LG Fulda, Az.: 3 O 579/14, Urteil vom 23.12.2016
1. Die Beklagte wird verurteilt, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer 1 an den Kläger 183.829,74 € zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 93.280,52 € ab dem 02.10.2012, sowie auf jeweils 4.781,05 € ab dem 02.11.2012 und 04.12.2012, sowie auf jeweils 4.262,48 € ab dem 03.01.2013, 02.02.2013, 02.03.2013, 02.04.2013, 03.05.2013, 04.06.2013, 02.07.2013, 02.08.2013, 03.09.2013, 02.10.2013, 02.11.2013, 03.12.2013, 03.01.2014, 04.02.2014, 04.03.2014, 02.04.2014, 03.05.2014, 03.06.2014 und 02.07.2014.
2. Die Beklagte wird verurteilt, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer 1 an den Kläger beginnend ab August 2014 bis längstens 31.10.2025 bis zum ersten Werktag eines jeden Monats im Voraus eine garantierte Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 3.152,26 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwar jeweils ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagte nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.152,26 € monatlich durch Überschusszuweisungen in Form einer monatlichen Bonusrente, berechnet nach der Tarif- und Leistungsbeschreibung des Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrages zur Versicherungsnummer 1 zu erhöhen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer 1 über den 31.12.2012 hinaus bis längstens zum 31.10.2025 freizustellen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer 2 an den Kläger 263.711,75 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 133.235,55 € ab dem 02.10.2012 sowie auf 6.672,69 € ab dem 02.11.2012, sowie auf 6.698,15 € ab dem 04.12.2012, sowie auf jeweils 6.163,44 € ab dem 03.01.2013, 02.02.2013, 02.03.2013, 02.04.2013, 03.05.2013, 04.06.2013, 02.07.2013, 02.08.2013, 03.09.2013, 02.10.2013, 02.11.2013, 03.12.2013, 03.01.2014, 04.02.2014, 04.03.2014, 02.04.2014, 03.05.2014, 03.06.2014 und 02.07.2014.
6. Die Beklagte wird verurteilt, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer 2 an den Kläger beginnend ab August 2014 bis längstens 31.10.2025 bis zum ersten Werktag eines jeden Monats im Voraus eine garantierte Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 3.627,66 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwar jeweils ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagte nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt.
7. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.627,66 € monatlich durch Überschusszuweisungen in Form einer monatlichen Bonusrente, berechnet nach der Tarif- und Leistungsbeschreibung des Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrages zur Versicherungsnummer 2 zu erhöhen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer 2 über den 31.12.2012 hinaus bis längstens zum 30.11.2025 freizustellen.9.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
10. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
11. Der Streitwert wird auf 929.667,89 € festgesetzt.
Tatbestand
Der 1965 geborene Kläger, der studierter Wirtschaftswissenschaftler ist, war seit 1994 Inhaber und Geschäftsführer der „A GmbH“. Er macht Ansprüche aus zwei bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen geltend.
Der Kläger schloss unter der Vertragsnummer 1 ursprünglich zum Versicherungsbeginn 01.11.1994, geändert zum 01.12.2007 bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach Tarif BUZ ab (Anlage K1 – Bl. 30-38 d. A.). Dem Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag zur Lebensversicherung liegen die „Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen“ (K2 – Bl. 39-41 d. A.) der Beklagten zugrunde. Gemäß Schreiben der Beklagten vom Januar 2011 (Anlage K3 – Bl. 42 d. A.) stehen dem Kläger (Stand 01.01.2011) für den Fall einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % als Leistung eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.152,26 € monatlich, eine Bonusrente in Höhe von 1.110,22 € monatlich und eine Befreiung von den Prämien für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen in Höhe von 352,12 € zu. Der Kläger leistete von März 2011 bis Dezember 2012 Prämienzahlungen gemäß Aufstellung Bl. 4/5 d. A. und vereinbarte danach mit der Beklagten eine Beitragsstundung.
Weiter schloss der Kläger unter der Vertragsnummer 2 zum Versicherungsbeginn 01.12.2006 bei der Beklagten eine Altersrentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach Tarif BUZ ab (Anlage K5 – Bl. 44/45 d. A.). Dem Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag zur Rentenversicherung liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen für die Berufsgruppen 1+ bis 3 und K“ (Anlage K6 – Bl. 46-49 d. A.) der Beklagten zugrunde. Gemäß Schreiben der Beklagten vom Januar 2011 (Anlage K7 – Bl. 50 d. A.) stehen dem Kläger (Stand 01.01.2011) für den Fall einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % als Leistung eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.627,66 € monatlich, eine Bonusrente in Höhe von 2.535,78 € monatlich und eine Befreiung von den Prämien für die Rentenversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Höhe von 485 € monatlich zu. Der Kläger leistete von März 2011 bis Dezember 2012 Prämienzahlungen gemäß Aufstellung Bl. 5 d. A. und vereinbarte danach mit der Beklagten eine Beitragsstundung.
Am 18.03.2011 stellte der Kläger wegen drohender Zahlungsunfähigkeit als Geschäftsführer der A GmbH einen Insolvenzantrag. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte am 23.03.2011.
