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Ausschluss des Versicherungsschutzes: Wann entfällt er bei Cum/Ex-Beratung?

Globale Versicherer stritten um den Ausschluss des Versicherungsschutzes für eine Anwaltskanzlei nach deren 50-Millionen-Euro-Fehlberatung bei Cum/Ex-Geschäften. Die zentrale Frage, ob eine „wissentliche Pflichtverletzung“ vorlag, hing nur von einer einzigen, internen Gesprächsnotiz ab.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 23 O 15360/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht München I
  • Datum: 04.04.2025
  • Aktenzeichen: 23 O 15360/21
  • Verfahren: Zivilrechtlicher Deckungsstreit
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Berufshaftpflicht

  • Das Problem: Globale Versicherer zahlten einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe wegen fehlerhafter Cum/Ex-Beratung durch eine Anwaltskanzlei. Sie verlangten das gezahlte Geld von der lokalen Berufshaftpflichtversicherung der Kanzlei zurück.
  • Die Rechtsfrage: Muss die lokale Versicherung trotz gezahlter Vergleichssumme zahlen oder verliert die Anwaltskanzlei ihren Schutz, weil sie ihre Pflichten bewusst verletzt hat?
  • Die Antwort: Nein, die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht sah es als bewiesen an, dass die Anwaltskanzlei elementare Hinweispflichten auf strafrechtliche Risiken wissentlich verletzt hatte. Die Wissentliche Pflichtverletzung hob den lokalen Versicherungsschutz auf.
  • Die Bedeutung: Der Versicherungsschutz in der Berufshaftpflicht entfällt, wenn eine Pflichtverletzung nachweislich bewusst oder wissentlich begangen wurde. Für den Ausschluss genügt die Feststellung, dass die Kanzlei von der strategischen Zielrichtung der Geschäfte Kenntnis hatte.

Der Fall vor Gericht


Womit rechtfertigte ein Anwalt einen Plan, der ihm selbst ein „ungutes Gefühl“ machte?

„Bei Börsengeschäften wird ein Betriebsprüfer natürlich nie rauskriegen, dass keine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde.“ Dieser Satz aus einer internen E-Mail eines Anwalts wurde Jahre später zum Angelpunkt in einem millionenschweren Versicherungsprozess.

Ein Cum/Ex-Anwalt prüft Akten. Die Berufshaftpflicht schließt den Deckungsschutz wegen wissentlicher Pflichtverletzung aus.
Eine interne E-Mail führte zum Streit über wissentliche Pflichtverletzung in der Berufshaftpflichtversicherung. | Symbolbild: KI

Seine Kanzlei hatte durch ihre Beratung zu Cum/Ex-Geschäften einen Schaden von 50 Millionen Euro mitverursacht. Als die lokale Haftpflichtversicherung die Deckung verweigerte, klagte ein Konsortium globaler Mitversicherer. Ihre Position: Es war ein Fehler, keine Absicht. Der E-Mail-Satz malte ein anderes Bild – das Bild eines Beraters, der nicht auf die Legalität seines Modells vertraute, sondern auf dessen Unentdeckbarkeit.

Warum landete der Streit zwischen Versicherungen vor Gericht?

Eine international tätige Anwaltskanzlei beriet über Jahre hinweg ein Unternehmen bei Cum/Ex-Geschäften. Das Ziel war, einmal gezahlte Kapitalertragsteuern mehrfach vom Staat zurückzufordern. Das Modell funktionierte. Es spülte über 374 Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens. Als die Finanzbehörden die Geschäfte aufdeckten, folgten gewaltige Steuerrückforderungen. Das Unternehmen und seine Gesellschafterin stürzten in die Insolvenz.

