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Auslandsreise-Krankenversicherung – Ersatzfähigkeit von Rücktransportkosten

OLG Koblenz – Az.: 10 U 946/15 – Urteil vom 13.07.2016

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 23.07.2015 teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird über den durch das angefochtene Urteil bereits zugesprochenen Betrag hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 15.102,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. April 2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Leistungen aus einem Auslandsreise-Krankenversicherungsvertrag mit der Beklagten, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (…) der Beklagten (Anlage K 1, Bl. 7 ff. Anlagenheft, nachfolgend AVB) zugrunde liegen. Der Vertrag umfasst Versicherungsschutz u. a. für Krankheiten, die während einer vorübergehenden Auslandsreise auftreten; der Versicherer leiste bei einem im Ausland unvorhergesehen eintretenden Versicherungsfall Ersatz für Heilbehandlungen und erbringe sonstige vereinbarte Leistungen (§ 3 AVB). Nach § 12 Ziff. 2 S. 1 AVB werden die Mehrkosten eines medizinisch notwendigen und ärztlich angeordneten Rücktransports aus dem Ausland erstattet, wenn an Ort und Stelle bzw. in zumutbarer Entfernung eine ausreichende medizinische Behandlung nicht gewährleistet und dadurch eine Gesundheitsschädigung zu befürchten ist.

Der Kläger leidet an einer Nierenkrebserkrankung mit Metastasen in der Lunge und im Bauchfell sowie an einer chronischen Niereninsuffizienz.

Er trat am 16.11.2012 eine ursprünglich bis zum 07.12.2012 geplante Reise nach Alicante (Spanien) an. Am 29.11.2012 begab sich der Kläger mit seit vier Tagen bestehenden Unterleibsschmerzen sowie Übelkeit und Erbrechen in die Notaufnahme nach Benidorm in das dortige I. Krankenhaus, wo er stationär aufgenommen wurde. Die den Kläger behandelnde Ärztin vermutete einen Zusammenhang mit einer karzinomatösen Aszites und der Grunderkrankung des Klägers. Sie ordnete deshalb am 03.12.2012 seine Rückführung per Ambulanzflugzeug an. Am 04.12.2012 unterrichtete der Kläger die Beklagte über seine Ehefrau und Tochter über die Einlieferung ins Krankenhaus, die bisherigen Diagnosen, die Grunderkrankung und den für den 05.12.2012 geplanten Rücktransport. Gegen 18.15 Uhr des 04.12.2012 übersandte die Beklagte die zur Prüfung notwendigen Vordrucke (Bl. 26 ff. An-lagenheft). Noch am selben Abend wurden der Beklagten die ausgefüllten Vordrucke sowie die (spanischsprachigen) ärztlichen Berichte übermittelt. Am 05.12.2012 erfolgte der Rücktransport des Klägers nach Deutschland.

Nachdem die Beklagte am Morgen des 06.12.2012 eine Stellungnahme des behandelnden Hausarztes eingeholt hatte (Bl. 70 Anlagenheft), wurde die Tochter des Klägers am selben Tag von der Beklagten telefonisch darüber informiert, dass diese die Kosten der Heilbehandlung und des Rücktransports nicht übernehmen werde, da es sich nicht um eine unvorhergesehene Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen handele.

Der Kläger wurde nach dem Rücktransport im Krankenhaus (…) in … wegen einer diagnostizierten Gallenblasenentzündung weiterbehandelt und nach antibiotischer Therapie beschwerdefrei entlassen.

Die Kosten für den Rücktransport beliefen sich auf 14.545,00 € (Anlage K, Bl. 22 ff. Anlagenheft), die Kosten für die Behandlung in Spanien auf 3.658,55 € (Anlage K 8, Bl. 35 Anlagenheft).

Der Kläger hat vorgetragen, trotz seiner Grunderkrankung hätten aus ärztlicher Sicht vor Reiseantritt keine medizinischen Einwände gegen die geplante Reise bestanden. Vor Antritt der Reise habe er mit seinen behandelnden Ärzten, den Zeugen Prof. Dr. med. Ko. und Dr. med. Ki., Rücksprache gehalten. Da er sich in einem gesundheitlich guten Zustand befunden habe, habe der Zeuge Prof. Dr. med. Ko. die Reise befürwortet. Der Kläger habe daher davon ausgehen dürfen, dass bei Durchführung der Reise keine Heilbehandlungen notwendig sein würden.

Auslandsreise-Krankenversicherung - Ersatzfähigkeit von Rücktransportkosten
(Symbolfoto: Taljat David/Shutterstock.com)

