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Berufsunfähigkeit eines Störungsbeseitigungs-IT-Spezialisten

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 107/18 – Urteil vom 16.07.2021

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Juli 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 181/14 – abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 45.049,20 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10. Juni 2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1. September 2014 für die Dauer der mindestens 50-prozentigen Berufsunfähigkeit eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 973,40 Euro zu zahlen, und zwar längstens bis zum 30. November 2029.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die persönliche Vorsorgepolice des Klägers mit der Nr. xxx für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit des Klägers, längstens bis zum Vertragsablauf am 30. November 2029, beitragsfrei fortzuführen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 95.928,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Berufsunfähigkeit eines Störungsbeseitigungs-IT-Spezialisten
(Symbolfoto: SeventyFour/Shutterstock.com)

Der Kläger hat mit seiner am 9. Juni 2015 zugestellten Klage gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für die Zeit ab 1. November 2011 geltend gemacht. Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. Februar 2002 eine kapitalbildende Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung („Persönliche Vorsorge-Police“, Versicherungsscheinnummer: xxx, Bl. 44 GA); danach gewährt die Beklagte bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit Versicherungsleistungen bis längstens zum Vertragsablauf am 30. November 2029 in Gestalt einer monatlichen Rente in Höhe von 973,40 Euro zzgl. einer 50-prozentigen Bonusrente aus der Überschussbeteiligung, insgesamt 1.460,10 Euro, sowie der Freistellung von den Beiträgen für Haupt- und Zusatzversicherung. Dem Vertrag liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ, Anlage K2) zugrunde. In der Zeit von August 2011 bis einschließlich Dezember 2013 zahlte der Kläger keine Prämien, im Frühjahr 2012 stellte er einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, den die Beklagte nach Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. R. auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet (BI. 48 GA) und Einholung eines neuroradiologischen Zusatzgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. (BI. 78 GA) mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 ablehnte. Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 8. Januar 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die seit 1. August 2011 offenen Beiträge durch eine Änderung des Vertrages ausgeglichen und die Berufsunfähigkeitsrente auf 739,60 Euro zzgl. Bonusrente aus der Überschussbeteiligung herabgesetzt habe (Bl. 490 GA). Der Kläger war beruflich in der Zeit von Juni 2002 bis Juli 2011 als IT-Systemadministrator bei der Firma K. beschäftigt. Der Kläger war dort in Gleitzeit 40 Stunden pro Woche tätig, der Schwerpunkt seiner Arbeit bestand in PC-Arbeiten in der Betreuung von ca. 100 Mac-Usern, wobei die Betreuung den First-, Second- und Thirdsupport beinhaltete (Bl. 99 und Anlage K5); bei Problemen wurde der Kläger zunächst telefonisch kontaktiert, im Bedarfsfall musste er sich auch vor Ort begeben, außerdem leistete er Unterstützung bei der Beschaffung von Hard- und Software. Seit 26. April 2011 war er durchgängig arbeitsunfähig geschrieben. In der Zeit vom 13. Dezember 2011 bis zum 10. Januar 2012 befand er sich in stationärer Behandlung im Reha-Klinikum Bad S., von dort wurde er arbeitsunfähig entlassen (Anlage K6); das Arbeitsverhältnis mit der Firma K. endete später durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers. Vom 4. April 2013 bis zum 30. März 2017 war der Kläger bei der SPD-Landtagsfraktion teilzeitbeschäftigt; zuletzt war er im Rahmen eines sog. „Minijobs“ bei der Fa. S. tätig. Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Saarland vom 31. Januar 2014 wurde ihm rückwirkend ab dem 1. Juni 2013 und bis zum Eintritt der Regelaltersgrenze eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt (Anlage K7).

Der Kläger, der mit seiner Klage rückständige Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 1. November 2011 bis zum 30. August 2014 in Höhe von 45.049,20 Euro sowie die Zahlung einer monatlichen Rente von 973,40 Euro und die Freistellung von der Beitragszahlungspflicht, jeweils ab dem 1. September 2014 und längstens für die Dauer des Vertrages begehrt hat, wobei er als Ablaufdatum zunächst den 1. Februar 2034 angegeben und dies später auf den 30. November 2029 korrigiert hat (Bl. 498 GA), hat behauptet, er sei spätestens seit 1. November 2011 bedingungsgemäß berufsunfähig gewesen. Er leide an einer Vielzahl von Erkrankungen, die sich als behandlungsresistent erwiesen hätten: einer Psoriasis-Arthropathie bei bekannter Psoriasis vulgaris, einem Fibromyalgiesyndrom, einer rezidivierenden Zervicobrachialgie beidseits bei degenerativen HWS-Veränderungen sowie einem psychovegetativen Erschöpfungszustand mit depressiven Episoden, Konzentrationsstörungen und Panikattacken. Daneben sei im Segment L4/L5 sowie im Segment L5/S1 ein Bandscheibenvorfall festgestellt worden; im Segment L1/L2 eine flache Bandscheibenprotrusion. Darüber hinaus leide er mittlerweile, möglicherweise aufgrund jahrelanger Schmerzmitteleinnahme, an einer mittelgradigen chronischen Gastritis C. Seine frühere Tätigkeit habe er aufgrund ständiger Schmerzen und psychischer Leistungseinschränkungen nicht weiter ausüben können. Seiner Teilzeittätigkeit bei der Landtagsfraktion sei er trotz Schmerzen unter größter Anstrengung – überobligatorisch – nachgegangen, da er von seiner Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht leben könne. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich ursprünglich auf den Standpunkt gestellt, der Kläger habe seine berufliche Tätigkeit nicht ausreichend dargelegt, außerdem hat sie unter Hinweis auf die von ihr vorgerichtlich veranlasste Begutachtung das Vorliegen einer ernsthaften Erkrankung des Klägers und einer daraus folgenden bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ausdrücklich in Abrede gestellt. Auch der Höhe nach sei die Klage angesichts der zwischenzeitlichen Vertragsänderung nicht schlüssig.

Das Landgericht Saarbrücken hat den Kläger informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens sowie eines fachpsychiatrischen Sachverständigengutachtens nebst testpsychologischen Zusatzgutachtens. Mit dem am 18. Juli 2018 verkündeten Urteil (Bl. 502 ff. GA), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat es die Klage abgewiesen, weil das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit in der vom Kläger zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit bei der Firma K. als Voraussetzung einer Eintrittspflicht der Beklagten nicht nachgewiesen sei.

Mit seiner nach antragsgemäßer Gewährung von Prozesskostenhilfe eingelegten Berufung beanstandet der Kläger im Wesentlichen, dass das Landgericht die Berufsunfähigkeit des Klägers unterhalb der maßgeblichen Grenze von 50 Prozent bemessen und hierbei dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 13. Juni 2018 (Bl. 498 f. GA) auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu Unrecht nicht entsprochen habe. Die erheblichen Schmerzzustände ließen eine mindestens 50-prozentige Berufstätigkeit als Systemadministrator schlechterdings nicht zu, und es sei nicht nachvollziehbar, dass die erstinstanzlich tätigen Sachverständigen bei ihrem abweichenden Ergebnis geblieben seien, obschon sie jeweils einen hohen Leidensdruck des Klägers und die Plausibilität der geklagten Beschwerden ausdrücklich bejaht hätten. Seinem Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hätte das Landgericht unter diesen Voraussetzungen entsprechen müssen.