Der Insolvenzverwalter verklagte die Kanzlei wegen katastrophaler Falschberatung. Der Prozess endete mit einem Vergleich. Die Kanzlei zahlte 50 Millionen Euro Schadensersatz. Ein solcher Fall ist normalerweise ein klarer Fall für die Berufshaftpflichtversicherung. Hier war die Lage komplizierter. Die Kanzlei hatte ein gestuftes Versicherungssystem. Eine lokale Police für den ersten Schaden, darüber ein Netz aus globalen Versicherern für Summen, die das lokale Limit übersteigen. Die lokalen und globalen Versicherer hatten dem Vergleich zugestimmt.

Dann kam die Wendung. Die lokale Versicherung weigerte sich zu zahlen. Sie zog eine entscheidende Klausel aus ihren Bedingungen: § 4 Nr. 5 der Versicherungsbedingungen HV 60/02. Diese Klausel schließt den Versicherungsschutz aus, wenn der Schaden auf einer „wissentlichen Pflichtverletzung“ beruht. Im Klartext: Wir zahlen nicht für Fehler, die ein Anwalt mit voller Absicht begeht. Die globalen Versicherer mussten einspringen und die vollen 50 Millionen Euro begleichen. Sie sahen die Sache anders und verklagten die lokale Versicherung vor dem Landgericht München I auf Erstattung ihres Anteils. Ihr Standpunkt: Die Beratung der Kanzlei war vielleicht falsch. Sie war aber nicht wissentlich pflichtwidrig.

Was bedeutet „wissentliche Pflichtverletzung“ genau?

Der Begriff „wissentlich“ ist im Versicherungsrecht eine hohe Hürde. Er bedeutet mehr als nur Fahrlässigkeit, auch mehr als Bedingter Vorsatz – also das billigende Inkaufnehmen eines Schadens. Für eine wissentliche Pflichtverletzung muss ein Anwalt positive Kenntnis davon haben, dass er falsch handelt. Er muss wissen, dass er seine beruflichen Pflichten verletzt. Die Beweislast dafür, was im Kopf des Anwalts vorging, liegt vollständig bei der Versicherung, die die Zahlung verweigert. Das ist in der Praxis extrem schwer zu beweisen.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 28.09.2005 – IV ZR 255/04) hat für solche Fälle aber eine Hilfestellung entwickelt. Verletzt ein Anwalt eine seiner elementaren, grundlegenden Berufspflichten, kann das Gericht aus der Schwere des Verstoßes auf dessen Wissentlichkeit schließen. Die Logik dahinter ist einfach: Manche Fehler sind so offensichtlich, dass ein Profi sie unmöglich unbewusst machen kann.

Wie konnte die Versicherung beweisen, was der Anwalt wusste?

Das Landgericht München I befand die Klage der globalen Versicherer für unbegründet. Die lokale Versicherung musste nicht zahlen. Die Richter sahen den Beweis für eine wissentliche Pflichtverletzung als erbracht an. Ihre Argumentationskette war präzise und stützte sich auf eine Reihe von Indizien.

Der Kern des Vorwurfs war nicht die Erstellung der Gutachten selbst. Es war das Unterlassen einer entscheidenden Warnung. Die Kanzlei hätte ihren Mandanten unmissverständlich auf das gewaltige Risiko hinweisen müssen, dass die mehrfache Steuererstattung rechtswidrig und strafbar sein könnte. Diesen Hinweis zu geben, war nach Ansicht des Gerichts eine elementare anwaltliche Pflicht. Dieses Versäumnis allein war schon ein starkes Indiz für Wissentlichkeit.

Das Gericht fand weitere, handfeste Belege in den Akten. Eine Gesprächszusammenfassung vom allerersten Treffen zeigte, dass die Beteiligten – inklusive des Anwalts – von Anfang an wussten, worum es ging: Eine Steuerrückzahlung zu beantragen, obwohl die Steuer nie gezahlt worden war. Der Anwalt notierte sich selbst, die Struktur erzeuge ein „ungutes Gefühl“ und wirke „intuitiv betrügerisch“. Dennoch kam er in seinen Gutachten zum Ergebnis, das Modell sei rechtens.