Der Rücktransport sei wegen des von den spanischen Ärzten vermuteten Zusammenhangs mit der Grunderkrankung medizinisch notwendig gewesen. Vor diesem Hintergrund habe eine weitere Versorgung in dem deutschen Krankenhaus erfolgen sollen, das bereits mit der medizinischen Versorgung der Krebserkrankung vertraut gewesen sei. Jedenfalls stehe dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Transportkosten unter Schadensersatzgesichtspunkten zu. Die von der Beklagten verwendeten Vertragsklauseln seien unwirksam, der Vertrag sei ergänzend dahin gehend auszulegen, dass die Beklagte kurzfristig die medizinische Notwendigkeit des Rücktransports hätte prüfen und ggf. den Rücktransport hätte organisieren müssen. Vorliegend sei der Kläger völlig allein gelassen worden und habe alles selbst organisieren müssen. Die Beklagte habe hinreichend Zeit gehabt, die Frage der medizinischen Notwendigkeit des Rücktransports bis zum Morgen des 05.12.2012 zu beantworten. Stattdessen habe die Beklagte sich auf die Prüfung möglicher Vorerkrankungen be-schränkt, so dass eine Pflichtverletzung vorliege und die Beklagte jedenfalls schadensersatzpflichtig sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 18.203,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2013 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weitergehenden Betrag in Höhe von 1.321,85 € (außergerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Eintritt des Versicherungsfalls sei nicht unvorhergesehen im Sinne des § 3 AVB gewesen, da der Kläger aufgrund seiner vorbestehenden Krebserkrankung mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes habe rechnen müssen. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerden, wegen deren sich der Kläger in Spanien in ärztliche Behandlung habe begeben müssen, aufgrund seiner Vorerkrankung eingetreten seien. Jedenfalls sei der Rücktransport nach Deutschland medizinisch nicht notwendig gewesen. Der medizinische Standard in Spanien entspreche dem deutscher Krankenhäuser.

Das Landgericht hat die Zeugen Prof. Dr. med. Ko. (Bl. 42 d. A.) und Dr. med. Ki. (Bl. 57 d.A.) schriftlich vernommen sowie ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. P. (Bl. 104 ff. d.A.) nebst ergänzender Stellungnahme (Bl. 138 ff. d. A.) eingeholt. Es hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 3.658,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.04.2013 sowie weitere 548,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.04.2013 zu zahlen.

Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der durch die Behandlung in Spanien entstandenen Kosten in Höhe von 3.658,55 € zu. Bei der retrospektiv diagnostizierten akuten akalkulösen Cholezystitis handele es sich um einen unvorhergesehen eingetretenen Versicherungsfall im Sinne des § 3 der Versicherungsbedingungen, für den Versicherungsschutz bestehe. In diesem Sinne unvorhergesehen sei eine Er-krankung, wenn der Versicherungsnehmer vor Reiseantritt weder gewusst habe noch absehbar gewesen sei, dass vor Reiseantritt bekannte Beschwerden, Erkrankungen oder Verletzungen während seiner Reise behandlungsbedürftig würden. Bei der Unvorhersehbarkeit seien dabei nicht allein objektive Kriterien entscheidend. Vielmehr komme es auf die Sicht der versicherten Person an, so dass von einer Unvorhersehbarkeit auszugehen sei, wenn der Versicherte den Versicherungsfall tatsächlich nicht vorhergesehen habe und ohne Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch nicht habe vorhersehen können, wobei entscheidend sei, welche Informationen dem Versicherungsnehmer und der versicherten Person durch behandelnde Ärzte konkret gegeben worden seien.

Gemessen an diesen Grundsätzen stehe nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die retrospektiv diagnostizierte akute akalkulöse Cholezystitis während der Spanienreise unvorhergesehen eingetreten sei.

Der Kläger habe zwar bereits vor Reiseantritt an einer Nierenkrebserkrankung mit Metastasen in der Lunge und im Bauchfell gelitten. Diese Tumorerkrankung sei jedoch für die Beschwerden, die die Behandlung in Spanien erforderlich machten, letztlich nicht ursächlich geworden. Die diagnostizierte Aszites habe sich bei dem bereits bei Aufnahme bekannten multilokulär-metastasierten Nierenkarzinom mit Metastasen in Lunge und Bauchfell ohne weitere Behandlungskonsequenz gezeigt. Die Cholezystitis sei nach den Ausführungen des Sachverständigen eine denkbare, allerdings mit einer Inzidenz von 0,5 % sehr seltene Nebenwirkung einer Sutent-Therapie. Nachdem bei dem Kläger die Sutent-Therapie bereits in Deutschland etabliert worden sei, erscheine ein Beginn der Beschwerdesymptomatik ab dem 25.11.2012 mit rückläufiger Tendenz unter antibiotischer Therapie nicht in einem eindeutigen Zusammenhang mit der Sutent-Therapie.

Darüber hinaus habe der Kläger auch subjektiv nicht mit einer derartigen Entwicklung rechnen müssen. Wie der Zeuge Dr. med. Ki. bestätigt habe, habe der Kläger vor Antritt seiner Spanienreise mit ihm vor dem Hintergrund seiner Grunderkrankung Rücksprache gehalten. Der Allgemeinzustand des Klägers sei nach Angaben des Zeugen Dr. med. Ki. so gewesen, dass bei planmäßiger Durchführung der Reise eine Behandlung der Grunderkrankung in Spanien nicht habe stattfinden müssen.

Dem Kläger stehe dagegen, so das Landgericht weiter, kein Anspruch auf Erstattung der Rücktransportkosten aus dem Auslandsreise-Krankenversicherungsvertrag zu.