Der Kläger beantragt, das Oberlandesgericht wolle das angefochtene Urteil abändern und wie folgt erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Berufsunfähigkeitsrenten in Höhe von 45.049,20 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger ab dem 1. September 2014 für die Dauer der mindestens 50-prozentigen Berufsunfähigkeit eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 973,40 Euro zu zahlen, und zwar längstens bis zum 30. November 2029.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die persönliche Vorsorgepolice des Klägers mit der Nr. xxx für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit des Klägers, längstens bis zum Vertragsablauf am 30. November 2029, beitragsfrei fortzuführen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 14. Januar 2016 und vom 18. April 2018 (Bl. 182 ff., 468 ff. GA) sowie des Senats vom 15. Mai 2019 und vom 7. Mai 2021 (Bl. 638 ff., 991 ff. GA) verwiesen. Der Senat hat die in erster Instanz bestellten gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. und R. angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. nebst mündlicher Erläuterung, auch unter Gegenüberstellung mit den früheren Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 31. August 2020 nebst Gutachtenergänzung vom 19. April 2021 (Bl. 780 ff., 970 ff. GA) und die vorgenannten Sitzungsniederschriften des Senats vom 15. Mai 2019 und vom 7. Mai 2021 (Bl. 638 ff., 991 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige, nach antragsgemäß zu gewährender Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§§ 233, 234, 236 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2005 – XII ZB 34/04, VersR 2005, 1453; Beschluss vom 11. Juni 2008 – XII ZB 184/05, NJW-RR 2008, 1313) insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit aus dem Versicherungsvertrag. Nach der im zweiten Rechtszug ergänzten Beweisaufnahme steht fest, dass er seit dem 10. Januar 2012 bedingungsgemäß berufsunfähig ist.

1.

Wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, kann sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch vorliegend nur aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag, konkret: aus der darin enthaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, ergeben. Danach schuldet die Beklagte dem Kläger bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit Versicherungsleistungen bis längstens zum Vertragsablauf am 30. November 2029 in Gestalt einer monatlichen Rente sowie der Freistellung von den Beiträgen für Haupt- und Zusatzversicherung. Die Voraussetzungen der Eintrittspflicht der Beklagten ergeben sich aus den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (BUZ, Anlage K2); sie liegen vor, wenn der Kläger infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 Prozent außerstande ist, seinem zuletzt vor Eintritt dieses Zustandes ausgeübten Beruf nachzugehen (§ 1 Abs. 1 BUZ), und er nach Eintritt dieses Zustandes auch keine andere, seiner Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübt, zu deren Ausübung er aufgrund seiner gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50 Prozent in der Lage ist (§ 1 Abs. 2 BUZ). Der Kläger, den die Beweislast für diese Voraussetzungen trifft, muss hierzu nachweisen, dass er, bezogen auf einen konkreten Zeitpunkt (Stichtag), zu der versicherten beruflichen Tätigkeit in einem Ausmaß nicht mehr imstande ist, welches nach den Versicherungsbedingungen einen Anspruch auf die Versicherungsleistungen begründet; außerdem muss er darlegen und beweisen, dass er keine andere, seiner Ausbildung oder Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 – IV ZR 238/01, VersR 2003, 631; Urteil vom 12. Januar 2000 – IV ZR 85/99, VersR 2000, 349; Senat, Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 U 23/16, VersR 2018, 1314 (Ls.) = RuS 2019, 214). Für diesen Beweis gilt der Maßstab des § 286 ZPO; er erfordert die Überzeugung des Richters von der zu beweisenden Tatsache im Sinne eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom 8. Juli 2008 – VI ZR 274/07, VersR 2008, 1126; Senat, Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 U 23/16, VersR 2018, 1314).

2.

Diesen Nachweis hat der Kläger im Streitfall geführt. Nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug ergänzten Beweisaufnahme steht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass der Kläger seit dem 10. Januar 2012 bedingungsgemäß zu mehr als 50 Prozent berufsunfähig ist, weil er an diesem Tag voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen zu mehr als 50 Prozent außerstande war, seinen zuletzt ausgeübten Beruf als IT-Systemadministrator auszuüben, und er auch keine andere Tätigkeit ausgeübt hat, auf die er sich von der Beklagten verweisen lassen müsste.

a)

Zur Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit des Klägers in seinem früheren Beruf vorliegt, ist von der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit des Klägers als Systemadministrator bei der Firma K. auszugehen, wie sie vor deren Beendigung konkret ausgestaltet war; auch davon ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgegangen:

aa)

Bei der Feststellung, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt, ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH, Urteil vom 22. September 1993 – IV ZR 203/92, VersR 1993, 1470; Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 5 U 27/15, VersR 2018, 540; Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 U 23/16, VersR 2018, 1314). Auf spätere Veränderungen erst nach dem behaupteten Eintritt von Berufsunfähigkeit ist nicht abzustellen, zumal wenn diese, was in solchen Fällen regelmäßig nahe liegt, lediglich eine leidensbedingte Reaktion auf bereits vorhandene gesundheitliche Einschränkungen darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016 – IV ZR 527/15, VersR 2017, 216; Senat, Urteil vom 16. Januar 2013 – 5 U 236/12-28, VersR 2014, 1114). Deshalb bleibt die Tätigkeit, die der Kläger vor seiner Krankschreibung im Frühjahr 2011 ausgeübt hat und in die er in der Folgezeit krankheitsbedingt nicht mehr zurückgekehrt ist, für diese Beurteilung weiter maßgeblich. Darauf, dass er – allerdings erst wesentlich später und insbesondere auch erst nach dem sachverständig festgestellten Eintritt von Berufsunfähigkeit – eine neue Teilzeittätigkeit bei der Landtagsfraktion aufnahm, kommt es insoweit nicht an.

bb)

Hinsichtlich der Ausgestaltung der zuletzt ausgeübten, für die Beurteilung maßgeblichen Tätigkeit ist von den tatsächlichen Feststellungen auszugehen, die das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise auf Grundlage der schriftsätzlichen Darstellung des Klägers und seiner eingehenden persönlichen Anhörung getroffen hat (§ 529 Abs. 1 ZPO). Danach war der Kläger bei der Firma K. vollschichtig in Gleitzeit 40 Stunden pro Woche tätig, der Schwerpunkt seiner Arbeit bestand vornehmlich in PC-Arbeiten (Bl. 99 und Anlage K5). Zu seinen Aufgaben zählte die Betreuung von ca. 100 Mac-Usern, wobei die Betreuung den First-, Second- und Thirdsupport beinhaltete; bei Problemen wurde der Kläger zunächst telefonisch kontaktiert, im Bedarfsfall musste er sich auch vor Ort begeben, außerdem leistete er Unterstützung bei der Beschaffung von Hard- und Software. Wie das Landgericht auf der Grundlage einer eingehenden Anhörung des Klägers in dem angefochtenen Urteil weiter ausführt (LGU S. 7 = Bl. 508 GA), bestand sein typischer Arbeitstag darin, dass er schon am Morgen Anrufe erhielt, die Störungen betrafen, die er im Wege der Fernwartung, aber auch vor Ort, schnellstmöglich zu beheben hatte. Darüber hinaus gab es Sondereinsätze bei dem Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens und dessen Familie, die der Kläger persönlich zu betreuen hatte. In etwa die Hälfte des Arbeitstages entfiel auf Tätigkeit im eigenen Büro, der Rest der Zeit auf Außeneinsätze. Der größere Teil der Einsätze betraf wiederkehrende Routinetätigkeiten, allerdings brachte neue Software auch immer wieder neue Probleme mit sich. Diese ausführliche Tätigkeitsbeschreibung, der die Beklagte in der Folge nicht entgegengetreten ist und die auch im Berufungsrechtzug von keiner Partei beanstandet wurde, hat das Landgericht zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Angaben des Klägers sind geeignet, ein lebendiges, nachprüfbares Bild seines früheren Berufes zu zeichnen, anhand dessen sich die gesundheitlichen Anforderungen an die Tätigkeit überprüfen lassen. Sie können deshalb für die weitere Beurteilung der Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers im Berufungsverfahren herangezogen werden.