Die Überzeugung des Gerichts zementierte die bereits zitierte interne E-Mail des Anwalts vom 02.02.2007. Darin schätzte er das Entdeckungsrisiko durch Betriebsprüfer auf unter 50 Prozent und schrieb den Satz: „Bei Börsengeschäften wird ein BP natürlich nie rauskriegen, dass keine KEST einbehalten wurde.“ Für das Gericht war diese Aussage ein klares Bekenntnis. Der Anwalt baute seine Strategie nicht auf der rechtlichen Solidität des Modells auf. Er baute sie auf der Annahme, dass der Schwindel unentdeckt bleiben würde. Das ist der Inbegriff von positiver Kenntnis über das eigene Fehlverhalten.

Warum verfingen die Gegenargumente der Kläger nicht?

Die globalen Versicherer hatten mehrere Argumente vorgebracht, um die Klage zu retten. Das Gericht zerlegte sie Punkt für Punkt.

Der Einwand, die Warnung vor strafrechtlichen Risiken sei nicht Teil des Mandats gewesen, scheiterte. Das Gericht nannte dies eine Künstliche Aufspaltung. Wer jahrelang zur steuerlichen Bewertung berät, kann sich nicht damit herausreden, für die strafrechtlichen Konsequenzen nicht zuständig zu sein. Die Warnpflicht war Teil des Gesamtpakets.

Auch das Argument, das Strafurteil gegen den Anwalt belege keine sichere Kenntnis, sondern nur einen bedingten Vorsatz, überzeugte nicht. Das Zivilgericht betonte, es sei nicht an die strafrechtliche Bewertung des Vorsatzes gebunden. Für den Ausschluss im Versicherungsrecht zählte allein die wissentliche Verletzung der beruflichen Pflichten. Und die war durch die Indizien – insbesondere die E-Mail und die Gesprächsnotiz – ausreichend belegt. Das wiederholte Verschweigen und Verharmlosen der kollusiven Absprachen in den Gutachten zeigte, dass der Anwalt den wahren Sachverhalt kannte und bewusst anders darstellte.

Zuletzt prüfte das Gericht, ob neben der wissentlichen Pflichtverletzung vielleicht noch andere, nur fahrlässige Fehler zum Schaden beigetragen hatten. Doch auch das half den Klägern nicht. Nach der Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 27.05.2015 – IV ZR 322/14) reicht es für den kompletten Ausschluss des Versicherungsschutzes aus, wenn eine wissentliche Pflichtverletzung für den Schaden ursächlich war. Und genau das hatte das Gericht hier festgestellt. Hätte die Kanzlei korrekt gewarnt, hätte der anfangs selbst skeptische Mandant die Geschäfte niemals durchgezogen.

Die Urteilslogik

Der Ausschluss der Berufshaftpflicht greift, wenn ein Anwalt seine grundlegendsten Pflichten in Kenntnis des pflichtwidrigen Charakters seines Handelns verletzt.

  • Die Indizwirkung interner Aufzeichnungen: Um die hohe Hürde der wissentlichen Pflichtverletzung zu überwinden, können Gerichte interne E-Mails, Notizen und Gesprächszusammenfassungen heranziehen, welche die positive Kenntnis des Anwalts über die Mängel des Modells belegen.
  • Elementare Warnpflichten dulden keine Ausnahme: Ein Anwalt verletzt seine elementaren Berufspflichten wissentlich, wenn er seinen Mandanten nicht unmissverständlich vor massiven straf- oder rechtswidrigen Risiken warnt, selbst wenn die Warnung formal nicht expliziter Teil des Mandats war.
  • Wissentliche Kausalität schließt vollständig aus: Verursacht eine einzige wissentliche Pflichtverletzung den Schaden, entfällt der gesamte Deckungsanspruch aus der Haftpflichtversicherung, auch wenn neben dieser Vorsatztat gleichzeitig fahrlässige Fehler vorlagen.

Was ein Berater intern dokumentiert, entscheidet letztlich über die Frage, ob die Haftpflichtversicherung bei Schadensfällen leistet oder die Zahlung verweigert.