Vor dem behaupteten Versicherungsfall (18.02.2011) beschäftigte der Kläger in seinem Betrieb 9 Mitarbeiter in Vollzeit, 2 Mitarbeiter in Teilzeit und 10 Aushilfen. Wegen deren Ausbildung und Tätigkeit wird auf die vom Kläger vorgelegte Aufstellung Bl. 8-10 der Klageschrift Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 18.11.2011 (Anlage K25 – Bl. 104-130 d. A.) stellte der Kläger bei der Beklagten einen Auftrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Auf die im Formular mehrfach vorgesehene Frage, seit wann der Antragsteller seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausführen kann, gab der jeweils Kläger „Eingeschränkt seit Ende 2008, gar nicht mehr seit 02/11“ an (Bl. 105/106 d. A.).In der Folge holte die Beklagte bei dem Dr. med. T ein nervenärztliches-psychiatrisches Gutachten ein. Der beauftragte Arzt kam in seinem Gutachten vom 28.08.2012 (Anlage K26 – Bl. 126-160 d. A.) auf der Grundlage eines testpsychologischen Zusatzgutachtens (Anlage K27 – Bl. 161/162 d. A.) zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht zu mindestens 50% berufsunfähig sei. Auf dieser Grundlage erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 06.09.2012 (Anlage K28 – Bl. 163 d. A.) eine Leistungsablehnung.
Der Kläger behauptet, er sei ab 18.02.2011 „voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen“ infolge einer rezidivierenden depressiven Störung, einer Panikstörung, eines HWS/LWS-Syndroms, eines chronischen Schmerzsyndroms und eines Tinnitus zu mindestens 50% außerstande gewesen, seine berufliche Tätigkeit als Inhaber und Geschäftsführer der „A GmbH“ auszuüben.
Wenn der Kläger über den 17.02.2011 hinaus weiter seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen wäre, wäre er bei der Ausübung des Büroarbeitstages, eines Akquise- und Außendienstarbeitstages und eines Messerarbeitstages gesundheitlich so eingeschränkt gewesen, wie dies in Anlage K29 (Bl. 164-167 d. A.) dargestellt sei.
Bezüglich seiner zuletzt vor dem 18.02.2011 ausgeübten Tätigkeit behauptet der Kläger, dass das Dienstleistungsprofil des von ihm geführten Unternehmens die Ausstattung von Hotels und Wohnwagen mit Gardinen und Dekostoffen, Möbeln und Polstern, Sonnenschutz, Kissen und Tagesdecken, Skirtings und Plaids bundesweit und im benachbarten Ausland beinhaltet hätte. Der Erfolg des Unternehmens hätte auf dem umkämpften Markt auf dem Akquise- und Verhandlungsgeschick des Klägers basiert, der über viele Jahre enge Kontakte zu Kunden wie beispielsweise dem Wohnwagenhersteller „R“ aufgebaut habe. Der Erfolg des klägerischen Unternehmens habe vor allem darauf beruht, dass der Kläger persönlich zu den (potentiellen) Kunden gefahren sei, sich und das Unternehmen vorgestellt und offensiv Akquise betrieben habe. Kostenvorteile bei der Produktion habe der Kläger dadurch erzielen können, dass er in Polen habe fertigen lassen. Dies habe häufige Aufenthalte des Klägers in Polen bedingt. Der im Firmengebäude in G vorgehaltene Showroom habe vor allem der Präsentation und dem Verkauf für Privatkunden gedient. Der Kläger habe grundsätzlich drei verschiedene Arten von Arbeitstagen gehabt, nämlich Büroarbeitstage, Akquise- und Außendienstarbeitstage und Messearbeitstage. Von der zeitlichen Verteilung innerhalb eines Monats sei es so gewesen, dass durchschnittlich ca. 30-40 % Bürotage, ca. 45-50 % Akquise- und Außendiensttage und ca. 5-10 % Messetage angefallen seien.
Die anfallenden Tätigkeiten des Klägers an einem typischen Büroarbeitstag hätten sich nach Art, Umfang, Häufigkeit und Anforderungen an die gesundheitliche Leistungsfähigkeit im Einzelnen wie in Anlage K8 (Bl. 51-53 d.A.) dargestellt.
Die anfallenden Tätigkeiten des Klägers an einem typischen Akquise- und Außendienstarbeitstage hätten sich nach Art, Umfang, Häufigkeit und Anforderungen an die gesundheitliche Leistungsfähigkeit im Einzelnen wie in Anlage K9 (Bl. 54/55 d. A.) dargestellt.
Die anfallenden Tätigkeiten des Klägers an einem typischen Messearbeitstag hätten sich nach Art, Umfang, Häufigkeit und Anforderungen an die gesundheitliche Leistungsfähigkeit im Einzelnen wie in Anlage K10 (Bl. 56/57 d. A.) dargestellt.
Vor dem Versicherungsfall habe der Kläger in seinem Betrieb neun Mitarbeiter in Vollzeit, zwei Mitarbeiter in Teilzeit und zehn Aushilfen beschäftigt (gemäß Aufstellung Bl. 8-10 d. A.)
