“ (d.h. die Insolvenz des Unternehmens) darstelle und daher keinen Krankheitswert im Sinne der jeweiligen Versicherungsbedingungen habe.

Die Beklagten lehnten daraufhin die Erbringung von Leistungen ab, die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 11.11.2009 (Anl. K30, Bl. 185 Anlagenband), die Beklagte zu 3) mit Schreiben vom 28.10.2009 (Anl. K31, Bl. 186 Anlagenband).

Durch Schreiben vom 04.07.2010 kündigte die Beklagte zu 3) den Versicherungsvertrag wegen eines geltend gemachten Beitragsrückstandes in Höhe von 11.689,59 EUR fristlos (GA 326). Vorausgegangen war eine Mahnung der Beklagten vom 17.08.2008 wegen des Folgebeitrages für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 01.07.2009 (GA 324).

Im September 2012 gab der Insolvenzverwalter gegenüber sämtlichen Beklagten und auch gegenüber der Klägerin die Ansprüche aus den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen aus dem Insolvenzbeschlag frei (GA 396 – 400).

Die Klägerin hat behauptet: Als Geschäftsführerin der „X“ habe sie durchschnittlich von Montag bis Samstag etwa 14 Stunden täglich, Sonntags etwa sechs bis acht Stunden täglich gearbeitet. Ihre Aufgaben hätten sich auf die allgemeine Geschäftsführung, das Controlling, den Vertrieb, den Einkauf, die Produktionsüberwachung und das Personalmanagement bezogen. Wegen einer Depression sei sie jedenfalls seit dem 16.03.2008 gesundheitlich nicht mehr in der Lage, diese oder eine andere Tätigkeit auszuüben.

Das Landgericht hat der Klage nach Anhörung der Klägerin (GA 663), Vernehmung des Zeugen T (GA 566), Einholung eines schriftlichen Gutachtens nebst Ergänzung des Sachverständigen B (Anlagenband) sowie nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen(GA 840) weitgehend stattgegeben.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin seit dem 16.03.2008 an einer Depression schwerer Ausprägung leide und deshalb seit diesem Zeitpunkt außerstande sei, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, wie er sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darstelle, weiter auszuüben. Auch eine (wegen der Insolvenz des Unternehmens: hypothetische) organisatorische Umgestaltung ihres Unternehmens hätte es ihr nicht ermöglichen können, weiter dort tätig zu sein. Die von der Beklagten zu 3) ausgesprochene Kündigung gehe ins Leere, da der vermeintlich zugrunde liegende Beitragsrückstand tatsächlich nicht vorgelegen habe, weil die Klägerin wegen ihrer Berufsunfähigkeit gerade Beitragsfreistellung habe verlangen können.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der Anträge, des Tenors und der Begründung des Urteils wird auf dieses Bezug genommen (GA 889 ff und vorgeheftet in Band I).

Mit ihrer Berufung greift die Beklagte zu 3) das Urteil insoweit an, als das Landgericht eine Berufsunfähigkeit der Klägerin auch in der Zeit vom 16.03.2008 bis zum 31.10.2011 angenommen hat. Für diesen Zeitraum weise das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht nach; zudem stütze es auch nicht die Annahme, dass im März 2008 eine auf drei Jahre angelegte Prognose schlecht gewesen sei. Zudem habe die Klägerin schon ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht hinreichend dargelegt.

Die Beklagte zu 2) wendet sich mit ihrer Berufung umfassend gegen ihre Verurteilung. Sie meint ebenfalls, dass die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht hinreichend dargelegt habe; im Übrigen habe sie den Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht erbracht.