b)

Dieser Tätigkeit konnte der Kläger seit dem 10. Januar 2012 gesundheitsbedingt voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 Prozent nicht mehr nachgehen. Der Senat hält es auf der Grundlage der im zweiten Rechtszug ergänzten Beweisaufnahme für erwiesen (§ 286 ZPO), dass der Kläger, entsprechend seiner Darstellung, an psychisch vermittelten Ganzkörperschmerzen leidet, die ihm die Wahrnehmung von seinen früheren Beruf maßgeblich prägenden Tätigkeiten in bedingungsgemäßem Umfange unmöglich machen.

aa)

Der Kläger hat seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Auswirkungen, die sich daraus für seinen früheren Beruf ergeben, schon vor dem Landgericht und zuletzt erneut in seiner Anhörung durch den Senat ausführlich und nachvollziehbar geschildert. Da sein früherer Beruf – unstreitig – darin bestanden habe, dringende Störungen zu beseitigen und er im Prinzip „jederzeit“ habe „springen“ müssen, sei es bei ihm stressbedingt zu Konzentrationsproblemen und, infolgedessen, zu erheblichen Schmerzen gekommen, dies habe bei ihm zu Schwindelattacken, geistigen Aussetzern und Reizüberflutungen geführt, anderen Personen habe er dann nicht mehr zuhören können. Vor allem sei das der Fall gewesen, wenn er viele Dinge gleichzeitig habe machen müssen. Dann habe er das Bedürfnis verspürt, sich zu verstecken und sich vor anderen Leuten in Sicherheit zu bringen. Nach der Arbeit habe er sich erschöpft gefühlt, zunehmend schlecht geschlafen und auch schon morgens unter Ganzkörperschmerzen gelitten. Als konkretes schmerzauslösendes Ereignis und besondere berufliche Herausforderung hat der Kläger die persönliche Betreuung des Vorstandsvorsitzenden, Herrn K., geschildert, die zu seiner Tätigkeit gehörte. Da habe alles relativ schnell gehen müssen, dieser sei bisweilen auch recht ungehalten gewesen. Bei dieser Gelegenheit habe er besonderen Druck verspürt und besonders schnell Schweißausbrüche bekommen. Nur an „gar nicht stressigen Tagen“, ohne dass das Telefon geklingelt hätte, habe es durchaus mal passieren können, dass alles in Ordnung gewesen sei, aber üblicherweise sei der Stress im Laufe des Tages angestiegen und mit ihm auch der Schmerz. Als Reaktion hierauf sei es hilfreich gewesen, sich zurückzuziehen und eine Pause zu machen, dies sei aber nicht immer möglich und, weil er immer telefonisch auf Abruf gewesen sei, auch nicht vorab planbar gewesen. Ärztlich verordnete Schmerzmittel hätten zum Teil geholfen. Diese ausführliche, in sich konsistente Schilderung legt in nachvollziehbarer Weise erhebliche gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen des Klägers dar, die es ihm unmöglich machen, berufliche Stresssituationen, wie sie zwanglos aus der Natur seiner früheren Tätigkeit als stets abrufbereiter Systemadministrator folgen, so zu verarbeiten, dass daraus nicht für ihn untragbare dauerhafte Schmerzen entstehen oder aufrecht erhalten werden, die zu einer erheblich eingeschränkten Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit führen.

bb)

Die im zweiten Rechtszug ergänzte Beweisaufnahme hat mit der erforderlichen hinreichenden Gewissheit ergeben, dass der Kläger, entsprechend seiner Schilderung, unter einer psychisch bedingten chronischen Schmerzerkrankung leidet, die ihm die weitere Ausübung seiner früheren Tätigkeit im bedingungsgemäßen Umfang seit dem 10. Januar 2012 unmöglich macht. Dies folgt aus den überzeugenden Ausführungen des vom Senat bestellten Sachverständigen Prof. Dr. F., die durch die Einschätzung der anderen Sachverständigen und die übrigen aktenkundigen Umstände nicht in Frage gestellt werden.

(1)