Der Kläger habe gelitten und leide an gesundheitlichen Beschwerden und Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form von starken Schlafstörungen mit dadurch bedingter erheblicher Müdigkeit am Tag, verbunden mit erheblichen Antriebs- und Motivationsproblemen, an sozialen Ängsten, welche den Aktionsradius des Klägers stark einschränkten und ihm das Selbstvertrauen nähmen. Es gebe immer wieder Phasen mit suizidalen Gedanken, das Interesse an fast Allem sei verloren gegangen, die Konzentrations- und Merkfähigkeit sei eingeschränkt. Immer wieder träten plötzliche und sehr intensive Ängste auf, die mit Schweißausbruch, Herzrasen, Beklemmungsgefühl und absoluter Unsicherheit verbunden seien. Der Kläger habe dann einen trockenen Mund und bekomme kein Wort mehr heraus. Schmerzen sowohl an der Halswirbelsäule als auch an der Lendenwirbelsäule erschwerten den Alltag und insbesondere das für den Kläger wichtige Autofahren. Immer wieder machten die Beschwerden das Autofahren unmöglich. Der Kläger könne nur krumm laufen und leide unter stechenden Schmerzen an der Lendenwirbelsäule. Nach längeren Fahrten komme er kaum aus dem Auto. Kundenbesuche seien nicht möglich. Die Schmerzen an der Halswirbelsäule ließen den Kläger mehrfach nachts aufwachen. Beide Arme seien dann eingeschlafen. Tagsüber verspüre der Kläger oft ein Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Armen. Das Tragen von Musterkoffern o.ä. sei stark eingeschränkt bis unmöglich. Tag ohne Schmerzen gebe es nicht. Ein permanentes beidseitiges Ohrgeräusch belaste den Kläger und führe in der Nacht zur Verstärkung der Schlaflosigkeit und tagsüber auch zu Angstzuständen oder verstärkten diese. Auch gebe es eine Verschlechterung der Konzentrationsfähigkeit. Der Kläger leide an folgenden psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, die bei ihm auch diagnostiziert worden seien:
- rezidivierende depressive Störung
- Panikstörung
- HWS/LWS-Syndrom
- chronisches Schmerzsyndrom
- Tinnitus
Eine Betriebsumorganisation, die dem Kläger ein Betätigungsfeld belassen hätte, welches seine Berufsunfähigkeit ausgeschlossen hätte, sei nicht möglich gewesen. Einmal sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, umzuorganisieren. Dies folge nicht aus dem Gesetz und bei dem Versicherungsvertrag Nr. 1 auch nicht aus den Versicherungsbedingungen. Soweit die bisherige Rechtsprechung das Umorganisationserfordernis quasi als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus dem Begriff der „Berufsunfähigkeit“ ableite, überzeuge dies nicht. Ein aufmerksamer Leser komme nicht auf diese Idee. Die Annahme eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals sei weder mit dem Transparenzgebot noch dem Verbot überraschender Klauseln zu vereinbaren und scheitere in jedem Fall an § 305 c Abs. 2 BGB. Tatsächlich sei dem Kläger eine Betriebsumorganisation auch unmöglich bzw. unzumutbar gewesen. Eine Veränderung in der eigenen Tätigkeit sei krankheitsbedingt nicht möglich gewesen, da Tätigkeiten, welche die nicht mehr ausführbaren Büro-, Akquise-, Außendienst- und Messetätigkeiten hätten kompensieren können, bei einem Geschäftsführer eines Raumausstattungsunternehmens nicht denkbar seien. Auch sei eine Veränderung in der Betriebsorganisation nicht möglich gewesen. Da der Kläger ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler ist, habe er Tätigkeiten in der Montage oder der Dekoration, welche eine Ausbildung entweder als Handwerker oder als Dekorateur/Raumausstatter erforderten, nicht ausüben können. Unabhängig davon sei der Kläger dazu auch aufgrund seiner psychischen und psychosomatischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen. Ein Wechsel sei auch deshalb nicht möglich gewesen, da kein weiterer Mitarbeiter über die Qualifikation als Wirtschaftswissenschaftler, eine langjährige Erfahrung als Geschäftsführer und Akquisiteur des Unternehmens, sowie Kunden- und Marktkenntnis verfügt habe. Die Einstellung einer Ersatzkraft für dieses Tätigkeitsfeld sei dem Kläger nicht zumutbar gewesen. Denn er müsse zum Zweck der Betriebsumorganisation weder einen erheblichen Kapitaleinsatz aufbringen, noch müsse er auf Dauer ins Gewicht fallende Einkommenseinbußen hinnehmen. Ein ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler und Geschäftsführer eines Raumausstattungsunternehmens in der Größe des klägerischen Unternehmens verdiene durchschnittlich zwischen 80.000 und 100.000 € brutto pro Jahr. Die Einstellung einer Ersatzkraft hätte deshalb einen erheblichen und damit unzumutbaren Kapitaleinsatz dargestellt, welcher sich auch nicht amortisiert hätte, weil der neue Mitarbeiter nicht als weitere Arbeitskraft neben den Kläger, sondern vielmehr an die Stelle des ab dem 18.02.2011 dem Unternehmen mit seiner Arbeitskraft nicht mehr zur Verfügung stehenden Klägers getreten wäre. Darüber hinaus wäre die Einstellung einer Ersatzkraft auch deshalb nicht möglich gewesen, da der Kläger Insolvenz habe anmelden müssen und das Insolvenzverfahren am 23.03.2011 eröffnet worden und bis heute nicht abgeschlossen sei. Die Einstellung eines neuen Geschäftsführers, welcher den Kläger vollständig ersetzt hätte, sei auch deshalb unzumutbar, weil der neue Geschäftsführer die Betriebsinhaberstellung und die vollständige Aufsichts- und Direktionsbefugnis erlangt hätte.
Der Kläger beantragt wie ausgeurteilt.