Die Beklagte zu 2) beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 3) beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und

1.) die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zu 3) verurteilt ist, an die Klägerin mehr als 36.217,14 EUR nebst anteiliger Zinsen zu zahlen;

2.) festzustellen, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, die Klägerin vom 01.11.2010 bis längstens zum 01.07.2017 von der Zahlungspflicht der monatlichen Versicherungsprämie im Hinblick auf die Versicherung Nr. # freizustellen;

3.) festzustellen, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, an die Klägerin auch die vom 01.11.2010 bis längstens zum 01.07.2017 bedingungsgemäß angefallenen und zukünftig anfallenden Bonusrenten zu zahlen;

4.) die Klage im Übrigen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufungen der Beklagten zu 2) und 3) zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Ergänzend behauptet sie, dass auch in den sechs Monaten vor dem 16.03.2008 schon eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorgelegen habe; dass die Klägerin dennoch bis zu diesem Zeitpunkt beruflich voll tätig gewesen sei, sei Raubbau an ihrer Gesundheit gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L, T und S sowie durch mündliche Anhörung des Sachverständigen B. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 16.02.2018 (GA 1200 ff.) und den Berichterstattervermerk vom 21.02.2018 (GA 1215 ff.) Bezug genommen.

Durch Schriftsatz der Klägerin vom 26.03.2018 und Schriftsatz der Beklagte zu 1) vom 09.04.2018 haben diese Parteien dem Gericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich unterbreitet, dessen Zustandekommen der Senat durch Beschluss vom 25.04.2018 festgestellt hat. Wegen des Inhalts des Vergleichs wird auf diesen Beschluss Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 2) ist zulässig, aber insgesamt unbegründet. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 3) hat demgegenüber einen geringen Teilerfolg, nämlich soweit das Landgericht sie auch für den Monat April 2008 zur Erbringung der bedingungsgemäßen Versicherungsleistungen verurteilt hat. Im Übrigen ist sie ebenfalls unbegründet.

1.

Die Berufung der Beklagten zu 2) bleibt ohne Erfolg.

a)

Die Klägerin ist befugt, den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gerichtlich geltend zu machen.

aa)

Der Prozessführungsbefugnis der Klägerin steht nicht entgegen, dass die geltend gemachten Ansprüche vorübergehend zur Insolvenzmasse gehörten.

Zwar konnten sie während der Zeit des Insolvenzbeschlags von der Klägerin nicht geltend gemacht werden. Denn im Falle der Bestellung eines Insolvenzverwalters erlangt dieser eine Prozessführungsbefugnis kraft Amtes, wohingegen dem Rechtsträger hinsichtlich des der Verwaltung unterliegenden Vermögens die Prozessführungsbefugnis entzogen ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 50 Rn. 21).

Der Insolvenzbeschlags erlosch jedoch später, wodurch die Klägerin ihre Verfügungsbefugnis wiedererlangte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.04.2005 – IX ZR 281/03, WM 2005, 1084, Rn. 12).

Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Insolvenzverwalter sowohl gegenüber der Klägerin als auch gegenüber sämtlichen Beklagten die Freigabe hinsichtlich der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen erklärte und dies ausdrücklich auch auf Ansprüche der Klägerin aus den Berufsunfähigkeitsversicherungen erstreckte.

Zu einer solchen Freigabe war der Insolvenzverwalter berechtigt. Auch wenn sich eine generelle Freigabebefugnis des Insolvenzverwalters aus der Insolvenzordnung nicht ergibt, wird sie doch von § 32 Abs. 3 InsO vorausgesetzt und vom BGH in ständiger Rechtsprechung anerkannt (BGH, Urteil vom 21.04.2005 – IX ZR 281/03, WM 2005, 1084; BGH, Urteil vom 26.01.2006 – IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 261).

bb)

Die Klägerin konnte gemäß § 75 Abs. 2 VVG a.F. die Ansprüche als Versicherte im eigenen Namen geltend machen, weil sie im Besitz des Originals des Versicherungsscheins war (und diesen zur Gerichtsakte gereicht hat, GA 510).

Auf den Vertrag findet gemäß § 1 EGGVG das VVG in seiner bis zum 01.01.2008 geltenden Fassung Anwendung, da der Vertrag vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde und der Versicherungsfall im Jahr 2008 eingetreten ist.

b)

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch zu.

aa)

Sie hat den ihr obliegenden Nachweis erbracht, dass sie ab dem 16.03.2008 bedingungsgemäß berufsunfähig war.