Nach den Vertragsbedingungen würden die Mehrkosten eines medizinisch notwendigen und ärztlich angeordneten Rücktransports aus dem Ausland erstattet, wenn an Ort und Stelle bzw. in zumutbarer Entfernung eine ausreichende medizinische Behandlung nicht gewährleistet und dadurch eine Gesundheitsschädigung zu befürchten sei. Die maßgeblich Vertragsklausel sei im Hinblick auf die kumulative Voraussetzung von ärztlicher Anordnung und medizinischer Notwendigkeit unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige, § 307 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 BGB. Eine solche Klausel sei mit wesentlichen Rechten oder Pflichten einer Auslandsreise-Krankenrücktransportversicherung nicht vereinbar, weil sie gem. § 307 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 BGB die Rechte eines Versicherungsnehmers so einschränke, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet sei. Zum einen könne es nicht auf die subjektive Sicht eines Arztes im Ausland ankommen, ob ein Rücktransport erforderlich sei oder nicht. Zum anderen sei davon auszugehen, dass die Versicherung zugrunde lege, berechtigt zu sein, im Nachhinein überprüfen zu lassen, ob eine objektive Notwendigkeit des Rücktransports bestanden habe. Das Gericht schließe sich aus diesen Gründen der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung an, die die Notwendigkeit einer ärztlichen Anordnung vor einem Krankenrücktransport als unwirksam erachte.

Der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien sei daher dahin gehend ergänzend auszulegen, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Rücktransports ausschließlich darauf ankomme, ob der Rücktransport medizinisch notwendig gewesen sei.

Davon ausgehend stehe dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der Kosten zu, die ihm durch den Rücktransport entstanden seien. Nach den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. P. stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Rücktransport nach Deutschland objektiv nicht medizinisch notwendig gewesen sei. In dem I. Krankenhaus habe nach europäischem Standard eine umfangreiche Diagnostik und Therapie stattgefunden. Ein Infekt-Fokus habe nicht sicher eruiert werden können, eine empirische antibiotische Therapie habe bereits zur Besserung geführt, eine initiale Hyponatriämie sei von den behandelnden Ärzten richtig erkannt und sukzessive ausgeglichen und eine passagere Verschlechterung der bekannten Niereninsuffizienz korrigiert worden. Auch in Anbetracht der Vorerkrankung sei mithin eine adäquate medizinische Versorgung gewährleistet gewesen.

Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB des Versicherungsvertrages zu.

Zwar treffe die Beklagte nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die Nebenpflicht, bei einem behaupteten Versicherungsfall die Notwendigkeit eines Krankenrücktransports vor Durchführung zu prüfen.

Ein Schadensersatzanspruch scheide jedoch mangels Pflichtverletzung der Beklagten aus. Die Beklagte sei ihrer Pflicht zur Prüfung der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Rücktransports nachgekommen. Unmittelbar nachdem die Tochter des Klägers die Beklagte über die Erkrankung des Klägers informiert und diese aufgefordert habe, ihre Eintrittspflicht zu prüfen, habe die Beklagte mit Faxschreiben vom 04.12.2012, 18.15 Uhr, die für die Prüfung notwendigen Vordrucke, Einwilligungserklärung, Selbstauskunft etc. übermittelt, die der Kläger am selben Abend nebst den spanischen ärztlichen Berichten zurückgesandt habe. Am 06.12.2012 habe die Beklagte nach Rückfrage bei dem Hausarzt mitgeteilt, dass sie die Kosten nicht übernehmen werde. Die Beklagte sei damit ihrer Pflicht zur Prüfung in angemessener Frist nachgekommen. Der Kläger selbst gehe davon aus, dass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, die eingereichten Unterlagen noch am späten Abend des 04.12.2012 zu prüfen. Am 05.12.2012 habe die Beklagte sodann die spanischsprachigen Berichte übersetzen müssen. Es möge sein, dass es keiner schriftlichen Übersetzung von dritter Seite bedurft habe, weil bei der Beklagten eine spanischsprachige Mitarbeiterin beschäftigt sei. Dennoch bedürfe es einer Übersetzung und einer anschließenden Auswertung der eingereichten Unterlagen durch einen Arzt sowie der Einholung weiterer Auskünfte. Eine Frist hierfür von 1 – 1 1/2 Tagen erscheine durchaus angemessen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen, vorrangig die Frage der medizinischen Notwendigkeit des Rücktransports zu prüfen. Grundvoraussetzung für jeden Kostenerstattungsanspruch sei der Eintritt eines Versicherungsfalles, d. h. eine unvorhergesehene Erkrankung. Es sei daher nicht ersichtlich, warum es der Beklagten verwehrt sein sollte, zunächst das Vorliegen einer unvorhergesehenen Erkrankung zu überprüfen, zumal die Anordnung des Rücktransports ärztlicherseits gerade mit dem Zusammenhang mit der Grunderkrankung begründet worden sei.

Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus § 83 Abs. 1 VVG zu. Danach habe der Versicherer Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1, 2 VVG insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten habe halten dürfen. Inwieweit er den Rückflug am 05.12.2012 ohne grobe Fahrlässigkeit für geboten habe halten dürfen, habe der Kläger indes nicht vorgetragen. So sei nicht ersichtlich, warum der Kläger das laufende Überprüfungsverfahren und die abschließende Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet habe, sondern vielmehr am 05.12.2012 eigenmächtig zurückgeflogen sei, zumal es an Sachvortrag dahingehend fehle, dass der Kläger am 05.12.2012 noch einmal Rücksprache mit der Beklagten gehalten hätte. Darüber hinaus habe sich – so der Sachverständige – bereits eine Verbesserung der Nierenfunktion und eine rückläufige Tendenz der Beschwerdesymptomatik unter antibiotischer Therapie gezeigt.