Demgegenüber beantragt die Beklagte, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die vom Kläger angegebene zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Weder in medizinischer, noch in zeitlicher Hinsicht habe ein 6-monatiges Außerstandesein des Klägers zu mindestens 50% vorgelegen. Insbesondere scheitere eine Berufsunfähigkeit des Klägers daran, dass er als Selbständiger seiner Pflicht zur betrieblichen Umorganisation nicht nachgekommen sei. Im Übrigen wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen A, B, C und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf die Niederschriften der Zeugenvernehmungen (Bl. 256 ff und Bl. 451 ff d. A.), das schriftliche Gutachten vom 25.02.2016 (Bl. 293-345 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Gutachtenerläuterung (Bl. 445 ff d. A.) wird Bezug genommen. Darüber hinaus wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu. Er ergibt sich aus den beiden unter den Nummern 1 und 2 abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen.
Eine vollständige Berufsunfähigkeit gemäß § 2 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum Vertrag mit der Nr. 1 liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sein, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit (Abs. 3).
Eine Berufsunfähigkeit gemäß § 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum Vertrag mit der Nr. 2 liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder nicht altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% außerstande ist, ihrer vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Übt die versicherte Person jedoch eine andere, ihrer Ausbildung oder Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit konkret aus, liegt keine Berufsunfähigkeit vor. Eine weitere Einschränkung enthalten die Bedingungen bei einer selbständigen und freiberuflich tätigen versicherten Person. Eine Berufsunfähigkeit setzt hier zusätzlich voraussetzt, dass die Person nicht dazu imstande ist, durch zumutbare Umorganisation ihres Arbeitsplatzes oder ihres Tätigkeitsbereichs sowie durch Zuweisung betrieblich anfallender Arbeitsabläufe an Mitarbeiter, sich ein Tätigkeitsfeld zu schaffen, das mindestens 50% ige Berufsunfähigkeit ausschließt. Eine Umorganisation ist zumutbar, wenn sie wirtschaftlich zweckmäßig ist, vom Versicherungsnehmer oder der versicherten Person aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke des Unternehmens realisiert werden kann und keinen erheblichen Kapitalaufwand erfordert. Ferner muss die Stellung als Betriebsinhaber erhalten bleiben.
Vorliegend hat die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger ab 18.02.2011 infolge Krankheit voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% außerstande war, seiner vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Nachdem die Beklagte die vom Kläger behauptete vor dem 18.02.2011 zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit bestritten hat, hat die Kammer dazu vor Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis durch Vernehmung der Zeuginnen A, B und C erhoben. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es sich bei den Zeuginnen A und B um die Ehefrau des Klägers und seine Mutter handelt und beide deshalb ein massives Eigeninteresse an einem für den Kläger positiven Ausgang des Verfahrens haben. Allerdings sind die Angaben des Klägers in den Anlagen K8 (Bl. 51-53 d. A.), K9 (Bl. 54/55 d. A.) und K10 (Bl. 56/57 d. A.) auch durch die unbeteiligte ehemalige Mitarbeiterin C bestätigt worden, die zumindest bis November 2010 als engste Mitarbeiterin des Klägers und Assistentin der Geschäftsleitung tätig gewesen ist. Nachdem auch die Beklagte dazu nach Vernehmung keine weiteren Einwendungen erhoben hat, waren die klägerischen Angaben in den Anlage K8-K10 gemäß Beschluss vom 05.05.2015 (Bl. 272/273 d. A.) als zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit am 18.02.2011 der Sachverständigenbegutachtung zugrunde zu legen.
Aufgrund des eingeholten schriftlichen Gutachtens und insbesondere der mündlichen Erläuterung durch den bestellten Sachverständigen Dr. C hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger ab 18.02.2011 zu mindestens 50% außerstande war, seiner vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Ausgangspunkt der Beurteilung einer vereinbarungsgemäßen Berufsunfähigkeit des Klägers ab 18.02.2011 sind die zeitnahen medizinischen Vorbefunde.Unter dem 26.04.2011 hat der Allgemeinmediziner Dr. G (Anlage K15 – Bl. 62 d. A.) gegenüber der Versicherung bei dem Kläger zunehmend depressive Phasen und ein Burn-Out-Syndrom seit Beginn 2011 dokumentiert, sowie beginnende depressive Episoden seit Anfang 2010 bei einer medikamentösen Einstellung auf die Medikamente Sertralin, Midazepin und Ibuprofen. Weiter bestätigt der Allgemeinmediziner zunehmende psychosomatische Beschwerden mit Zunahme der depressiven Phasen in Frequenz und Intensität, sowie regelmäßige psychotherapeutische Zustände. Der Mediziner hält eine psychotherapeutische Behandlung dringend für erforderlich.