Der Senat sieht es – im Ergebnis ebenso wie das Landgericht – nach der durchgeführten Beweisaufnahme als erwiesen an, dass die Klägerin im Sinne von § 2 Abs. 1 der AVB infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande war, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden konnte und ihrer seiner bisherigen Lebensstellung entsprach.

Darauf, dass sie aus den unten zu 2. ausgeführten Gründen ab dem 15.04.2008 ohnehin auch gemäß § 2 Abs. 3 der AVB bedingungsgemäß berufsunfähig war, kommt es angesichts dessen nicht an.

(1)

Die Klägerin hat die konkrete Ausgestaltung ihres zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Berufs hinreichend dargelegt und durch die Vernehmung der Zeugen L, T und S auch bewiesen.

Der Senat ist aufgrund der Aussage des Zeugen T von der Richtigkeit des klägerischen Vorbringens überzeugt, dass sie zur fraglichen Zeit als Inhaberin und Geschäftsführerin der X eine ganz umfassende unternehmensleitende Tätigkeit erbrachte, die geprägt war durch verschiedene Bürotätigkeiten, durch die Wahrnehmung unternehmensinterner Überwachungs- und Abstimmungsaufgaben, insbesondere etwa bei notwendigen Abstimmungen mit den Produktionsleitungen, durch das Fällen unternehmerischer Grundlagenentscheidungen sowie die Führung von Personal- und insbesondere auch Kundengesprächen.

Ebenso steht zur Überzeugung des Senats hinsichtlich des zeitlichen Umfangs dieser Tätigkeit fest, dass sie regelmäßig an sechs Tagen in der Woche jeweils für die Dauer von mindestens zehn Stunden für den Betrieb arbeitete.

Der Zeuge T hat bekundet, dass die Klägerin vor der Insolvenz ihres Unternehmens in der Regel an sechs Tagen in der Woche arbeitete, und dass ein Arbeitstag oft von morgens sieben oder acht Uhr bis abends um 20 oder 21 Uhr dauerte. Inhaltlich hat er bestätigt, dass die Klägerin keine Abteilungsleiter unter sich hatte und die vielfältigen mit einer Unternehmensleitung verbundenen Aufgaben selbst wahrnahm.

Die Aussage des Zeugen ist für den Senat glaubhaft. Er hat in ruhiger und gelassener Weise und ohne erkennbare Be- oder Entlastungstendenzen ausgesagt und ist nach Auffassung des Senats auch glaubwürdig. Dabei hat er auch unumwunden eingeräumt, sich an gewisse Einzelheiten nicht mehr erinnern zu können. Seine Aussage ist anschaulich und plausibel,

Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit der Klägerin wurde die Aussage des Zeugen T zudem durch die Angaben des Zeugen S bestätigt. Auch dieser hat glaubhaft geschildert, dass die Klägerin für ihn stets von früh morgens bis spät abends erreichbar und ansprechbar war. Zudem hat der Zeuge S bestätigt, dass die Klägerin Aufgaben wie Absprachen etwa bezüglich einer Nachkalkulation aufgrund von Angeboten der Wettbewerber selbst mit ihm besprochen hat und auch diejenige war, die die Entscheidungskompetenz inne hatte.

(2)

Der Senat ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin ab dem 16.03.2008 voraussichtlich für die Dauer von sechs Monaten zu mindestens 50 % ununterbrochen außer Stande war, diese Tätigkeit weiter auszuüben.

Der Sachverständige B, an dessen Erfahrung und Sachkunde der Senat keine Zweifel hat, hat überzeugend ausgeführt, dass sich durch die Dokumentation mehrerer ärztlicher Diagnosen und Behandlungen auch schon für die Zeit vor März 2008 das für ihn stimmige Bild einer mittelgradigen depressiven Episode ergebe.