Gegen die Versagung der Kosten des Rücktransports in Höhe von 14.545,00 € nebst anteiliger Zinsen und Rechtsanwaltskosten wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger stimmt mit der Berufung der landgerichtlichen Bewertung zur Unwirksamkeit des § 12 Ziff. 2 S. 1 AVB und zur ergänzenden Vertragsauslegung, wonach es für den vertraglichen Erstattungs-anspruch allein auf die objektive medizinische Notwendigkeit des Rücktransports ankomme, ausdrücklich zu. Auch die Bewertung, der Rücktransport nach Deutschland sei nicht medizinisch notwendig gewesen, greift der Kläger mit der Berufung nicht an.

Der Kläger verfolgt jedoch die in erster Instanz geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz (§ 280 Abs. 1 BGB) sowie auf Rettungskostenersatz (§§ 83 Abs. 1, 82 Abs. 1, 2 VVG) weiter. Er wiederholt und vertieft sein hierauf bezogenes erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte habe es pflichtwidrig versäumt, die medizinische Notwendigkeit des Rücktransports zu prüfen, obwohl ihr hierfür bis zum Rückflug des Klägers genügend Zeit zur Verfügung gestanden habe, sich stattdessen allein auf die Prüfung der Kostenübernahmepflicht unter dem Gesichtspunkt eines unvorhergesehen eingetretenen Versicherungsfalls beschränkt und selbst hierüber den Kläger über seine Tochter erst am 06.12.2012, mithin nach dem Rückflug, unterrichtet. Unter diesen Umständen habe der Kläger den Rückflug ohne Fahrlässigkeit – jedenfalls aber ohne grobe Fahrlässigkeit i. S. v. § 82 Abs. 2 3 VVG – für medizinisch geboten halten dürfen, weil die spanischen Ärzte einen Zusammenhang zwischen der Krebserkrankung und der Gallenblaseninfektion gesehen und den Rücktransport für den 05.12.2012 angeordnet hätten und die Beklagte eine gegenteilige Einschätzung nicht mitgeteilt habe. Ergänzend trägt der Kläger vor, bei Hinweis der Beklagten, dass der Rücktransport medizinisch nicht erforderlich sei, hätte er diesen nicht angetreten.

Der Kläger beantragt nunmehr, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils,

1. die Beklagte – über den vom Landgericht bereits zugesprochenen Betrag von 3.658,55 € nebst Zinsen hinaus – zu verurteilen, an den Kläger weitere 14.545,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2013 zu zahlen;

2. die Beklagte – neben den bereits durch das LG ebenfalls zugesprochenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 548,59 € nebst Zinsen – zu verurteilen, an den Kläger weitere 773,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, das sie für richtig hält. Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ungeachtet des Umstandes, dass sie ihre Verurteilung zur Erstattung der Heilbehandlungskosten mit der Berufung nicht angefochten habe, sei sie weiterhin der Auffassung, ein unvorhergesehen eingetretener Versicherungsfall i. S. von § 3 AVB habe wegen der Grunderkrankung nicht vorgelegen. Bestehe hingegen kein Zusammenhang mit der Grunderkrankung, so fehle es denklogisch an der Grundlage für die Annahme, der Rücktransport sei medizinisch notwendig gewesen. Tatsächlich sei der Rücktransport nach Deutschland medizinisch nicht notwendig gewesen, weil auch in Anbetracht der Vorerkrankung des Klägers eine adäquate medizinische Versorgung in Spanien gewährleistet gewesen sei. Vertragliche Pflichten habe die Beklagte nicht verletzt; zur Prüfung der Notwendigkeit eines krankenversicherungsrechtlich relevanten Rücktransportes gehöre auch die Prüfung der Frage, ob überhaupt ein Versicherungsfall in Form einer unerwartet schweren Erkrankung aufgetreten sei. Für diese Prüfung seien der Beklagten zumindest der 05.12. und 06.12.2012 zuzubilligen gewesen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Dem Kläger steht über die vom Landgericht zugesprochene Erstattung der Kosten für die ärztliche Heilbehandlung des Klägers in Spanien in Höhe von 3.658,55 €, welche im Berufungsverfahren nicht im Streit steht, ein weiterer Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Rücktransport in Höhe von 14.554,00 € nebst anteiligen Zinsen und Rechtsanwaltskosten zu.

1.

Ein unvorhergesehen eintretender Versicherungsfall i. S. der §§ 3, 11 AVB lag entgegen der Auffassung der Beklagten vor. Unbestritten ist im Verlaufe des Aufenthaltes des Klägers in Spanien seine Heilbehandlung medizinisch notwendig geworden. Diese Heilbehandlung war entgegen der im Berufungsverfahren weiterhin vertretenen Auffassung der Beklagten trotz des von den spanischen Ärzten vermuteten Zusammenhangs mit der Krebserkrankung des Klägers unvorhergesehen.