Dass der Kläger wegen einer psychiatrischen Erkrankung unter permanenten Schmerzen leidet, die ihm die Ausübung seiner früheren Tätigkeit erschweren, ist nach dem Ergebnis der sachverständigen Begutachtung nicht zweifelhaft. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat, ebenso wie schon die bereits für das Landgericht tätige Sachverständige Dr. B., aufgrund einer eigenen Untersuchung und Urteilsbildung eine solche Erkrankung zweifelsfrei bejaht. Nach seinen detaillierten und fundiert begründeten Feststellungen leidet der Kläger an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F 45.4); konkret: an andauernden, schweren und quälenden Schmerzen mit dadurch unmittelbaren körperlichen Beeinträchtigungen und erforderlichen Haltungsänderungen sowie mittelbaren, emotional affektiven Störungen mit affektiv dysthymer und leicht depressiver Verstimmung, eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit und psychomotorischer Anspannung sowie leichter Antriebsstörung und damit mittelbarer motivationaler Störungen, des Weiteren kognitive Leistungseinschränkungen mit deutlichen Störungen der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit sowie Störungen der Konzentration, Aufmerksamkeit, der Exekutivfunktionen der verbalen Fluidität und der Zahlenumstellungsleistungen sowie auch des abstrakt-logisch regelerkennenden Denkens (Seite 86 ff. des Erstgutachtens = Bl. 865 ff. GA). Dieser Zustand hat sich entwickelt auf der Basis einer seit langem bei dem Kläger vorhandenen Gelenkerkrankung, einer Arthritis in Verbindung mit einer Schuppenflechte bzw. einer rheumatoiden Arthrose; zahlreiche medizinische Maßnahmen haben keine nachhaltigen Veränderungen ergeben. Am Vorliegen der Beschwerden und insbesondere der dadurch bedingten Schmerzen hat der Sachverständige keine Zweifel, vielmehr hat er sie als „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ (Bl. 882 GA) vorliegend erachtet und daran in der Folge, in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten und im Rahmen der mündlichen Erläuterung, auch unter Berücksichtigung der Einwände der Beklagten, uneingeschränkt festgehalten (Bl. 985 ff., 999 ff. GA). Das steht ebenfalls im Einklang mit den Feststellungen der Sachverständigen Dr. B., die auf Grundlage einer ähnlichen Diagnose (Somatisierungsstörung F.45.0, Bl. 399 GA), allerdings beschränkt auf den Zeitpunkt ihrer Untersuchung im Jahre 2016, das Vorliegen entsprechender Beschwerden, darüber hinaus aber auch noch Übelkeit und Schwindel, bei dem Kläger festgestellt und ebenfalls ausdrücklich für glaubhaft erachtet hat, was sie auch in ihrer Anhörung vor dem Senat erneut betont hat (Bl. 640, 1000 GA). Das Vorliegen einer – von allen Sachverständigen angenommenen – Somatisierungsstörung geht nicht zuletzt einher mit der von dem Sachverständigen Prof. Dr. F. auftragsgemäß umfassend beleuchteten Krankheitsgeschichte des Klägers und den in diesem Zusammenhang erfolgten ärztlichen Behandlungen in den Jahren vor der Geltendmachung der behaupteten Berufsunfähigkeit, die mit mehreren stationären Aufenthalten und z.T. starker Schmerzmedikation verbunden waren. Der Senat hält es für fernliegend, dass sich ein gesunder Mensch solchen – z.T. auch wiederholt stationär erfolgten – Maßnahmen, wie sie in dem Gutachten im Einzelnen dargestellt werden, ohne weiteres und über einen so langen Zeitraum unterziehen würde. Am Vorliegen der Erkrankung des Klägers und ihren Auswirkungen auf dessen körperliches Wohlbefinden, die auch durch die weiteren aktenkundigen ärztlichen Gutachten und Atteste und insbesondere auch das Gutachten aus der vorgerichtlichen Leistungsprüfung der Beklagten nicht in Frage gestellt werden, bestehen deshalb keine durchgreifenden Zweifel.

(2)

Der Senat hält es überdies, anders als noch das Landgericht, aufgrund der im zweiten Rechtszug vervollständigten Beweisaufnahme und der dadurch vermittelten weiteren Erkenntnisse für erwiesen, dass dem Kläger aufgrund seiner Erkrankung eine weitere Ausübung seiner früheren Tätigkeit in bedingungsgemäßen Umfang nicht mehr möglich ist und dass dieser Zustand seit dem 10. Januar 2012 vorgelegen hat. Er folgert dies mit der nach § 286 ZPO erforderlichen hinreichenden Gewissheit aus den sehr eingehenden, fundierten und fachlich unzweifelhaften Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F., dessen Einschätzung weder durch die Aussagen der weiteren Sachverständigen, noch durch die anderen aktenkundigen Umstände und Vorgutachten erschüttert wird, und die diesen Schluss ohne weiteres rechtfertigen.

(a)

Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass auf Basis der dokumentierten medizinischen Vorgeschichte des Klägers, insbesondere nach Abschluss einer mehrere Jahre zuvor erfolgten ersten Rehabilitationsbehandlung des Klägers, einer vorübergehenden Besserung und einer sodann ab 2010 eintretenden erneuten Verschlechterung der Symptomatik, die nach längerer Arbeitsunfähigkeit zu der weiteren Rehabilitationsbehandlung in Bad S. führte, aufgrund des bereits zum Zeitpunkt der Entlassung aus dieser Rehabilitationsbehandlung vorliegenden Querschnittsbefundes am 10. Januar 2012 im Kontext der medizinischen Vorgeschichte die Prognose zu stellen war, dass der Kläger voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mehr als 50 Prozent zur Ausübung seines zuletzt ausgeübten Berufs außerstande sein werde. Bereits zum damaligen Zeitpunkt sei das bestehende Störungsbild der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit, insbesondere auf der Ebene der funktionellen Einschränkungen durch Konzentrationsstörungen und schmerzbedingte Bewegungs- und Haltungseinschränkungen, so erheblich gewesen, dass – ohne Rücksicht auf die weiteren, von dem Sachverständigen Prof. Dr. R. festgestellten Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet – die konkreten Tätigkeiten als IT-Administrator zu insgesamt ca. 60 Prozent nicht mehr ausgeübt werden konnten (Bl. 879 f. GA). Aus dem Ergebnis der Testungen folge, dass der Kläger zwar über einen hohen Wissensschatz verfüge, den er auch abrufen könne, wenn er die Zeit und die Ruhe dazu habe. Bei Aufgaben, die schnelle Reaktionen und Aufmerksamkeit erforderten, habe er hingegen nur deutlich unterdurchschnittliche Leistungen erbracht; daraus sei zu schließen, dass eine erworbene Störung kognitiver Leistungsfähigkeit vorliege, nämlich die Fähigkeit, schnell und sorgfältig zu arbeiten, beeinträchtigt sei und infolgedessen alle Arbeiten, die schnell und unter Druck erfolgen müssten, in dieser Form nicht mehr erfolgen könnten. Daraus folge, dass eine selbstbestimmte Tätigkeit im eigenen Umfeld – was der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten missverständlich mit dem Begriff „Routinetätigkeit“ umschrieben hat – möglicherweise noch funktioniere; sobald der Kläger aber flexibel auf Anforderungen reagieren müsse, also beispielsweise auf einen Telefonanruf, bei dem er um Hilfe oder um Lösung eines fremden Problems gebeten werde, der Kläger nicht adäquat auf diese äußeren Anforderungen reagieren könne (Bl. 1000 f. GA). Als Möglichkeit einer Überwindung von Schmerzzuständen während der Ausübung beruflicher Tätigkeit hat der Sachverständige nur die Möglichkeit gesehen, einfache Routinetätigkeiten mit überdurchschnittlich vielen Pausen und Möglichkeiten der Unterbrechung unter Ausschaltung von äußeren Stressoren der besonderen Anforderungen auszuüben; Möglichkeiten, die Schmerzzustände während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit zu überwinden, hat er dagegen nicht gesehen (Bl. 885 GA). Durch die kognitiven Einschränkungen der Leistungsfähigkeit im Bereich von Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis, die durch zahlreiche, im Ergebnis stets weitestgehend übereinstimmende testpsychologische Untersuchungen belegt werden, sowie der Einschränkungen im affektiven Bereich im Hinblick auf Psychomotorik, Schwingungsfähigkeit und Antrieb und Stimmung, sei der Kläger in der von ihm benannten Teiltätigkeit des Einkaufs von Soft- und Hardware im Umfange von 30 Prozent eingeschränkt, während andererseits im Hinblick auf die höheren Anforderungen bei der Bearbeitung von Störungen auf Basis der festgestellten psychischen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit von einer überwiegenden Berufsunfähigkeit von 70 Prozent für diesen Bereich auszugehen sei.