Seine Einschätzung, dass jedenfalls im März 2008 keine Arbeitsfähigkeit mehr bestand und auch nicht davon ausgegangen werden konnte, dass diese innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten wieder würde hergestellt werden können, hat er überzeugend damit begründet, dass bereits im Oktober 2007 eine Behandlung mit dem Medikament Fluoxetin eingeleitet worden war und dieses ausweislich der Befundlage im März 2008 zu diesem Zeitpunkt noch zu keiner nachhaltigen Verbesserung des Zustandes der Klägerin geführt hatte. Da dieses Medikament – das dem Sachverständigen zufolge nach den geltenden Leitlinien zur Behandlung mittelgradiger bis schwerer Depressionen eingesetzt wird, und auch dies erst nach dem Scheitern einer psychotherapeutischen Behandlung – eine Wirklatenz von in aller Regel höchstens zwei Wochen hat, wäre eine solche Verbesserung aber zu erwarten gewesen.

Für den Senat ist deshalb die Einschätzung des Sachverständigen, dass angesichts dessen im März 2008 feststand, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte und schwierig zu behandelnden Form einer Depression vorlag, ebenso überzeugend wie seine daraus gezogene Schlussfolgerung, dass ein Fortbestand der Erkrankung in ihrem damaligen Schweregrad jedenfalls für die Dauer weiterer sechs Monate zu erwarten war.

Dem steht nicht entgegen, dass der vorgerichtlich von der Beklagten eingesetzte Gutachter zu dem Ergebnis kam, der Zustand der Klägerin sei nicht als pathologisch anzusehen, sondern stelle eine „normale Reaktion“ auf den insolvenzbedingten Verlust des Unternehmens dar. Der Sachverständige B hat sich hiermit in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat auseinandergesetzt und ist unter überzeugendem Verweis auf die Diagnosen der seinerzeit behandelnden Ärzte dabei geblieben, dass die Hauptsymptome einer mittelgradigen bis schweren Depression bei der Klägerin vorhanden gewesen seien. Von der Richtigkeit seiner Einschätzung ist der Senat auch insoweit überzeugt.

Zu keiner anderen Beurteilung führt es, dass in den früheren ärztlichen Stellungnahmen teils auch Feststellungen dahingehend zu finden sind, es sei zu einer Verbesserung der Befindlichkeit bei der Klägerin gekommen. Auch mit diesem Einwand hat sich der Sachverständige B bei seiner mündlichen Anhörung auseinandergesetzt und für den Senat überzeugend dargelegt, dass für seine Beurteilung das Gesamtbild maßgeblich sei, welches nicht durch vorübergehende Schwankungen der Befindlichkeit in Frage gestellt werde.

Schließlich steht der Annahme einer ungünstigen Prognose für den hier maßgeblichen Sechsmonatszeitraum im März 2008 auch nicht entgegen, dass die Klägerin vorher und – nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – auch noch im Rahmen des Insolvenzverfahrens beruflich tätig wurde.

Soweit sie bis zum 16.03.2008 unstreitig weiter im gewohnten zeitlichen Umfang in ihrem Unternehmen arbeitete, geschah dies – wie unten (2. a) aa) (1)) noch im Einzelnen auszuführen ist – unter Raubbau an ihrer Gesundheit.

Für die Zeit ab März 2008 gilt: Der seinerzeit als Insolvenzverwalter tätige Zeuge L hat für den Senat glaubhaft bekundet, dass die Klägerin insoweit nur Unterstützungsarbeiten erbrachte, die teils nur ganz kurz, teils – aber „keinesfalls täglich“ – „vielleicht drei oder vier Stunden am Tag“ dauerten. Ebenso hat der Zeuge aber bekundet, dass die Klägerin zu einer regelmäßigen Arbeitsleistung aus seiner Sicht nicht in der Lage war, sondern im Gegenteil länger ausfiel, wenn sie zu regelmäßig in Anspruch genommen wurde.