Mit Schreiben vom 03.06.2011 (Anlage K16 – Bl. 63/64 d. A.) berichtet die Dipl.-Psychologin L (K16 – 63/64) von einer beim Kläger seit Sommer 2010 bestehenden erheblichen Burn-Out-Symptomatik mit Erschöpfung, depressiver Stimmungslage, Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen, Existenzängsten und Somatisierungen, wobei das Ausmaß der bestehenden Depressivität (mit zeitweiligen Suizidgedanken) nur zum Teil offen sichtbar sei. Als Auslöser für die Symptomatik sieht die Dipl.-Psychologin eine langjährige psychische und physische Überforderung, sowie Depression und Burn-Out als daraus resultierende symptomatische Reaktion. Frau L bestätigt bei dem Kläger innere Unruhe, leichte Erschöpfbarkeit und Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und diverse Somatisierungen, vor allem ein Tinnitus sowie Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenprobleme. Als Diagnose stellt sie eine mittelgradig depressive Episode und ein Burn-Out-Syndrom. Sie sieht die Notwendigkeit einer Langzeittherapie mit einer günstigen Prognose
Unter dem 23.12.2011 stellt die Z-Klinik einen Abschlussbericht (Anlage K17 – Bl. 65-70 d. A.), nachdem der Kläger dort vom 09.11.2011 bis 23.12.2011 stationäre behandelt worden ist. Angeführt wird eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig eine mittelgradige Episode, mit somatischem Syndrom und eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst). Im Ergebnis konnte sich der Kläger nach Einschätzung der Klinik bezüglich der depressiven Symptomatik leicht stabilisieren, wobei der Kläger aber als „vorerst noch arbeitsunfähig“ entlassen worden ist.
Aus dem Jahre 2012 (28.08.2012) datiert das von der Beklagten eingeholte Privat-Gutachen des Dr. T, Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie, Psychotherapie, forensische Psychiatrie (Anlage K26 – 131-160). Dieser hält die Diagnose der Z-Klinik für nicht nachvollziehbar. Weder seien die erforderlichen Symptome für die Annahme einer mittelgradig depressiven Episoden gegeben, noch hätten sich bei aktueller Begutachtung ausreichende Hinweise auf eine Panikstörung gefunden. Die Ängste des Klägers seien nur in dessen Lebensumständen begründet und damit nicht grundlos. Darüber hinaus seien die Beschwerden vom Kläger erheblich aggraviert worden.
Für die Folgezeit liegt ein Rezept vom 07.12.12 (Anlage K20 – Bl. 74 d. A.) der Frau Dr. U, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie vor mit der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Erkrankung, derzeit mindestens mittelschwer, sowie einer ausgeprägten Panikstörung.Weiter befindet sich ein Entlassungsbericht der Klinik VN vom 25.07.2013 (Anlage K22 – Bl. 76-85 d. A.) bei der Akte, in welcher der Klägerin vom 14.12.2012 bis 15.02.2013 stationär behandelt worden ist. Als Diagnose sind eine rezidivierende depressive Störung, als gegenwärtig mittelgradige Episode, eine Panikstörung, Adipositas, essentielle Hypertonie, Tinnitus aurium und Rückenschmerzen angeführt. Die Klinik teilt ausdrücklich die Einschätzung des Klägers, wonach er sich noch nicht arbeitsfähig fühle.Mit nervenärztlichem Befundbericht der Frau Dr. U vom 18.07.2013 (Anlage K23 – Bl. 86/87 d. A.) bestätigt diese eine Berufsunfähigkeit wegen der Diagnosen schwere depressive Episode bei bekannten rezidivierenden depressiven mindestens mittelschweren Episoden ohne psychotische Symptomatik, Panikattacken, einem HWS- und LWS-Syndrom bei bekannten degenerativen Veränderungen, einem essentiellen Hypertonus, einem chronischen Schmerzsyndrom. Die Ärztin bestätigt latente Suizidgedanken, von denen sich der Kläger jedoch weiterhin distanzieren könne. Abschließend wird ausgeführt: „Aus nervenärztlicher Sicht ist der Pat nicht in der Lage, selbst unterhalbschichtig seinen Beruf als Leiter in einer Einrichtungsfirma auszuüben. Es wird daher dringlich die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente empfohlen.“
Unter Berücksichtigung dieser medizinischen Stellungnahmen hat der gerichtlich bestellte Sachverständige sein Gutachten erstattet. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Sachverständige die Frage einer bestehenden Berufsunfähigkeit zu mindestens 50% ab dem 18.02.2011 in seinem schriftlichen Gutachten nicht beantwortet hat. Stattdessen hat er ausgeführt, dass eine Berufsunfähigkeit nicht zu beurteilen sei, da der Kläger versucht habe, den Gutachter über seinen tatsächlichen pathologischen Zustand zu täuschen. Daraus hat der gerichtlich bestellte Sachverständige ursprünglich den Schluss gezogen, dass der Kläger aktuelle keinen anderen Ausweg sehe, als den Gutachter zu täuschen. Beim Kläger bestehe eine langausdauernde Autosuggestion im Sinne einer erlernten Hilflosigkeit. Nach Einschätzung von Dr. C solle deshalb eine stationäre Therapie durchgeführt und der Kläger im Anschluss daran begutachtet werden. Allerdings hat der gerichtlich bestellte Sachverständige bereits im schriftlichen Gutachten vom 25.02.2016 ausgeführt, dass diagnostisch von einer bereits vordiagnostizierten, rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig als mittelgradiger Episode mit somatischem Syndrom auszugehen ist. Weiter hat der gerichtliche bestellte Sachverständige hinsichtlich der Panikstörung ausgeführt, der Diagnose Angst und depressive Reaktion, gemischt nach Anpassungsstörung des Privatgutachters Dr. T nicht folgen zu können. Denn diese Diagnose werde für die Kombination leichter Symptome vergeben, die weder die eine noch die andere Diagnose erfüllten. Hier sei aber eine mindestens mittelgradige Depression dokumentiert. Insgesamt stellt Dr. C schon im schriftlichen Gutachten