(b)

Den Senat überzeugen diese Ausführungen, die sich auf eine umfassende Auswertung des gesamten Sachverhaltes gründen und die für ihn nachvollziehbar zu der Annahme einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit des Klägers ab 10. Januar 2012 gelangen. Die Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Klägers beruht auf einer eingehenden kritischen Auswertung des gesamten Sachverhaltes und reiht sich in das Ergebnis der vorangegangenen Begutachtungen zwanglos ein. Der Sachverständige, dessen Fachkompetenz unzweifelhaft ist, hat den Kläger eingehend exploriert, auftragsgemäß dessen Krankengeschichte beleuchtet und hinterfragt, dabei standen ihm sämtliche Befunde und Vorgutachten zur Verfügung, mit denen er sich sehr intensiv auseinandergesetzt hat. Seine Feststellungen, die sich im Ausgangspunkt mit den Einschätzungen der Vorgutachter decken, sind fundiert und einleuchtend begründet; sie rechtfertigen bei kritischer Überprüfung und unter Berücksichtigung auch der dagegen erhobenen Einwände der Beklagten den Schluss, der Kläger sei bedingungsgemäß zu mehr als 50 Prozent außerstande, seiner früheren beruflichen Tätigkeit nachzugehen:

(aa)

Der Senat folgt dabei insbesondere der Einschätzung des Sachverständigen, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung in der Ausübung seines Berufes insgesamt mehr als halbschichtig eingeschränkt ist, nachdem er insbesondere die ihm von seinem Arbeitgeber zugewiesene Aufgabe der Störungsbeseitigung, sei es am Telefon oder vor Ort, nicht mehr wahrnehmen kann. Die von allen Sachverständigen übereinstimmend bejahten Ganzkörperschmerzen, die sich vom Kläger nur durch Ruhepausen bei entsprechender Rückzugsmöglichkeit überwinden lassen, machen es dem Kläger unzumutbar, jedenfalls diesem ganz wesentlichen Teilbereich seiner früheren Berufstätigkeit nachzugehen. Anerkanntermaßen sind Tätigkeiten unter dauerhaften erheblichen Schmerzen nicht zumutbar; sie auszuhalten, obliegt dem Versicherungsnehmer nicht (Senat, Urteil vom 28. Mai 2014 – 5 U 355/12, VersR 2015, 226; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 4. Aufl., Kap. 6 Rn. 84; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Februar 1991 – IV ZR 66/90, VersR 1991, 450). Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat, ebenso wie die zuvor mit der Angelegenheit befasste Sachverständige Dr. B., die vom Kläger geschilderten Schmerzempfindungen für glaubhaft erachtet. Darüber hinaus steht fest, dass daraus Beeinträchtigungen in Gestalt einer erheblich reduzierten Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit folgen. Entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen liegt deshalb – unbeschadet der im schriftlichen Gutachten angestellten weitergehenden Berechnungen – insgesamt eine die Grenze von 50 Prozent deutlich überschreitende Berufsunfähigkeit vor. Denn bei der dem Kläger zugewiesenen Aufgabe, jederzeit für Störungsbeseitigungen auf Abruf zur Verfügung zu stehen, handelt es sich um einen nicht nur zeitlich, sondern vor allem auch inhaltlich in erheblichem Maße prägenden Teilbereich seines früheren Berufes, dessen Ausübung eine hohe Konzentration erfordert, die der Kläger nicht leisten kann, was selbst unter Berücksichtigung eines verbleibenden reduzierten Restleistungsvermögens bei anderen, „ruhigeren“ Teiltätigkeiten ein sinnvolles Arbeitsergebnis ausschließt. Für die Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit darf nämlich nicht nur auf den Zeitanteil einer einzelnen Tätigkeit abgestellt werden, die der Versicherungsnehmer nicht mehr ausüben kann, wenn es sich hierbei nicht um eine abtrennbare Einzelverrichtung handelt, sondern diese untrennbarer Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs ist (BGH, Urteil vom 19. Juli 2017 – IV ZR 535/15, VersR 2017, 1134). Kann der Versicherungsnehmer eine bestimmte, zu seinem Beruf zählende und ihn prägende Tätigkeit nicht mehr ausüben, ist er auch dann berufsunfähig, wenn diese im beruflichen Alltag zeitlich nur einen geringen Umfang hat oder nicht täglich anfällt, wohl aber notwendigerweise mit ihm verbunden ist (vgl. BGH, a.a.O.; Urteil vom 26. Februar 2003 – IV ZR 238/01, VersR 2003, 631; Senat, Urteil vom 12. August 2015 – 5 U 53/13, RuS 2017, 429; Lücke in: Prölss/Martin, VVG 31. Aufl., § 2 BU Rn. 28). So liegt es hier, weil die vom Sachverständigen bejahten erheblichen schmerzbedingten Einschränkungen im Bereich der Störungsbeseitigung dazu führen, dass ein sinnvolles Arbeiten für den Kläger im Rahmen seiner weitgehend fremdbestimmten Berufstätigkeit nicht mehr in Betracht kommt (zur Berufsunfähigkeit in solchen Fällen vgl. etwa OLG Hamm, VersR 2019, 1546; OLG Koblenz, VersR 2009, 1249; ferner Senat, Urteil vom 12. August 2015 – 5 U 53/13, RuS 2017, 429).

(bb)

Der Senat hält auch die Angaben, mit der der Sachverständige seine Annahme eines voraussichtlichen gesundheitlichen Dauerzustandes rückschauend bezogen auf den Stichtag 10. Januar 2012 begründet hat, im Kontext der gesamten Krankheitsgeschichte des Klägers und seines weiteren Werdeganges für in jeder Hinsicht überzeugend. Der Sachverständige hat unter Verweis auf die gesundheitliche Entwicklung des Klägers anhand der vorliegenden Dokumentation und des daraus erkennbaren Leidensweges nachvollziehbar aufgezeigt, wie sich der Zustand des Klägers, beginnend ab der Entlassung aus der ersten Rehabilitationsbehandlung und nach einer kurzen Besserungsphase ab dem Jahr 2010 zunehmend verschlechtert hat (u.a. Bl. 1005 GA); dies ist dadurch auch nach Ansicht des Senats ausreichend belegt, wobei die vorliegenden Berichte aus dieser Zeit, insbesondere der vom Sachverständigen hervorgehobene Entlassungsbericht aus der zweiten Rehabilitationsbehandlung, als Anknüpfungstatsachen nicht die hohen Anforderungen an eine sachverständige Begutachtung erfüllen müssen; vielmehr genügt es insoweit, dass sie dem (gerichtlichen) Gutachter ausreichend fundierte Anhaltspunkte für seine Beurteilung ermöglichen; dies hat der Sachverständige Prof. Dr. F. hier, auch unter Berücksichtigung der weiteren Behandlungen und der Medikationen des Klägers, zu Recht als ausreichend erachtet. Es erscheint daher auch vollkommen schlüssig, dass der Sachverständige, rückschauend betrachtet, im Anschluss an einen monatelangen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, verbunden mit nachvollziehbaren ärztlichen Behandlungen, und eine erfolglos verlaufene zweite Rehabilitation, aus der der Kläger arbeitsunfähig entlassen wurde, für dieses Entlassdatum annimmt, sein Zustand werde sich auch in den kommenden mehr als sechs Monaten nicht zum Besseren wenden.