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Experten Kommentar

Viele Berater gehen davon aus, dass ihr „ungutes Gefühl“ eine private Angelegenheit bleibt. Dieses Urteil ist eine konsequente und strategische rote Linie: Interne Memos oder E-Mails, die eine Beratungsstrategie auf die Unentdeckbarkeit statt auf die Legalität stützen, sind vor Gericht der perfekte Beweis für eine wissentliche Pflichtverletzung. Die Beweislast für den Vorsatz ist damit nicht mehr unerreichbar – die Versicherungen können direkt aus der unvorsichtigen internen Kommunikation zitieren. Wer komplexe Risikomandate übernimmt, sollte wissen, dass die Dokumentation des eigenen Zweifels den gesamten Versicherungsschutz für einen Großschaden kippen kann.


FAQ Versicherungsrecht: Waage, Geld und Versicherungspolice unter Schirm mit Fragezeichen-Schild illustrieren häufige Rechtsfragen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was genau bedeutet die „wissentliche Pflichtverletzung“ für meinen Versicherungsschutz?

Die wissentliche Pflichtverletzung stellt die extremste Hürde in der Berufshaftpflichtversicherung dar. Sie beschreibt nicht nur einen Fehler, sondern die positive Kenntnis darüber, dass Sie falsch handeln und gegen Ihre Berufspflichten verstoßen. Gelingt der Versicherung dieser Nachweis, entfällt der Schutz der Berufshaftpflichtversicherung komplett, selbst wenn nur ein Teil des Schadens auf dieser bewussten Verletzung beruhte.

Dieser Begriff geht weit über grobe Fahrlässigkeit oder bedingten Vorsatz hinaus. Versicherer müssen beweisen, dass Sie sichere Kenntnis über die Verletzung Ihrer beruflichen Pflichten hatten. Für Anwälte bedeutet dies, sie wussten, dass sie die elementaren Regeln ihrer Zunft verletzten, beispielsweise durch das Verschweigen elementarer Rechtsrisiken gegenüber dem Mandanten. Die volle Beweislast dafür, was im Kopf des Beraters vorging, liegt dabei vollständig beim Versicherer, der sich auf den Ausschluss beruft.

Die Konsequenz einer wissentlichen Pflichtverletzung ist verheerend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) reicht es bereits aus, wenn diese eine wissentliche Handlung ursächlich für den Gesamtschaden war. Das bedeutet, der gesamte Versicherungsschutz wird aufgehoben, selbst wenn weitere, nur fahrlässige Fehler ebenfalls zum Schaden beigetragen haben. Eine künstliche Aufteilung des Schadens ist in diesem Fall ausgeschlossen, was zur persönlichen, unbegrenzten Haftung führt.

Fordern Sie sofort die genauen Bedingungen (wie z.B. HV 60/02) Ihrer Berufshaftpflichtversicherung an und suchen Sie gezielt nach der Klausel, die den Ausschluss bei „Wissentlichkeit“ oder „Vorsatz“ regelt.


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Wann entfällt mein Berufshaftpflichtschutz komplett wegen bewusster Falschberatung?

Der Berufshaftpflichtschutz entfällt komplett in Fällen der wissentlichen Pflichtverletzung. Dies liegt vor, wenn Gerichte Ihnen die positive Kenntnis darüber nachweisen können, dass Ihre Beratung falsch oder pflichtwidrig war. Ein Geständnis ist dafür nicht nötig. Gerichte schließen oft aus der Schwere eines Verstoßes auf Ihre innere Einstellung als professioneller Berater. Der Ausschluss betrifft das gesamte Mandat, selbst wenn nur ein Teil fahrlässig war.

Für den Ausschluss des Schutzes muss die Versicherung beweisen, dass Sie eine elementare, grundlegende Berufspflicht bewusst ignoriert haben. Elementare Pflichtverletzungen, die ein Profi unmöglich unbewusst begehen kann, dienen dem Gericht als starkes Indiz für die Wissentlichkeit. Dies gilt insbesondere für das Unterlassen einer unmissverständlichen Warnung vor strafrechtlicher Relevanz, wenn Sie offenkundig kollusive Modelle beraten. Die Rechtsprechung des BGH erlaubt diesen Schluss, wenn die Schwere des Verstoßes keinen anderen Schluss zulässt.