Mit diesem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich der Sachverständige auseinandergesetzt und hat – aus den unten näher dargelegten Gründen für den Senat überzeugend – angegeben, zu einer umfangreicheren Tätigkeit, die 50 % des ursprünglichen Tätigkeitsumfangs erreicht hätte, sei die Klägerin ohne Raubbau an ihrer Gesundheit nicht in der Lage gewesen.

(3)

Der Klägerin war es auch nicht möglich, durch eine Umorganisation ihres Betriebes ihre Tätigkeit so zu gestalten, dass sie diese trotz ihrer Erkrankung hätte ausüben können.

(a)

Zwar stand der Klägerin als Unternehmensinhaberin grundsätzlich durchaus die Möglichkeit offen, die Betriebsstruktur und die Arbeitsabläufe anderweitig zu organisieren.

(b)

Der Senat ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass eine Umorganisation im konkreten Fall aus tatsächlichen Gründen ausschied.

Die Beweisaufnahme hat die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin bestätigt, sie habe in ihrem Unternehmen eine „Klammerfunktion“ mit Letztentscheidungskompetenz innegehabt, die wegen ihres umfassenden Überblicks über das Unternehmen unverzichtbar gewesen sei und nicht durch eine anderweitige Organisation hätte aufgefangen werden können.

So hat insbesondere der Zeuge S, der als Einkaufsleiter bei einer großen Baumarktgruppe ebenfalls eine herausgehobene Stellung inne hat, bekundet, die Klägerin sei aus seiner Sicht nicht austauschbar gewesen, weil sie diejenige gewesen sei, welche die Kompetenz zu abschließenden Entscheidungen hatte.

Insgesamt steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die der Klägerin obliegenden grundlegenden unternehmerischen Entscheidungen nur durch eine Person getroffen werden konnten, die einen Gesamtüberblick über die Ausrichtung und die Marktpositionierung des jeweiligen Unternehmens hatte, und dass dies im Unternehmen der Klägerin nur diese selbst war.

(c)

Im Übrigen hat, wie bereits ausgeführt, der Sachverständige B für den Senat überzeugend angegeben, dass aufgrund der Schwere der Erkrankung der Klägerin deren Fähigkeiten derart massiv eingeschränkt waren, dass ihr überhaupt keine differenzierte Tätigkeit mit unternehmerischem Anspruch möglich war oder wenn, dann jedenfalls nur unter Raubbau an ihrer Gesundheit.

(4)

Die Erkrankung der Klägerin wurde im Sinne von § 2 Abs. 1 der AVB ärztlich nachgewiesen. Der Facharzt für Neurologie C stellte in seiner Einschätzung vom 17.02.2010 sowohl eine depressive Episode als auch eine daraus resultierende Berufsunfähigkeit der Klägerin fest (Anl. K25, Bl. 120 Anlagenband).

bb)

Die geltend gemachten Ansprüche bestehen auch der Höhe nach.

(1)

Die Höhe der mit dem Antrag zu 1) begehrten rückständigen Berufsunfähigkeitsrenten ist seitens der Klägerin für den Zeitraum von April 2008 bis März 2012 mit 48 * 364,50 EUR = 17.496,- EUR zutreffend berechnet und von der Beklagten zu 3) auch nicht bestritten worden.

Die geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu, §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Dieser trat hinsichtlich der bis dahin angefallenen Rentenzahlungen spätestens mit der endgültigen Leistungsablehnung durch die Beklagte zu 2) im Schreiben vom 12.11.2009 ein, hinsichtlich der danach fällig werdenden Rentenbeträge jeweils zum Ersten eines Vierteljahres (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

(2)

Die Klägerin kann längstens bis zum Ende der Vertragslaufzeit am 01.07.2026 des Weiteren die geltend gemachten künftigen Rentenzahlungen beanspruchen.