Zutreffend führt das Landgericht aus, dass eine Erkrankung unvorhergesehen ist, wenn weder der Versicherungsnehmer vor Reiseantritt wusste noch absehbar war, dass etwaige vor Reiseantritt bekannte Beschwerden, Erkrankungen oder Verletzungen während der Reise behandlungsbedürftig würden. Bei der Unvorhersehbarkeit sind dabei nicht allein objektive Kriterien entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob die versicherte Person den Versicherungsfall nicht vorhergesehen hat und ohne grobe Fahrlässigkeit auch nicht vorhersehen konnte. Auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (vgl. zum Begriff „unerwartete akute Erkrankung“ BGH, Beschluss vom 21.09.2011 – IV ZR 227/09 – VersR 2012, 89; OLG Köln, Urt. v. 18. 05. 2012 – 20 U 111/11 – R+S 2013, 445 ff.; LG Bonn, Urteil vom 02.03.2009 – 9 O 485/07, jeweils zitiert nach Juris).

Vorliegend litt der Kläger zwar bereits vor Reiseantritt an einer Nierenkrebserkrankung mit Metastasen in der Lunge und im Bauchfell. Wie das Landgericht indes – sachverständig beraten – ausführt, war diese Tumorerkrankung für die Beschwerden, die die Behandlung in Spanien erforderlich machten, letztlich nicht ursächlich, so dass der Kläger nicht aufgrund seiner Tumorerkrankung mit dem Auftreten der späteren Beschwerden rechnen musste. Die initialen Bauchschmerzen, mit denen sich der Kläger in der Notaufnahme in Spanien vorgestellt hatte, wie auch die Elektrolytveränderungen (Hyponatriämie) waren plötzlich und unvorhersehbar. Eine Ursache der Hyponatriämie konnte nicht sicher geklärt werden. Soweit die Beschwerden auf eine Cholezystitis (Gallenblasenentzündung) zurückzuführen waren, handelt es sich dabei nach den Ausführungen des Sachverständigen um eine zwar denkbare, allerdings mit einer Inzidenz von 0,5 % sehr seltene Nebenwirkung einer Sutent-Therapie wie derjenigen, der sich der Kläger noch in Deutschland unterzogen hatte. Gerade weil bei dem Kläger die Sutent-Therapie bereits in Deutschland etabliert worden sei, so der Sachverständige weiter, erscheine ein Beginn der Beschwerdesymptomatik ab dem 25.11.2012 mit rückläufiger Tendenz unter antibiotischer Therapie nicht in einem eindeutigen Zusammenhang mit der Sutent-Therapie. Den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht substanziell entgegen getreten.

Hinzu kommt, dass der Kläger auch subjektiv nicht mit einer derartigen Entwicklung rechnen musste. Der Kläger hatte sich vor Reiseantritt bei seinem behandelnden Onkologen, dem Zeugen Dr. Ki., rückversichert. Dieser hatte die Reise befürwortet, weil nach seiner Einschätzung bei planmäßiger Durchführung der Reise mit einer Behandlungsbedürftigkeit der Grunderkrankung im Verlaufe der Reise nicht habe gerechnet werden müssen. Auf diese fachärztliche Einschätzung durfte sich der Kläger ohne grobe Fahrlässigkeit verlassen.

Die hiergegen gerichteten Einwände des Beklagten erster Instanz, auf die er in der Berufungsinstanz pauschal Bezug genommen hat, greifen nicht durch. Soweit der Beklagte mit seiner Berufungserwiderung die ärztliche Bestätigung der Reisefähigkeit unter Hinweis darauf bestritten hatte, dass der Kläger mit seinem Hausarzt nicht gesprochen habe, kommt es hierauf nicht entscheidend an, nachdem aufgrund der schriftlichen Aussagen des Prof. Dr. Ko. (Bl. 42 d. A.) und des Dr. Ki. (Bl. 57 d. A.) die Befürwortung der Reise durch letzteren erwiesen ist. Der entsprechenden Wertung des Landgerichts im Urteil ist der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht substanziell entgegen getreten.

2.

Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten seines Rücktransportes lässt sich gleichwohl – wie das Landgericht zutreffend ausführt – nicht unmittelbar aus den Versicherungsbedingungen für die Auslands-Krankenversicherung (AVB) herleiten.

Nach § 12 Ziffer 2 der AVB werden im Versicherungsfall Mehrkosten eines medizinisch notwendigen und ärztlich angeordneten Rücktransports erstattet, wenn an Ort und Stelle bzw. in zumutbarer Entfernung eine ausreichende medizinische Behandlung nicht gewährleistet ist und dadurch eine Gesundheitsschädigung zu befürchten ist.