Konkret werden interne Dokumente wie Notizen, E-Mails oder Gesprächszusammenfassungen zu den stärksten Beweismitteln gegen Sie. Wenn Sie intern Bedenken äußerten, dass eine Struktur „intuitiv betrügerisch“ wirke, aber den Mandanten extern positiv berieten, sieht das Gericht dies als Beleg für Ihre positive Kenntnis. Entscheidend ist dabei die wissentliche Verletzung der beruflichen Pflichten. Das Zivilgericht prüft diesen Vorsatz unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung des Sachverhalts.

Überprüfen Sie daher dringend alle Mandatsunterlagen auf interne Notizen oder Gesprächszusammenfassungen, in denen Sie Bedenken zur Legalität geäußert haben.


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Welche Indizien reichen aus, um meine Wissentlichkeit als Anwalt zu beweisen?

Gerichte benötigen keine strafrechtliche Verurteilung, um eine wissentliche Pflichtverletzung festzustellen. Die Beweisführung stützt sich vielmehr auf eine präzise Kette interner Dokumente. Entscheidend ist dabei die positive Kenntnis des Anwalts über die Rechtswidrigkeit seiner Beratung. Die Kombination von drei spezifischen Indizien reicht in der Praxis aus, um den Vorsatz gerichtsfest zu belegen und den Versicherungsschutz zu entziehen.

Ein starkes Indiz ist das Unterlassen einer elementaren anwaltlichen Warnpflicht. Wer Mandanten nicht unmissverständlich auf das gewaltige Risiko der Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit einer Transaktion hinweist, handelt bereits hochgradig pflichtwidrig. Richter werten zusätzlich Gesprächsnotizen, die die eigene Skepsis oder interne Bedenken dokumentieren, als klares Schuldbekenntnis. Interne Notizen wie „ungutes Gefühl“ oder die Einschätzung „intuitiv betrügerisch“ belegen die positive Kenntnis über die kollusive Natur eines Geschäfts.

Der Beweis der Wissentlichkeit zementiert sich durch Kommunikationsstrategien, die auf Verschleierung setzen. Interne E-Mails, die das Gelingen eines komplexen Plans primär auf die Unentdeckbarkeit durch Finanzbehörden stützen, sind höchst problematisch. Wenn der Berater darauf vertraut, dass ein Betriebsprüfer den Vorgang „natürlich nie rauskriegen“ wird, impliziert dies, dass die Kanzlei die Rechtswidrigkeit kannte, aber auf das Verbergen vertraute. Das Gericht bewertet solche Aussagen als bewusste Falschdarstellung des wahren Sachverhalts.

Prüfen Sie in Altfällen mit hohem Haftungspotenzial Mandatsordner sofort auf fehlende vollständige Risikohinweise und kritische interne Notizen.


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Gefährden interne E-Mails über die Unentdeckbarkeit meinen Versicherungsschutz?

Ja, interne E-Mails können den Versicherungsschutz komplett gefährden, wenn sie die Strategie auf die Unentdeckbarkeit stützen. Gerichte werten solche Aussagen als klares Bekenntnis des Vorsatzes. Wer intern darauf vertraut, dass Prüfer einen Rechtsverstoß nicht bemerken, beweist damit, dass er die Rechtswidrigkeit kannte. Dies ist der Inbegriff der wissentlichen Pflichtverletzung, welche zum Ausschluss der Deckung führt.

Der Grund liegt in der Beweiskette, die Versicherer gegen den Berater nutzen. Eine Strategie, die auf dem Nichterkennen durch Behörden basiert, impliziert logisch, dass der Berater selbst nicht von der juristischen Solidität des Modells überzeugt war. Die Richter gehen davon aus, dass die Kanzlei wusste, dass das Vorgehen nur funktionieren würde, solange der Schwindel unentdeckt blieb. Diese positive Kenntnis wandelt den anfänglichen juristischen „Fehler“ in eine bewusste „Absicht“ um.