Die Pflicht der Beklagten zu 2) zur Erbringung dieser Rentenleistungen jeweils vierteljährlich im Voraus ergibt sich aus § 1 Abs. 1 lit. b) S. 2 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Bl. 56 Anlagenband).

(3)

Der Klägerin stehen hinsichtlich der während der Rechtshängigkeit ihrer Klage fällig gewordenen Rentenzahlungen auch die beanspruchten Rechtshängigkeitszinsen zu (§§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB).

(4)

Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung hat die Klägerin ferner für die Dauer ihrer Berufsunfähigkeit Anspruch auf Befreiung von der Beitragszahlungspflicht; auch dieser Anspruch entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist, vorliegend mithin wie beantragt ab April 2008.

(5)

Schließlich kann die Klägerin auch die Feststellung begehren, dass die Beklagte zu 2) an sie die künftig anfallenden bedingungsgemäßen Bonusrenten zu zahlen hat.

Denn gemäß Ziffer 3.2 des Antrags vom 20.07.1990 (Bl. 44 Anlagenband) ist zwischen den Parteien vereinbart, dass etwaige Überschüsse ausschließlich zur Erhöhung der Versicherungsleistung verwendet werden.

2.

Die Berufung der Beklagten zu 3) hat den aus dem Tenor ersichtlichen geringen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

a)

Die Klägerin hat den Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit erbracht, jedoch erst für die Zeit ab dem 15.04.2008.

aa)

Die Klägerin war ab dem 15.04.2008 gemäß § 2 Nr. 3 der mit der Beklagten vereinbarten „Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ berufsunfähig.

Gemäß dieser Klausel liegt eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit (auch) dann vor, wenn der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande war, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Klägerin bewiesen.

(1)

Es steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass sie ab dem 15.10.2007 für die Dauer von sechs Monaten (und darüber hinaus) ununterbrochen infolge Krankheit vollständig außer Stande war, ihren zuletzt innegehaltenen Beruf auszuüben.

Der Sachverständige hat dies zum Einen damit begründet, dass bereits im Juni 2007 eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert wurde und sich diese Diagnose auch in der Folgezeit mehrfach bestätigte. Er hat für den Senat einleuchtend dargelegt, dass die Überzeugungskraft der bereits im Juni 2007 durch den Hausarzt V gestellten Diagnose nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass dieser „nur“ der Hausarzt der Klägerin und kein Facharzt für die hier in Rede stehenden Fragen ist. Denn diese Diagnose wurde nicht nur in der Folgezeit mehrfach bestätigt, sondern aus der Diagnose des Hausarztes wurde für den Sachverständigen auch deutlich, dass V sachkundig handelte und urteilte, er unter anderem nämlich „offensichtlich auch Verständnis dafür hatte, wann eine solche Diagnose gestellt wird und was sie bedeutet“.

Zum Anderen hat der Sachverständige erklärt, aus der Verschreibung des Medikamentes Fluoxetin ergebe sich, dass der seinerzeit behandelnden Arzt die Erkrankung der Klägerin für sehr ausgeprägt hielt. Das Medikament wird – wie bereits dargelegt – ausweislich der Bekundungen des Sachverständigen nach den entsprechenden Leitlinien nur zur Behandlung mittelgradiger bis schwerer Depressionen und auch nur nach dem Scheitern einer psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Leitlinien durch die seinerzeit behandelnden Ärzte missachtet worden sein könnten, ergaben sich für den Sachverständigen nicht.

Der Senat folgt angesichts dessen insgesamt der Einschätzung des Sachverständigen, dass die Klägerin schon ab dem 15.10.2007 ohne unzumutbaren Raubbau an ihrer Gesundheit nicht mehr in der Lage war, weiter zu mindestens 50 % in ihrem bis dahin ausgeübten Beruf tätig zu sein.

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin über den 15.10.2007 hinaus noch bis zur Insolvenz ihres Unternehmens tatsächlich weiterhin tätig war, und auch anschließend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Insolvenzverwalter teils unterstützte.