die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig als mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom, sowie einer mittelgradigen Panikstörung. Trotz der Annahme einer Aggravation führt Dr. C aus, dass sich der Kläger insgesamt aufgrund seines aktuellen psychopathologischen Zustandes als beeinträchtigt erweise. Es liege eine mittelgradige Beeinträchtigung der fachlichen Kompetenzen vor. Auch sei das soziale und körperliche Funktionsvermögen auf mittlerem Niveau beeinträchtigt, wodurch die Alltags- und Arbeitsbewältigung zeitweise stark oder konstant leicht erschwert sei. Es sei plausibel, wenn der Kläger angebe, dass sich die diagnostizierte Panikstörung aus den depressiven Symptomen heraus entwickelt habe. Bereits im schriftlichen Gutachten führt Dr. C aus, dass aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode bei rezidivierendem Geschehen der Erwartungswert gelte, dass die Fortsetzung der sozialen, häuslichen und beruflichen Aktivitäten nur unter gewissen Schwierigkeiten gelinge, wobei dann aber in der Regel keine Berufsunfähigkeit vorliege. Die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei dann auf einem Niveau, bei dem von halbschichtiger Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden könne. Allerdings leide der Kläger dazu noch an einer Panikstörung. Außerdem müsse darüber hinaus Art und Inhalt der geforderten beruflichen Tätigkeit betrachtet werden. Unter Berücksichtigung der gerichtlich vorgegebenen Tätigkeiten hat der gerichtlich bestellte Sachverständige bereits im schriftlichen Gutachten die 3 Szenarien Büro-, Akquise- und Außendiensttage sowie Messetage beurteilt. Überzeugend und nachvollziehbar hat er ausgeführt, dass der Kläger bereits Ende 2010 nicht mehr in der Lage war, die einzelnen Tätigkeiten vollständig auszuführen. Erst danach ist er der an ihn gestellten Beweisfrage ausgewichen, indem er erklärt hat, die Berufsunfähigkeit sei erst nach einer stationären Therapie zu beurteilen.
Wenngleich der Sachverständige hiermit die an ihn gestellte Beweisfrage nicht beantwortet hat, kann nicht verkannt werden, dass er eine Exploration des Klägers an 2 Tagen (20.10.2015 + 22.10.2015) mit insgesamt 9 Stunden überwiegend selbst durchgeführt hat. Er hat damit eine gute Erkenntnisgrundlage, wenn er seine Angaben dann im Rahmen der mündlichen Erläuterung ergänzt hat. In der mündlichen Anhörung hat der Sachverständige zu Beginn überzeugend die Entwicklung der Depression nach Angaben des Klägers dargestellt. Nachvollziehbar hat er ausgeführt, dass sich nach diesen konsistenten Beschwerdeschilderungen für ihn eine schwere depressive Episode ergebe, wenngleich eine Tendenz des Klägers zur Aggravation erkennbar sei. Überzeugend hat er zu den Angaben des Klägers bei der mündlichen Erläuterung auf die testpsychologische Untersuchung verwiesen und ausgeführt, dass sich kein Hinweis für eine Simulation, wohl aber eine Aggravation ergeben habe. Nachvollziehbar hat der gerichtlich bestellte Sachverständige dazu die Stufen Simulation, Aggravation und Verdeutlichungstendenz erläutert. Wenngleich der Sachverständige klargestellt hat, vom ersten Gutachten Dr. T hin zur Exploration durch Dr. C die Aggravationstendenzen stärker geworden sind, hat er dies dahingehend eingeschränkt, dass die Verstärkung weniger als Aggravationstendenzen, sondern eher zu Verdeutlichungstendenzen erfolgt ist. Dazu hat er eine nachvollziehbare Begründung gegeben, nämlich dass der Kläger aggraviert habe, um die Gutachter von der Brisanz der Thematik zu überzeugen. Dass damit aber keine falschen Anknüpfungstatsachen der Begutachtung zugrunde gelegt worden sind, hat der gerichtlich bestellte Sachverständige nachvollziehbar über die sehr lange Untersuchungszeit von 1,5 Tagen ausgeschlossen. Denn über die lange Zeit von 9 Stunden, die man mit ihm verbracht habe, habe sich gezeigt, dass seine Probleme nicht im schweren Bereich lägen und ganz sicher nicht im leichten depressiven Bereich. So komme der gerichtlich bestellte Sachverständige mit seinem Team unter Berücksichtigung der kriterienorientierten Diagnostik zu der Einschätzung einer mittelschweren Depression, auch wenn der Kläger selbst berichtet habe, dass er schwer depressiv sei.Das Gericht hält das Gutachten des Dr. C für überzeugend, auch wenn er die Beweisfrage erst in der mündlichen Erläuterung beantwortet hat. In der Sitzung hat er die Einschätzung des Gutachtens einer mittelschweren Depression noch einmal unter Berücksichtigung objektiver Kriterien überprüft. Berücksichtigt hat er die Hauptsymptome im Sinne einer gedrückten Stimmung und eines Antriebsmangels, wobei man nach seiner Erklärung die Quantifizierung außen vor lassen kann, da es allein um eine qualitative Einschätzung geht. Weiter hat er auch unter Berücksichtigung der Aggravation des Klägers drei klare Symptome gefunden, das verminderte Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, das Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit sowie negative und pessimistische Zukunftsperspektiven. Anzunehmen sind nach Einschätzung von Dr. C aufgrund der Exploration auch Suizidgedanken, nachdem der Lebensüberdrussgedanken und Hoffnungslosigkeit geschildert hat. In dieser Verbindung sei von Suizidalität auszugehen, von der sich der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt habe distanzieren können. Fragliche Symptome seien demgegenüber Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen, da diese nicht objektiviert werden könnten. Nach Eindruck des Sachverständigen lägen solche eher vor, wobei man dazu aber die für ein Zivilverfahren erforderliche Sicherheit nicht gewinnen könne.