Konkret nutzten Richter in einem Cum/Ex-Fall eine solche E-Mail als entscheidenden Beweis. Der Anwalt schrieb, ein Betriebsprüfer würde „natürlich nie rauskriegen“, dass bestimmte Steuern nicht einbehalten wurden. Diese Formulierung stellte den Angelpunkt dar, um die positive Kenntnis des Anwalts zu belegen. Die Aussage über die Mängel der staatlichen Aufsicht wurde als Vorsatz gewertet, weshalb die lokale Versicherung die 50 Millionen Euro Schadensregulierung ablehnen durfte.

Implementieren Sie in Ihrer Kanzlei sofort Richtlinien, die interne Spekulationen über Entdeckungsrisiken strikt untersagen und Kommunikation auf objektive Bewertungen beschränken.


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Welche anwaltlichen Warnpflichten muss ich unbedingt beachten, um meine Haftung zu minimieren?

Die wichtigste Maßnahme zur Haftungsminimierung ist die Vermeidung einer künstlichen Aufspaltung Ihres Mandats. Als spezialisierter Steuer- oder Wirtschaftsberater müssen Sie elementare Warnpflichten immer erfüllen, unabhängig vom Umfang des direkten Auftrags. Wenn Sie eine komplexe steuerliche Struktur bewerten, gehört die unmissverständliche Aufklärung über mögliche straf- oder ordnungsrechtliche Risiken zwingend dazu.

Gerichte lehnen den Einwand ab, eine strafrechtliche Warnung sei nicht explizit beauftragt gewesen. Die Warnpflicht gilt als integraler Bestandteil jeder umfassenden steuerlichen oder wirtschaftlichen Beratung. Sie tragen die Verantwortung, Ihren Mandanten vor dem gewaltigen Risiko der Rechtswidrigkeit oder Strafbarkeit einer Transaktion zu schützen. Diese nicht delegierbare Pflicht kann nicht ignoriert werden, selbst wenn der Auftrag formal nur die steuerliche Bewertung umfasste.

Die Nichterfüllung dieser Pflicht hat direkte Konsequenzen für die Kausalität des Schadens. Richter gehen davon aus, dass der Mandant die riskanten Geschäfte nicht durchgeführt hätte, wäre er explizit vor der Strafbarkeit gewarnt worden. Dadurch wird die unterlassene Warnung zur Hauptursache des späteren Schadens, selbst wenn andere Fehler nur fahrlässig waren. Die Warnung muss deshalb unmissverständlich und deutlich erfolgen, gerade bei Mandaten mit aggressiven Gestaltungsmodellen.

Erstellen Sie für alle Mandate mit komplexen Steuerstrukturen eine Checkliste, die die explizite schriftliche Warnung vor Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit dokumentiert und vom Mandanten gegenzeichnen lässt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Illustration zum Glossar Versicherungsrecht: Waage, aufgeschlagenes Buch und Siegelrolle.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Bedingter Vorsatz

Bedingter Vorsatz liegt im Zivilrecht vor, wenn jemand die mögliche Folge seines Handelns erkennt und den Eintritt dieser Konsequenz für den Fall der Fälle billigend in Kauf nimmt, obwohl diese primär nicht das Ziel seiner Handlung war. Dieses geringere Maß der subjektiven Schuld dient oft als Maßstab in strafrechtlichen Verfahren, es stellt jedoch im Versicherungsrecht eine geringere Hürde dar als die wissentliche Pflichtverletzung.
Beispiel: Das Zivilgericht betonte, dass der Ausschluss des Versicherungsschutzes im vorliegenden Fall eine höhere Schwelle verlangte als der bedingte Vorsatz, der lediglich das Inkaufnehmen eines möglichen Schadens beschreibt.