Denn § 2 Nr. 3 der AVB verlangt nicht, dass der Berufsunfähige seinen Beruf tatsächlich nicht mehr ausübt, sondern nur, dass die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen die Fortsetzung seiner Tätigkeit vernünftigerweise und im Rahmen des Zumutbaren nicht mehr gestatten (Prölss/Martin-Lücke, VVG, 30. Aufl. 2018, § 2 BU Rn. 29; BGH, Beschluss vom 11.07.2012 – IV ZR 5/11, VersR 2012, 1547, Rn. 3). Zu einem Raubbau an seiner Gesundheit ist der Versicherte nicht verpflichtet (BGH, a.a.O.).

Gestützt auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist der Senat sich sicher, dass die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit durch die Klägerin über den 15.10.2007 hinaus einen derartigen Raubbau an ihrer Gesundheit bedeutete und dass sie wegen gravierender gesundheitlicher Beeinträchtigungen vernünftigerweise schon ab diesem Zeitpunkt ihre berufliche Tätigkeit hätte einstellen müssen. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass eine erkrankte Person ihren Arbeitsalltag nach außen hin durchaus noch eine Zeit lang „durchhalten“ kann, ohne dass das Umfeld eine spürbare Beeinträchtigung wahrnimmt. Er hat sodann aber bekräftigt, dass ein solches „Durchhalten“ nach außen einen Raubbau an der Gesundheit der Klägerin darstellte, mag es auch für das berufliche Umfeld der Klägerin so ausgesehen haben, als könne sie ihrer Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen.

Dies entspricht auch der Schilderung zur Person der Klägerin und zu deren Arbeitseifer durch den Zeugen T und den Feststellungen des Sachverständigen dazu. Es steht danach für den Senat fest, dass die Klägerin erhebliche gesundheitliche Probleme hatte und ohne Raubbau nicht mehr arbeiten konnte, dass die nur deshalb ihren Hausarzt aufsuchte und sich verschiedenen körperlichen Untersuchungen unterzog, die dieser veranlasste. Gleichwohl arbeitete sie – nach außen – scheinbar unbeeinträchtigt weiter, um den eigenen und fremden Erwartungen an sie zu entsprechen, das väterliche Unternehmen zu erhalten.

(2)

Wie bereits dargelegt konnte die Klägerin auch keine andere Tätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen ausüben. Dies gilt nach der auch insoweit überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen in gleicher Weise für den hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 15.10.2007.

(3)

Auch den erforderlichen ärztlichen Nachweis ihrer Erkrankung hat die Klägerin, wie bereits ausgeführt, erbracht.

bb)

Eine frühere Berufsunfähigkeit, insbesondere wie mit der Klage geltend gemacht ab dem 16.03.2008, hat die Klägerin demgegenüber im Verhältnis zur Beklagten zu 3) nicht bewiesen.

(1)

Aus § 2 Nr. 3 der mit der Beklagten vereinbarten „Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ kann eine vor dem 15.04.2008 beginnende Berufsunfähigkeit nicht abgeleitet werden.

Wie dargelegt hat der Sachverständige für den Senat glaubhaft dargelegt, dass die Klägerin mit Beginn der Behandlung mit dem Medikament Fluoxetin am 15.10.2007 nur noch unter Raubbau an ihrer Gesundheit ihren Beruf weiter auszuüben vermochte.

Dass dies aber auch schon vor dem 15.10.2007 der Fall war, vermochte der Sachverständige nicht sicher festzustellen.

(2)

Auch aus § 2 Nr. 1 der „Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ ergibt sich nicht eine Berufsunfähigkeit schon ab dem 16.03.2008.