(c)

Die auf das Ergebnis der weiteren Begutachtung gestützte Überzeugung des Senats vom Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit des Klägers seit dem 10. Januar 2012 wird auch durch die Einwände der Beklagten und die Erkenntnisse aus den weiteren Sachverständigengutachten, außergerichtlichen Befunden und Stellungnahmen, nicht nachhaltig erschüttert; vielmehr hält das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. einer kritischen Prüfung auch unter Berücksichtigung dieser weiteren Umstände in jeder Hinsicht stand.

(aa)

Durchgreifende Anhaltspunkte gegen die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. und die daraus gezogenen Schlüsse ergeben sich nicht aus dem Ergebnis der früheren Begutachtung durch die Sachverständigen Dr. B. und R., die der Senat zuletzt – antragsgemäß – dem Sachverständigen Prof. Dr. F. gegenübergestellt hat; die von der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2021 gesehenen Abweichungen und Widersprüche zwischen den Gutachten existieren danach – bei zutreffender Betrachtung – gerade nicht. Auch die Sachverständige Dr. B. hat auf der Grundlage einer sehr eingehenden Exploration des Klägers unter Einschaltung der testpsychologischen Zusatzgutachterin R. eine ähnliche Diagnose gestellt und aus den Ergebnissen der Testungen von der Art her durchaus vergleichbare Schlüsse gezogen, allein das Ausmaß der Einschränkungen auf die berufliche Tätigkeit hat sie – augenscheinlich – als „weniger gravierend“ beurteilt (zuletzt Bl. 1003 GA). Allerdings steht das den vom Senat geteilten Schlussfolgerungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. nicht entgegen. Denn die Sachverständige Dr. B. hat in ihrer Anhörung wiederholt klargestellt, dass sie sich belastbar ohnehin nur für den Zeitpunkt der von ihr durchgeführten Begutachtung – im Jahr 2016 – äußern könne; allein damals sei sie zur Annahme einer eher geringgradigen Einschränkung von bis zu 30 Prozent gelangt, während sie für die Zeit davor, mithin insbesondere für das Jahr 2012, nicht über ausreichende Erkenntnisse verfüge, um sich belastbar dazu zu äußern (u.a. Bl. 641, 1000, 1006 f. GA). Darüber hinaus sieht der Senat aber auch keine erheblichen Diskrepanzen zwischen den Einschätzungen der Sachverständigen, was die Unfähigkeit des Klägers zu der ihn besonders belastenden, seinen Beruf prägenden Teiltätigkeit der Beseitigung von Störungen anbelangt. Denn die Sachverständige Dr. B. hat – insoweit im Einklang mit dem Sachverständigen Prof. Dr. F. – ihre auf das Jahr 2016 bezogene Einschätzung zuletzt dahin präzisiert, dass die Erkrankung des Klägers berufliche Tätigkeiten nicht völlig ausschließe, sondern dass insbesondere Pausen und angemessene Erholungszeiten erforderlich seien; nur soweit dies gewährleistet sei, was sie hier nicht wisse, sei eine Tätigkeitsausübung möglich und ihre Bewertung der Beeinträchtigung mit 20 bis 30 Prozent zu verstehen (Bl. 1006, 1007 GA). Auch deshalb lassen sich ihren Ausführungen keine belastbaren Gründe entnehmen, die gegen die Annahme bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit des Klägers seit dem 10. Januar 2012 sprechen. Vielmehr räumt sie gerade ein, dass sie, im Gegensatz zu dem Sachverständigen Prof. Dr. F., der das auch ausdrücklich bemängelt hat (Bl. 886 GA), dem Anforderungsprofil an die „Entstörungstätigkeit“ des Klägers nicht ausreichend im Hinblick auf die geforderte Flexibilität, Antriebslage, psychomotorische Aktivität und kognitive Leistungsfähigkeit Rechnung getragen hat.

(bb)

Dass die zur Berufsunfähigkeit führenden Einschränkungen des Klägers auf einer psychischen Erkrankung ohne körperliches Korrelat beruhen, die sich nicht unmittelbar – bildgebend – nachweisen lassen, und der Sachverständige deshalb seine für den Senat maßgebliche Einschätzung – auch – auf subjektive Angaben des Klägers gegründet hat, hindert die Annahme des erforderlichen Nachweises der geschilderten Beschwerden und ihrer bedingungsgemäßen Auswirkung auf die vormalige berufliche Tätigkeit des Klägers nicht. Die Annahme von Berufsunfähigkeit setzt nämlich – worauf auch die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2021 zutreffend hinweist – nicht zwingend das Vorliegen objektivierbarer Beschwerden und „objektiver“ Befunde der Apparatemedizin oder der sonstigen Zusatzdiagnostik voraus. Fehlen solche „objektiven“ Befunde, so kann der in § 2 Abs. 1 BUZ geforderte ärztliche Nachweis einer Krankheit auch auf der Grundlage einer sachverständigen Begutachtung der Beschwerdeschilderung durch den Betroffenen erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1999 – IV ZR 289/97, VersR 1999, 838), die diese allerdings nicht unbesehen hinnehmen darf, sondern einer eingehenden Überprüfung mit den hierfür zur Verfügung stehenden Methoden und testpsychologischen Verfahren zu unterziehen hat (vgl. Senat, Urteil vom 19. Mai 2010 – 5 U 91/08-10, VersR 2011, 249; KG, VersR 2016, 714; Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 46 Rn. 148; zu brauchbaren Kriterien für die Begutachtung auch Neuhaus, a.a.O., Kap. 6 Rn. 82). Diese Vorgaben hat der Sachverständige Prof. Dr. F. beachtet. Er hat seine Beurteilung zwar auch auf die Angaben des Klägers gestützt, diese aber mit Hilfe eigener sowie im Vorfeld gefertigter weiterer testpsychologischer Zusatzuntersuchungen kritisch gewürdigt und daraus belastbare, den Senat überzeugende Rückschlüsse auf die restliche eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers gezogen; insbesondere liegen zahlreiche, in der Literatur als brauchbar anerkannte Kriterien (mehrjähriger Verlauf, Chronizität, regelmäßige Therapien, insbes. gescheiterte Rehabilitationsmaßnahmen, vgl. Neuhaus, a.a.O., Kap. 6 Rn. 82) bei dem Kläger vor. Die mündliche Gegenüberstellung mit den für das Landgericht tätigen weiteren Sachverständigen Dr. B. und R. hat überdies ergeben, dass vermeintliche Diskrepanzen, etwa betreffend die angeborene intellektuelle Leistungsfähigkeit des Klägers, die der Sachverständige Prof. Dr. F. – unbeschadet der nichtakademischen Karriere des Klägers – höher eingeschätzt hat, als die Sachverständige Dr. B., und weiterhin behauptete Unzulänglichkeiten bei der Ausführung einzelner Testungen durch den Sachverständigen Prof. Dr. F., auf die daraus gezogenen Schlussfolgerungen ohne erheblichen Einfluss geblieben sind (Bl. 1003 f. GA). Dies ist im Übrigen auch deshalb plausibel, weil dem Sachverständigen Prof. Dr. F. bei seiner Beurteilung auch alle früheren Untersuchungsergebnisse vorlagen, die er in seine Wertung mit einbezogen hat. Die Sachverständige Dr. B. hat im Rahmen der Gegenüberstellung eingeräumt, dass die von Prof. Dr. F. aus den Testungen gezogenen Schlussfolgerungen von der Art her ähnlich seien, und dass sie selbst, allerdings bezogen auf den Zeitpunkt ihrer eigenen Untersuchungen im Jahre 2016, die Folgen als weniger gravierend beurteilt habe (Bl. 1003 GA). Die Kritik der Beklagten, die eigenen Testverfahren des Sachverständigen Prof. Dr. F. seien nicht hinreichend gewesen, geht daher fehl.