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Beweislast

Die Beweislast bestimmt im Prozess, welche der streitenden Parteien die tatsächlichen Voraussetzungen einer relevanten Rechtsnorm beweisen muss, um damit vor Gericht zu obsiegen. Juristen wenden diesen Grundsatz an, um festzulegen, wer das Risiko trägt, falls eine entscheidungserhebliche Tatsache trotz aller Bemühungen nicht geklärt werden kann (non-liquet).
Beispiel: Im millionenschweren Streit um die Deckungszusage lag die Beweislast vollständig bei der lokalen Versicherung, die den Nachweis für die wissentliche Pflichtverletzung des Anwalts erbringen musste.

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Cum/Ex-Geschäfte

Bei Cum/Ex-Geschäften handelt es sich um extrem komplexe Aktientransaktionen rund um den Dividendenstichtag, deren einziger Zweck darin bestand, den Staat durch das Inanspruchnehmen einer mehrfachen Erstattung von nur einmal gezahlter Kapitalertragsteuer zu täuschen. Diese mittlerweile als illegale Steuerhinterziehung eingestuften Machenschaften nutzten eine Gesetzeslücke aus, um sich Steuern erstatten zu lassen, die faktisch nie an das Finanzamt abgeführt worden waren.
Beispiel: Die Beratung der Anwaltskanzlei zu den Cum/Ex-Geschäften führte zu gewaltigen Steuerrückforderungen des Fiskus, wodurch das beratene Unternehmen in die Insolvenz stürzte.

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Elementare Warnpflicht

Die elementare Warnpflicht beschreibt die unverzichtbare, grundlegende Pflicht eines spezialisierten Rechtsberaters, Mandanten unmissverständlich auf das gewaltige Risiko der Rechtswidrigkeit und insbesondere der Strafbarkeit einer geplanten Transaktion hinzuweisen. Diese Pflicht ist integraler Bestandteil jeder umfassenden steuerlichen oder wirtschaftlichen Beratung, denn das Gesetz will verhindern, dass Mandanten in die Illegalität geführt werden, ohne die Konsequenzen zu kennen.
Beispiel: Das Landgericht München I urteilte, dass die Kanzlei eine elementare Warnpflicht verletzt hatte, weil sie ihren Mandanten nicht ausdrücklich vor der Strafbarkeit der geplanten mehrfachen Steuererstattung gewarnt hatte.

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Künstliche Aufspaltung

Als künstliche Aufspaltung bezeichnen Gerichte den juristischen Versuch der Verteidigung, ein umfassendes Mandat nachträglich in formal getrennte Einzelteile zu zerlegen, um die Haftung auf engere Grenzen zu beschränken. Richter lehnen diesen Einwand ab, weil eine umfassende Beratung zur steuerlichen Bewertung immer auch die zwingende Warnung vor strafrechtlichen Konsequenzen impliziert und die Beraterpflicht als Gesamtpaket gilt.
Beispiel: Das Gericht zerlegte das Argument der globalen Versicherer, die strafrechtliche Warnung sei nicht beauftragt gewesen, und nannte dies eine unzulässige künstliche Aufspaltung des Mandats.

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Wissentliche Pflichtverletzung

Die wissentliche Pflichtverletzung ist der schärfste Haftungsausschluss in der Berufshaftpflichtversicherung und liegt vor, wenn der Berater positive Kenntnis darüber hat, dass er durch sein Handeln gegen seine fundamentalen beruflichen Pflichten verstößt und damit einen Schaden verursacht. Diese Klausel existiert, um sicherzustellen, dass Versicherungen ausschließlich für unabsichtliche oder fahrlässige Fehler zahlen und nicht für Schäden, die bewusst herbeigeführt wurden.
Beispiel: Die Richter sahen durch die interne E-Mail des Anwalts, die auf die Unentdeckbarkeit setzte, den Beweis für eine wissentliche Pflichtverletzung als erbracht an, weshalb die lokale Versicherung die Zahlung verweigern durfte.

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Das vorliegende Urteil


LG München I – Az.: 23 O 15360/21 – Endurteil vom 04.04.2025


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