Die Klausel ist, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, unwirksam, soweit sie den vertraglichen Kostenerstattungsanspruch kumulativ sowohl von der objektiven medizinischen Notwendigkeit eines Rücktransports als auch von einer ärztlichen Anordnung des Rücktransportes abhängig macht. Nach inzwischen gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.02.2002 – 5 U 724/01 -, 55, 5 U 724/01 -, VersR 2002, 837, juris Rn. 22 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 07.11.2013 – 7 U 3/13 -, VersR 2014, 490, juris Rn. 30 OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.05.2015 – 12 U 146/14 -, VersR 2015, 1281 ff., juris Rn. 26), der sich der Senat anschließt, benachteiligt die Klausel den Versicherungsnehmer insoweit entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne der §§ 307 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 BGB unangemessen, weil sie die Rechte des Versicherungsnehmers so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Geboten ist eine ergänzende Vertragsauslegung, weil bei ersatzlosem Wegfall der Klausel eine Kostenerstattung und somit eine Versicherungsleistung völlig entfielen. Für diese ergänzende Vertragsauslegung kommt es maßgeblich darauf an, welche Gestaltung der Klausel die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicher Weise gewählt hätten, wenn ihnen im Hinblick auf die derzeitige Ausgestaltung der Klausel deren Unwirksamkeit bewusst gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.1992 – IV ZR 59/91 -, BGHZ 117, 92, juris Rn. 26; OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.02.2002 – 5 U 724/01 – 55, 5 U 724/01 -, VersR 2002, 837 f., juris Rn. 26). Danach kommt es vorliegend für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Rücktransports ausschließlich darauf an, ob der Rücktransport in Anbetracht der Gesundheitsschädigung des Versicherungsnehmers medizinisch notwendig gewesen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.05.2015 – 12 U 146/14 – VersR 2015, 1281 ff., Juris Rn. 27: OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.02.2002 – 5 U 724/01 – 55, 5 U 724/01 -, VersR 2002, 837 f., juris Rn. 26).

Das Landgericht ist aufgrund der Darlegungen des Sachverständigen zu der zutreffenden Überzeugung gelangt (§ 286 ZPO), dass der Rücktransport des Klägers objektiv nicht medizinisch geboten war. In dem I. Krankenhaus in Spanien wurde nach europäischem Standard eine umfangreiche Diagnostik und Therapie durchgeführt. Vor allem aber zeigte die antibiotische Therapie bereits Erfolge in Gestalt einer Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers und konnte bis zum Rückflug eine passagere Verschlechterung der bekannten Niereninsuffizienz korrigiert werden.

All dies wird von der Berufung nicht angegriffen.

3.

Dies voraussetzend, stützt der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rückfluges zunächst unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes auf § 280 Abs. 1 BGB.

Es spricht manches dafür, dass die Beklagte in der Tat durch ihre Art der Sachbehandlung, nachdem sie am 04.12.2012 von der Situation des Klägers erfahren hatte, ihre vertraglichen Pflichten verletzt hatte. Der Krankenversicherer, dessen vertragliches Leistungsspektrum die Komponente einer Auslandskrankenrücktransportversicherung umfasst, ist verpflichtet, bei einem behaupteten Versicherungsfall die Notwendigkeit eines Krankenrücktransports vor Durchführung zu prüfen (OLG Stuttgart, Urt. v. 07.11.2013 – 7 U 3/13 -, VersR 2014, 490, juris Rn. 28; OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.05.2015 – 12 U 146/14 -, VersR 2015, 1281, juris Rz. 28). Der Krankenversicherer ist dem Versicherten gegenüber insoweit nicht lediglich – nach Klärung und bei Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen – zur Kostenerstattung verpflichtet, sondern ggf. auch zur praktischen Unterstützung. Die Beklagte könnte sich deshalb auch nicht ohne weiteres darauf berufen, sich in § 12 Ziff. 2 AVB nur zur Kostenübernahme verpflichtet zu haben. Eine Klausel, wonach dem Versicherungsnehmer auch für Fälle von schweren Erkrankungen und teuren Krankenrücktransportkosten lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung zusteht, ist als unwirksam erachtet worden (OLG Stuttgart, Urt. v. 07.11.2013 – 7 U 3/13 -, VersR 2014, 490, juris Rz. 36 ff.), wobei die Grenze zum „teuren“ Rücktransport auf 1.500,- € angesetzt worden ist). Der Beklagten ist selbstverständlich zuzubilligen, dass sie berechtigt war, das Vorliegen eines Versicherungsfalles, namentlich unter dem Gesichtspunkt einer unvorhergesehenen Erkrankung, und damit ihre grundsätzliche Einstandspflicht zu prüfen. Nachdem eine solche unvorhergesehene Erkrankung aber objektiv vorlag, war die Beklagte nicht berechtigt, die dem Kläger geschuldete Prüfung der medizinischen Erforderlichkeit des Rücktransportes bis zum Abschluss der Prüfung einer unvorhergesehenen Erkrankung zurückzustellen. Einer solchen stufenweisen Prüfung stand vorliegend entgegen, dass die spanischen Ärzte den Rückflug bereits für den 05.12.2012 angeordnet und damit – auch für die Beklagte, die den Tag des Rückfluges kannte, erkennbar – als eilbedürftig eingestuft hatten. Unter diesen Umständen wäre die Beklagte gehalten gewesen, nach Übermittlung aller erforderlichen Informationen durch den Kläger unverzüglich, d. h. noch am 04.12.2012, die Prüfung der medizinischen Erforderlichkeit des Rücktransportes einzuleiten.

Diese Verpflichtung hat die Beklagte verletzt. Sie hat unstreitig weder mit den den Kläger in Deutschland behandelnden Onkologen noch mit den spanischen Ärzten Kontakt aufgenommen, auch den Hausarzt des Klägers nur mit Blick auf die Grunderkrankung, d. h. zur Klärung einer unerwarteten Erkrankung i. S. des § 3 AVB, befragt, und letzteres erst am 06.12.2012, mithin nach dem Tag des Rückfluges.