(cc)

Vergeblich beruft sich die Beklagte erneut auf eine Aggravation oder Simulation durch den Kläger. Sie kann dafür vor allem auf das von ihr beauftragte vorgerichtliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 19. August 2013 (Anlage B3) verweisen, der bei dem Kläger damals im Rahmen der Untersuchung eine deutlich abweisende, später offenere aber stets distanzierte Haltung sowie „mehrfach deutliche Zeichen von Aggravation“ festgestellt hat, die aber in seinem Gutachten nicht näher erläutert werden. Hinweise auf eine Simulation enthält dieses Gutachten allerdings nicht. Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. F. in Kenntnis der gesamten Aktenlage und insbesondere auch vor dem Hintergrund der von der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2021 erwähnten Verhaltensbeobachtungen des Sachverständigen und der Psychologin S., konkrete Anhaltspunkte weder für eine Aggravation noch für eine Simulation durch den Kläger gesehen (zuletzt Bl. 1002 GA). Auch die beiden Sachverständigen Dr. B. und R., die dem Senat für ihre sehr sorgfältigen, stets mehrere Tage andauernden Explorationen seit langem bekannt sind, haben diese Möglichkeit für den Kläger verneint und dessen subjektive Beschwerden ausdrücklich für glaubhaft gehalten (Bl. 396 GA). Der Senat vermag deshalb die Bedenken der Beklagten, für die es hier keine ausreichenden Hinweise gibt, nicht zu teilen; er sieht dementsprechend auch insoweit keinen Grund für Beanstandungen daran, dass die Sachverständigen übereinstimmend – auch – auf der Grundlage der subjektiven Beschwerdeschilderung des Klägers zur Annahme einer Erkrankung und, darauf gestützt, zu Einschränkungen in seiner Berufsfähigkeit gelangt sind, die bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die Fähigkeit des Klägers zur Ausübung seines früheren Berufes in seiner ihn prägenden Ausgestaltung ausschließen.

(dd)

Andere Umstände, die den Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, bezogen auf den Stichtag 10. Januar 2012, durchgreifend in Zweifel ziehen könnten, sieht der Senat ebenfalls nicht. Dass der Kläger nach seiner Erkrankung und der Kündigung durch seinen früheren Arbeitgeber in geringfügigem Umfang wieder gearbeitet hat, nämlich in der Zeit vom 4. April 2013 bis zum 30. März 2017 bei der SPD-Landtagsfraktion und zuletzt im Rahmen eines sog. „Minijobs“ bei der Fa. S., stellt seine Unfähigkeit zur Ausübung seines früheren Berufes nicht durchgreifend in Frage. Anerkanntermaßen steht selbst die Fortführung des früheren Berufes der Annahme von Berufsunfähigkeit nicht entgegen, wenn dies auf einem im Verhältnis zum Versicherer überobligationsmäßigen Verhalten beruht, etwa weil die Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes besteht, oder wenn der Versicherte andere Opfer bringt oder die Hilfe und das Wohlwollen Dritter in Anspruch nehmen muss (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – IV ZR 208/99, VersR 2001, 89). Im Streitfall hat der Kläger nach seiner glaubhaften Darstellung im Senatstermin die Teilzeitbeschäftigung aufgenommen, weil er auf das Geld angewiesen war; dies oblag ihm gegenüber der Beklagten angesichts seiner nachgewiesenen Erkrankung jedoch nicht. Auch soweit die Beklagte zuletzt erneut auf das Verhalten des Klägers in den Senatsterminen verweist und insbesondere dessen schmerzverzerrte Mimik und langsames Hinken als „Demonstration“ wertet, existieren dafür nach dem vorher Gesagten keine ausreichenden Belege, nachdem alle Sachverständigen die Beschwerden des Klägers ausnahmslos für glaubhaft erachtet haben. Entsprechendes gilt für die im Senatstermin bereits mit den Sachverständigen erörterte Teilnahme des Klägers an einem 4,5 km langen „Jedermannlauf“ anlässlich der Veranstaltung „Altstadtlauf“ in Saarlouis in den Jahren 2018 und 2019. Der hierzu befragte Sachverständige Prof. Dr. F. hat ausgeführt, dass es sich bei den Beschwerden des Klägers um einen autonomen Schmerz und nicht um einen sensiblen Schmerz handele, weshalb die Durchführung von Sport, insbesondere monotones Laufen, durchaus sinnvoll sein könne; allein Leistungssport, bei dem es – wie hier aber nicht – um die Erzielung von Geschwindigkeit gehe, sei eher als kontraproduktiv anzusehen. Auch der Senat meint nicht, dass sich der Kläger aufgrund seiner Erkrankung jeglicher Freizeitbeschäftigung enthalten müsste, selbst wenn diese mit gewissen körperlichen Beanspruchungen verbunden sein sollte, und sieht in dessen wiederholter Teilnahme an einem Volkslauf keinen Grund für Zweifel am Eintritt des Versicherungsfalles im Jahre 2012.

c)

Schließlich steht fest, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit am 10. Januar 2012 auch keine andere, seiner Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübte, zu deren Ausübung er aufgrund seiner gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50 Prozent in der Lage ist (§ 1 Abs. 2 BUZ). Darauf, dass er ab dem 4. April 2013 eine Teilzeitbeschäftigung bei der SPD-Landtagsfraktion aufnahm und zuletzt im Rahmen eines sog. „Minijobs“ bei der Fa. S. tätig war, kommt es nicht an, weil die Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles, und dazu zählt auch die fehlende Möglichkeit einer Verweisung auf eine andere Tätigkeit, am Stichtag vorliegen müssen und spätere Veränderungen außer Betracht bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 – IV ZR 232/03, VersR 2007, 631; Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl., § 172 Rn, 52). Vielmehr kann sich die Beklagte, wenn Berufsunfähigkeit – wie hier – für einen konkreten Zeitpunkt festgestellt ist, nur im Rahmen des in ihren Bedingungen (§§ 9, 10 BUZ) geregelten Nachprüfungsverfahrens unter den dort beschriebenen Voraussetzungen – ggf. auch innerhalb eines laufenden Rechtsstreits – von ihrer Leistungspflicht lösen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 – IV ZR 111/07, RuS 2010, 251). Das erfordert aber neben dem späteren Wegfall der zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit stets auch, dass der Versicherer dies durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung – ggf. auch schriftsätzlich – geltend macht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2019 – IV ZR 124/18, VersR 2019, 1134; Urteil vom 18. Dezember 2019 – IV ZR 65/19, VersR 2020, 276; Senat, Urteil vom 20. Mai 2020 – 5 U 30/19, VersR 2020, 1169). Schon daran fehlt es hier. Die Beklagte, die den Kläger – letzten Endes irrtümlich – nicht für berufsunfähig gehalten hat, hat die späteren Teilzeitbeschäftigungen des Klägers nicht zum Anlass genommen, ihm gegenüber nachvollziehbar zu begründen, warum eine etwaige vormalige Leistungspflicht dadurch wieder geendet haben sollte (zu den inhaltlichen Anforderungen an die Mitteilung BGH, Urteil vom 28. April 1999 – IV ZR 123/98, VersR 1999, 958; Senat, Urteil vom 20. Mai 2020, a.a.O.). Aber auch materiell-rechtlich scheitert die Möglichkeit einer konkreten Verweisung, weil nicht festgestellt werden kann, dass die später ausgeübten Tätigkeiten schon angesichts ihres reduzierten Umfanges die bisherige Lebensstellung des Klägers wahren. Dieser hat auf ausdrückliche Nachfrage im Senatstermin bekräftigt, dass es sich auch schon bei seiner Tätigkeit für die SPD-Landtagsfraktion nur um eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 10 Stunden pro Woche (¼-Stelle) gehandelt habe. Bei seiner Tätigkeit für die Fa. S. handelte es sich unstreitig um einen sog. „Minijob“. Dass solche geringen Teilzeitbeschäftigungen der hier vorliegenden Art keine dem früheren vollschichtigen Beruf vergleichbaren Tätigkeiten darstellen und insbesondere die bisherige Lebensstellung des Klägers nicht wahren, liegt im Übrigen auf der Hand.