Nach dieser Klausel liegt eine vollständige Berufsunfähigkeit vor, „wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“

(a)

Die Frage, ob der Versicherte „voraussichtlich dauernd“ zur weiteren Ausübung seines Berufs außerstande ist, erfordert eine im Wege rückschauender Betrachtung anzustellende medizinische Prognose. Voraussetzung ist, dass ein Zustand erreicht ist, dessen Besserung zumindest bis zur Wiederherstellung der halben Arbeitskraft nicht mehr zu erwarten ist (Prölss/Martin-Lücke, a.a.O., § 2 BU Rn. 11).

(b)

Dass „voraussichtlich dauernd“, seien das auch nur drei Jahre, eine Besserung nicht zu erwarten war, hat die Klägerin – anders als bezogen auf einen sechsmonatigen Prognosezeitraum – nicht bewiesen.

Zwar hat der Sachverständige wie dargelegt für den Senat überzeugend ausgeführt, dass aufgrund der unzureichenden Wirkung des Medikaments Fluoxetin im März 2008 ein Fortbestand des Zustands der Klägerin für weitere sechs Monate zu erwarten war. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt von einer dauernd schlechten Prognose auszugehen gewesen wäre, vermochte er hingegen nicht festzustellen. Angesichts des Umstandes, dass die Behandlung der Klägerin im Juni 2007 begann und damit noch nicht allzu lange andauerte, ist diese Einschätzung des Sachverständigen für den Senat überzeugend.

b)

Der von der Beklagten zu 3) erhobene Einwand, sie habe den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 04.07.2010 wegen Zahlungsverzuges gekündigt, ist vorliegend bedeutungslos, da der Versicherungsfall zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten war.

c)

Der Höhe nach bestehen die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 3) in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.

aa)

Die Klägerin kann von der Beklagten zu 3) gemäß § 1 Nr. 1 lit. b) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente beanspruchen.

Gemäß § 1 Nr. 3 S. 1 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung entsteht der Anspruch auf die Rentenzahlung mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist, vorliegend also mit Ablauf des Monats April 2008.

Für den Zeitraum ab Mai 2008 bis März 2012 ergibt sich daher gegenüber der ansonsten zutreffend berechneten Klageforderung von 102.258,24 EUR ein um 2.130,30 EUR reduzierter Betrag, mithin die aus dem Tenor ersichtliche Summe von 100.127,86 EUR.

Die geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu, §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Dieser trat spätestens mit der endgültigen Leistungsablehnung durch die Beklagte zu 2) im Schreiben vom 28.10.2009 ein.

bb)

Hinsichtlich der für die Zeit von April 2012 bis zum Ende der Vertragslaufzeit beanspruchten Rentenzahlungen sowie der während der Rechtshängigkeit der Klage fällig gewordenen Rentenzahlungen hat die Beklagte zu 3) das erstinstanzliche Urteil nicht angegriffen.

cc)

Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung hat die Klägerin ferner für die Dauer ihrer Berufsunfähigkeit Anspruch auf Befreiung von der Beitragszahlungspflicht.

Auch dieser Anspruch entsteht gemäß § 1 Nr. 3 S. 1 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist, vorliegend mithin mit Ablauf des Monats April 2008.

dd)

Schließlich kann die Klägerin auch die Feststellung begehren, dass die Beklagte zu 3) an sie die künftig anfallenden bedingungsgemäßen Bonusrenten zu zahlen hat.

Denn gemäß den Regelungen unter der Überschrift „Zusatzversicherung im Leistungsbezug“ der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (GA 78) ist zwischen den Parteien vereinbart, dass der Zusatzversicherung regelmäßig jährliche Überschussanteile zugeteilt werden und dass diese im Falle der Leistung einer Berufsunfähigkeitsrente als beitragsfreie Zusatzrente (dynamische Bonusrente) gewährt wird.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 2, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.

Die Zuvielforderung der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 3) ist derart geringfügig, dass der Senat in diesem Verhältnis gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO der Beklagten zu 3) die Kosten insgesamt auferlegt hat.

Bei der Verteilung der Kosten im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter zu 1) hat der Senat den Inhalt des von diesen Parteien geschlossenen Vergleichs berücksichtigt.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

 

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