Ob die der Beklagten anzulastende Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden ursächlich war, bedarf keiner abschließenden Aufklärung und Entscheidung. Dies würde voraussetzen, dass die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit des Rücktransports bei der gebotenen beschleunigten Einleitung und Durchführung noch vor dem Zeitpunkt hätte abgeschlossen werden können, zu dem der Kläger den Rückflug angetreten hat. Dies ist zwischen den Parteien lebhaft umstritten mit Blick auf die Frage, welche Zeit der Beklagten zur Prüfung zuzubilligen war. Die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden setzt weiter voraus, dass der Kläger – hätte die Beklagte ihn noch vor dem Rücktransport darauf hingewiesen, dass er nach dem Ergebnis ihrer Prüfung medizinisch nicht notwendig sei – vom Rücktransport Abstand genommen hätte. Zu dem hierzu zuletzt noch gehaltenen Sachvortrag des Klägers Stellung zu nehmen, hatte die Beklagte noch keine Gelegenheit.

4.

Ob dem Kläger unter den vorbeschriebenen Gesichtspunkten ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zusteht, kann offenbleiben. Ist das nicht der Fall, dann ist der mit der Berufung weiterverfolgte Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rückfluges jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Aufwendungsersatzanspruches gemäß § 82 Abs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 1 VVG begründet.

Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalls gemäß § 82 Abs. 1 VVG nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Es handelt sich hierbei um eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, die beim Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen ist (vgl. Prölss/Martin/Voit, VVG, 29. Auflage 2015, VVG § 82 Rn. 1). Die Vorschrift des § 83 Abs. 1 VVG findet über § 194 Abs. 1 S. 1 VVG auch auf die Krankheitskostenversicherung Anwendung, weil diese Leistungen nach den Grundsätzen der Schadensversicherung erbringt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.05.2015 – 12 U 146/14 -, VersR 2015, 1281 und juris, Rz. 38; Prölss/Martin/Voit, VVG, 29. Aufl. 2015, § 194 VVG Rn. 14). Der Begriff des Schadens im Sinne dieser Bestimmung erfasst nach Auffassung des Senats bei der Krankheitskostenversicherung mit einer Komponente zur Auslandskrankenrücktransportversicherung nicht nur entstehende Mehrkosten des Versicherers, die bei einem weiteren Aufenthalt des Versicherten am Urlaubsort – vergleichen mit dem Kosten des Rückfluges zuzüglich der Kosten seiner weiteren Behandlung am Wohnort – entstehen könnten. Für die Abwendung und Minderung „des Schadens“ im Sinne der §§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1 VVG sorgt vielmehr auch derjenige Versicherte, der den Rücktransport – unabhängig von finanziellen Erwägungen – als zur Abwehr gesundheitlicher Gefahren und Risiken medizinisch erforderlich antritt. Das ergibt sich für den vorliegenden Fall letztlich auch aus den Kriterien des § 12 Abs. 2 AVB, der für den Rücktransport nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise aus Sicht des Versicherers (Notwendigkeit des Rücktransports zur Ersparnis höherer Aufwendungen für die Weiterbehandlung am Urlaubsort), sondern auf die medizinische Notwendigkeit des Rücktransportes zur Meidung einer Gesundheitsschädigung abstellt. Wie vorstehend (3.) ausgeführt, schuldet der Versicherer einer Auslandskrankenversicherung mit einer Komponente zur Auslandskrankenrücktransportversicherung bei mittelschweren oder schweren Erkrankungen des Versicherten auch die Organisation des Auslandskrankenrücktransports sowie die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit desselben sowie die Kostendeckungsübernahme für den Rücktransport (OLG Stuttgart, Urteil vom 07.11.2013 – 7 U 3/13 – VersR 2014, 81 ff. , Juris Rn. 43).

Der Kläger hat den Rückflug nach Deutschland angetreten, um einer weiteren Gesundheitsschädigung vorzubeugen bzw. den Genesungsprozess nicht zu gefährden, sondern im Gegenteil bestmöglich zu fördern. Die in Spanien behandelnden Ärzte hatten einen Zusammenhang der aufgetretenen gesundheitlichen Beschwerden mit der Grunderkrankung des Klägers vermutet und den Rücktransport des Klägers in der Annahme angeordnet, dass die weitere Behandlung am erfolgversprechendsten von denjenigen Ärzten durchzuführen sei, die mit der Behandlung der Grunderkrankung bereits vertraut waren. Dass auch die Entscheidung des Klägers, dem ihm erteilten Rat zum Rückflug zu folgen, von dieser Vorstellung getragen war, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.

Nach § 83 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Versicherer die zur Schadensminderung getätigten Aufwendungen des Versicherungsnehmers insoweit zu erstatten, als dieser sie den Umständen nach für geboten halten durfte. Geboten sind solche Maßnahmen, die Erfolg versprechen und die in ihrem Aufwand nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.05.2015 – 12 U 146/14 -, VersR 2015, 1281, juris Rz. 39 ff.; OLG Köln, Urt. v. 20.10.1998 – 9 U 176/97 -, NVersZ 1999, 137, juris, Rz. 6). Im Rahmen der §§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1 VVG sind dabei Fehlreaktionen und Fehleinschätzungen des Versicherungsnehmers bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit unschädlich. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in außergewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 10.05.2011 – VI ZR 196/10 -, NJW-RR 2011, 1055; juris Rz. 10; OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.05.2015 – 12 U 146/14 -, VersR 2015, 1281, juris Rz. 41).