Keinen Zweifel an der Angabe des gerichtlich bestellten Sachverständigen hat das Gericht dann, wenn dieser, nach einer Berufsunfähigkeit ab 2011 gefragt, ausführt, dass eine solche nach dem forensischen Erfahrungswert bei einer geringgradig ausgeprägten psychopathologischen Problematik, wie von Herrn Dr. T angenommen, nicht vorliege. Allerdings ändere sich das bei dem hier konkreten Tätigkeitsprofil, wenn eine geringgradige Störung zusammen mit einer weiteren psychiatrischen Störung zu beurteilen sei, bzw. wenn man alleine eine mittelgradige depressive Episode zu beurteilen habe. Dann gebe es signifikante Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit, die meistens in dem Bereich von 50 Prozent zu verorten seien. Damit müsse dann, wenn entweder eine mittelgradige depressive Episode, oder aber eine leichtere depressive Episode mit weiterem psychiatrischem Beschwerdebild vorliege weiter bezogen auf die konkrete Tätigkeit beurteilt werden, ob eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent vorliege. Vorliegend sei davon auszugehen, dass die psychiatrische Beeinträchtigung des Klägers sich eher auf die Leistungsfähigkeit auswirke. Denn es handele sich um sehr verschiedene berufliche Teilaspekte, die zu berücksichtigen seien. Es werde an verschiedenen Orten gearbeitet, es werde längere Zeit gearbeitet, und darüber hinaus werde in Interaktion mit anderen Personen gearbeitet. Gerade die Interaktion mit anderen Personen sei durch leichte depressive Störungen in Verbindung mit Panikattacken deutlich eingeschränkt. Nach reiflichem Überlegen führt der gerichtlich bestellte Sachverständige aus, dass für den Zeitraum ab 18.02.2011 eine Berufsunfähigkeit von über 50 Prozent anzunehmen ist.
Besonders überzeugend werden die Angaben des gerichtlich bestellten Sachverständigen auch dadurch, dass er selbst Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde ist, deren Stellungnahme Nr. 3 / 28.01.2011 (Anlage K32 – Bl. 179 ff d. A.) der Beklagtenvertreter dem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgehalten hat. Dieser Stellungnahme Rechnung getragen zu haben hat der Sachverständige überzeugend bestätigt. Insbesondere hat Dr. C erläutert, dass der Katalog unter Nr. 1 bis Nr. 8 (Bl. 181 d. A.) nicht als Checkliste zu verstehen ist, bei deren Vorliegen von ein oder zwei Voraussetzungen zwingende Schlüsse zu ziehen wären.
Auch wenn der Sachverständige die Beweisfrage im schriftlichen Gutachten nicht beantwortet hat, hat er nachvollziehbar erläutert, sich inzwischen in Vorbereitung des Termins nochmals intensive mit der Angelegenheit zu haben mit einem nochmaligen Durchgehen der kriterienorientierten Diagnostik unter Einbeziehung der neuen Schriftsätze und unter Berücksichtigung der Fachliteratur. In Kenntnis seiner vorab unzureichenden Angabe hat er die Beweisfrage bei der mündlichen Erläuterung beantwortet.
Dass der Sachverständige auch über neueste Entwicklungen seines Fachgebiets informiert ist, hat er auf die Frage des Beklagtenvertreters belegt, ob nicht inzwischen die Theorie vertreten werde, dass hinsichtlich der Beurteilung einer Depression auf eine Blutuntersuchung des medikamentös unbehandelten Blutes abzustellen sei, um festzustellen, ob hier die erforderliche Zahl von Botenstoffen vorhanden sei. Aufgrund seiner besonderen Zusatz-Kompetenz als auch biologischer Psychiater ist es besonders überzeugend, wenn er darauf verweist, solche Blutuntersuchungen beim Kläger nicht vorgenommen zu haben, da dieser ja medikamentös behandelt worden sei. Voraussetzung der vorgenannten Blutuntersuchung sei, dass man sämtliche Medikation absetze, wobei einem solchen Vorgehen aber die Leitlinie zur Behandlung von leichten, mittelgradigen und schweren Depressionen entgegenstünden. Nachvollziehbar verweist der Sachverständige auch darauf, dass die Aussagekraft des unbehandelten Blutes hinsichtlich der Botenstoffe noch nicht so gut sei.