3.

Hat der Kläger mithin die Voraussetzungen eines Versicherungsfalles zum 10. Januar 2012 nachgewiesen, so richtet sich die Leistungspflicht der Beklagten nach dem vom Kläger in der Klageschrift unwidersprochen vorgetragenen, im Tatbestand des angefochtenen Urteils dementsprechend festgestellten Inhalt des Versicherungsvertrages und den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen.

a)

Danach schuldet die Beklagte dem Kläger, beginnend ab 1. Februar 2012 (vgl. § 3 Abs. 1 BUZ), eine monatliche Rente in Höhe von 973,40 Euro zzgl. einer 50-prozentigen Bonusrente aus der Überschussbeteiligung, mithin zusammen 1.460,10 Euro, sowie der Freistellung von den Beiträgen für Haupt- und Zusatzversicherung in Höhe von 238,- Euro (LGU, Seite 2 = Bl. 503 GA); diese Leistungen sind grundsätzlich bis auf weiteres für die Dauer der festgestellten Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Ablauf der vertraglichen Leistungspflicht, geschuldet. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Kläger schon seit August 2011 und bis einschließlich Dezember 2013 keine Prämien gezahlt hat; soweit dies – bis einschließlich Januar 2012, mithin für sechs Monate – die Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalles betrifft, bestand noch keine Verpflichtung der Beklagten zur Beitragsbefreiung und besteht ihr Prämienzahlungsanspruch grundsätzlich fort. Dagegen bestand für die von der Beklagten nach Ablehnung des Leistungsantrages des Klägers zum 1. Januar 2014 vorgenommene Vertragsänderung (Bl. 490 GA), die zu einer auf 739,60 Euro zzgl. Überschussbeteiligung verminderten Rentenleistung führen soll, keine Grundlage. Davon abgesehen, dass der Kläger das – ohne jeden Nachweis behauptete – Recht der Beklagten zur einseitigen Herabsetzung der Leistungen bei Beitragsrückständen (Bl. 489 GA) in Abrede gestellt hat, lagen die Voraussetzungen der geschilderten Regelung im Zeitpunkt der Vornahme der Vertragsänderung nicht mehr vor; vielmehr war die Beklagte, weil der Versicherungsfall schon zum 10. Januar 2012 eingetreten war und sie seitdem die vertraglichen Leistungen schuldete, auch nach der von ihr selbst eingewandten Regelung nur noch zu einer entsprechenden Kürzung der Versicherungsleistung – um die nicht gezahlten Beiträge in Höhe von mithin 6 x 238,- Euro = 1.428,- Euro berechtigt.

b)

Daraus folgt im Einzelnen:

aa)

Der mit der Berufung in Höhe von 45.049,20 Euro weiterverfolgte Zahlungsantrag (Klageantrag zu Ziff. 1), der – erkennbar – den Zeitraum bis einschließlich August 2014 betrifft, ist begründet. Die Beklagte hat für diesen Zeitraum monatliche Rentenleistungen von Februar 2012 bis August 2014, d.h. 31 Monate à 1.460,10 Euro = 45.263,10 Euro, zu zahlen; zudem hat sie dem Kläger die ab dem 1. Januar 2014 wiederaufgenommenen Beitragszahlungen bis einschließlich August 2014, d.h. 8 Monate à 238,- Euro = 1.904,- Euro, zu erstatten. Nach Abzug der rückständigen Beiträge für die Zeit von August 2011 bis Januar 2012 in Höhe von 6 x 238,- Euro = 1.428,- Euro verbleibt die den beantragten Betrag geringfügig übersteigende berechtigte Summe von 45.739,10 Euro; der Klagebetrag (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO) ist überdies antragsgemäß seit Klagezustellung zu verzinsen (§§ 288 Abs. 1, 291 BGB).

bb)

Darüber hinausgehend war die Beklagte ebenfalls nach Maßgabe des entsprechenden Klageantrages zu Ziff. 2 dazu zu verurteilen, an den Kläger auch für die weitere Zeit ab dem 1. September 2014 für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit und längstens bis zum 30. November 2029 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 973,40 Euro zu zahlen. Nachdem die Leistungspflicht der Beklagten durch das vorliegende Urteil festgestellt wird, schuldet sie vertragsgemäß – zumindest – diese Leistungen, solange der Kläger berufsunfähig ist und nicht das in ihren Bedingungen vorgesehene Nachprüfungsverfahren, das bislang nicht erfolgt ist, zu einer Einstellung der Leistungen geführt hat.

cc)

Schließlich war die Beklagte aufgrund ihrer Leistungspflicht antragsgemäß zu verurteilen, die persönliche Vorsorgepolice des Klägers mit der Nr. xxx für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit des Klägers, längstens bis zum Vertragsablauf am 30. November 2029 beitragsfrei fortzuführen; auch diese Verpflichtung folgt aus dem vertraglichen Leistungsversprechen, wie es in § 3 Abs. 1 BUZ seinen Niederschlag gefunden hat.

4.

Die Kostenentscheidung folgt – wegen der geringfügigen Zuvielforderung aus dem erstinstanzlich zunächst unrichtig angegebenen, später korrigierten (§ 269 Abs. 1 ZPO) Ablaufdatum der Police – aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 3, 4, 9 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Für den Zahlungsantrag zu 1) war von dem eingeklagten Betrag (45.049,20 Euro) auszugehen. Die Klageanträge zu 2) und 3) sind gemäß § 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges, d.h. dem zwölffachen der Summe aus Berufsunfähigkeitsrente (973,40 Euro) und Beitragsbefreiung (238,- Euro), mithin insgesamt weiteren 50.878,80 Euro, zu bewerten.

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