Überzeugend hat der Sachverständige Dr. C ausgeführt, dass er sich in Vorbereitung der Sitzung nochmal klargeworden ist, wie sicher ist die Diagnose einer Panikstörung war. Auseinandergesetzt hat er sich dazu mit der schriftlich Nachfrage des Beklagtenvertreters auf das schriftliche Gutachten, warum man nicht aufgrund der klägerischen Aggravation von einer schweren auf eine leichte depressive Episode übergehen könne. Insbesondere war sich der Sachverständige bewusst, dass man bei Annahme einer leichten depressiven Episode, was hier nicht der Fall sei, nicht zu einer beruflichen Einschränkung im Sinne einer Berufsunfähigkeit von über 50 Prozent gekommen wäre. Also habe der Sachverständige Dr. C in Vorbereitung des Termins den Schweregrad der Depression noch einmal durchdekliniert. Er habe sich nochmals gefragt, ob er eine leichtgradige Episode für Vergangenheit und Zukunft ausschließen könne. Dass er dies bejaht habe sei auch auf die 9 Stunden zurückzuführen, die sich das Team des Sachverständigen mit dem Kläger beschäftigt habe, dieser selbst ca. dreieinhalb Stunden am ersten Tag und den gesamten zweiten Tag.
Nachdem der Sachverständige die Beweisfrage erst in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2016 beantwortet hat, war der Beklagtenseite in der Folge Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Dies hat mit Schriftsatz vom 09.11.2016 die Einholung eines Obergutachtens beantragt, da der gerichtlich bestellte Sachverständige in seiner Einschätzung völlig beliebig sei. Wenn die Beklagte ausführt, dass der Bezug der Berufsunfähigkeit auf den 18.02.2011 nicht nachvollziehbar sei, stehen dem gerade die vorab angeführten weiteren zeitnahen ärztlichen Stellungnahmen weiterer Mediziner entgegen. Warum der Sachverständige seine Einschätzung trotz Aggravation getroffen hat, hat er bei seiner Erläuterung ausführlich erklärt. Dazu wird auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen. Wenn die Beklagte rügt, dass Schlafstörungen nicht objektiviert worden seien, ist darauf zu verweisen, dass diese bei der Bewertung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Mit der Beklagten sieht auch das Gericht, dass die Zeuginnen A, B ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens haben. Trotzdem haben sie sich erkennbar bemüht, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, was insbesondere darauf zu entnehmen ist, dass ihnen eine exakte zeitliche Einordnung der geschilderten Probleme nicht möglich war. Insgesamt vermögen die Einwendungen der Beklagten die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des mündlich erläuterten Gutachtens nicht zu erschüttern. Auszugehen ist davon, dass der Kläger ab 18.02.2011 zu mindestens 50% außerstande war, seiner vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Darüber hinaus sind auch die weiteren Voraussetzungen einer vertragsgemäßen Berufsunfähigkeit gegeben. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Vertrag mit der Nr. 1 im Unterschied zum Vertrag mit der Nr. 2 kein ausdrückliches Erfordernis zur Umorganisation enthält. Während in den Bedingungen zum Vertrag mit der Nr. -002 ausgeführt ist, dass eine Berufsunfähigkeit zusätzlich voraussetzt, dass die Person nicht dazu imstande ist, durch zumutbare Umorganisation ihres Arbeitsplatzes oder ihres Tätigkeitsbereichs sowie durch Zuweisung betrieblich anfallender Arbeitsabläufe an Mitarbeiter, sich ein Tätigkeitsfeld zu schaffen, das mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit ausschließt und eine Umorganisation zumutbar ist, wenn sie wirtschaftlich zweckmäßig ist, vom Versicherungsnehmer oder der versicherten Person aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke des Unternehmens realisiert werden kann und keinen erheblichen Kapitalaufwand erfordert und darüber hinaus die Stellung als Betriebsinhaber erhalten bleibt, fehlen dazu Angaben in den Bedingungen zum Vertrag mit der Nr. -001. Zurecht verweist die Beklagte dazu darauf, dass das Erfordernis einer Umorganisation nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei einem Selbständigen auch dann dem Begriff der Berufsunfähigkeit immanent ist, wenn es an Regelungen in den Bedingungen fehlt. Auf die Frage, ob dies dem Erfordernis von Verständlichkeit und Transparenz genügt, was z.B. Schwintowski (in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, S. 1576) in Frage stellt, kommt es vorliegend nicht an. Denn der Kläger hat nachvollziehbar ausgeführt, dass ihm eine solche Umorganisation nicht möglich war. Einmal war dies der Fall, da der Kläger die einzige Person im Betrieb mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung war und er darüber hinaus über keine Kenntnisse und Qualifikationen in der handwerklichen Raumausstattung verfügt. Schon dies hindert eine Umorganisation des Betriebes. Darüber hinaus steht einer Berufsunfähigkeit zu mindestens 50% nicht entgegen, dass der Kläger einen externen Geschäftsführer einstellen könnte. Nachvollziehbar hat er dazu ausgeführt, dass dies einmal in Anbetracht des zu zahlenden Gehalts wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Darüber hinaus steht dem aber auch entgegen, dass der Kläger damit seine Stellung als Betriebsinhaber verlieren würde. Dies ist ihm weder nach den Bedingungen zum Vertrag -002, noch nach der ergangenen Rechtsprechung zum Fall einer fehlenden ausdrücklichen Regelung zur Umorganisation zumutbar.
Hinsichtlich der Höhe der von der Beklagten zu erbringenden Leistungen besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die geltend gemachten Anträge entsprechen den vertraglichen Vereinbarungen. Der Klage ist in vollem Umfang stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Wegen der Berechnung des Streitwerts in Höhe von 929.667,89 € wird auf die korrekte Berechnung in der Klageschrift unter S. 29 Bezug genommen.