Der Kläger durfte vorliegend die infolge des Rücktransports mit dem Ambulanzflugzeug entstandenen Aufwendungen von 14.545,- € trotz deren erheblicher Höhe für erforderlich halten.

Der Kläger war, nachdem er am 29.11.2012 das I. Krankenhaus in Benidorm aufgesucht hatte, dort notfallmäßig aufgenommen und bis zu dem ärztlich angeordneten Rückflug am 05.12.2012 stationär behandelt worden. Die Entlassung aus der stationären Behandlung erfolgte – anders als von der Beklagten zunächst behauptet – nicht bereits am 03.12.2012, sondern erst am 05.12.2012 zum Zwecke des Rücktransports. Zwar ist in dem als Anlage K2 zur Akte gereichten ärztlichen Entlassungsbericht als Entlassungsdatum der 03.12.2012 genannt. Der Kläger hat jedoch unwidersprochen dargelegt und durch Vorlage eines korrigierten Entlassungsberichts (Anlage K8) und der Behandlungsrechnung (Anlage K8, Bl. 35 des Anlagenheftes zur Akte) belegt, dass es sich hierbei um einen Schreibfehler handelte und die stationäre Behandlung bis unmittelbar vor dem Rückflug andauerte.

Die in Spanien behandelnden Ärzte hatten angesichts der Art seiner Beschwerden einen Zusammenhang mit der Grunderkrankung vermutet und die weitere Behandlung durch diejenigen Ärzte, die mit der Behandlung des Klägers und seiner Grunderkrankung vertraut waren, als medizinisch erforderlich erachtet. Der Kläger hatte keine Veranlassung, diese ärztliche Einschätzung in Frage zu stellen; erst recht ist ihm nicht als grob fahrlässig anzulasten, dass dies nicht geschehen ist. Allein aus dem Umstand, dass sich der Gesundheitszustand noch in Spanien auf die Antibiotikatherapie hin gebessert hatte, musste der Kläger als medizinischer Laie nicht den Schluss ziehen, seine Beschwerden stünden offenbar doch nicht im Zusammenhang mit seiner Krebserkrankung. Diesen Schluss hätten allenfalls die behandelnden Ärzte ziehen können und müssen; dass sie den Kläger allerdings entsprechend unterrichtet hätten, behauptet auch die Beklagte nicht. Soweit die Beklagte auf Grundlage der ihr vorliegenden Informationen die Chance gehabt hätte, noch vor der Rückreise zu erkennen, dass diese medizinisch nicht erforderlich sein würde, und den Kläger entsprechend zu unterrichten, hat sie eine solche Chance jedenfalls nicht genutzt. Umgekehrt deutete aus Sicht des Klägers der Umstand, dass die bereits am 04.12.2012 umfassend durch ihn informierte Beklagte dem bekanntermaßen für den 05.12.2012 angeordneten Rücktransport nicht widersprochen hatte, eher darauf hin, dass auch die Beklagte keinen Grund sah, die Erforderlichkeit des Rücktransportes in Frage zu stellen.

Die Kosten des Rücktransports standen auch nicht außer Verhältnis zu dem medizinischen Nutzen, den sich der Kläger hiervon ohne grobe Fahrlässigkeit versprach. Bei der Grunderkrankung des Klägers, einer Nierenkrebserkrankung mit Metastasen in der Lunge und im Bauchfell bei laufender Chemotherapie und chronischer Niereninsuffizienz, handelt es sich um eine zumindest potentiell lebensbedrohliche und kontinuierlich behandlungsbedürftige Erkrankung. Der Kläger war, nachdem er zuvor bereits vier Tage lang an Unterleibsschmerzen und krampfartigen Bauchschmerzen sowie an Übelkeit und Erbrechen gelitten hatte, am 29.11.2012 notfallmäßig untersucht und stationär aufgenommen worden, wobei die gestellte Diagnose auf Unterleibsschmerzen mit vermutetem Zusammenhang mit einer karzinomatösen Aszites lautete, ohne dass eine Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) habe ausgeschlossen werden können. Sekundärdiagnostisch wurden im Krankenhaus neben einer erneut verstärkten Niereninsuffizienz eine Hyponatriämie, der Nierenkrebs sowie eine Diarrhoe unter Antibiotikatherapie festgestellt. Angesichts dieser Umstände und der ärztlicherseits dringend befürworteten Weiterbehandlung durch die deutschen Onkologen und Anordnung des Rücktransportes bereits für den 05.12.2012 durfte der Kläger von einer erheblichen, wenn nicht gar lebensbedrohlichen, Komplikation aussehen und brauchte er nicht unter dem Gesichtspunkt einer Unverhältnismäßigkeit der Transportkosten davon absehen, den Rücktransport anzutreten.

Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers, die zum Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs oder Kürzung des Anspruchs nach §§ 82 Abs. 3 i. V. m. § 83 Abs. 2 VVG führen könnte, kann nicht darin gesehen werden, dass dieser den Rückflug nach Deutschland angetreten hat, ohne sich mit der Beklagten vorab nochmals ins Benehmen zu setzen und deren Einverständnis einzuholen. Denn der Kläger durfte, wie ausgeführt, aufgrund der fehlenden Reaktion der Beklagten auf die Übersendung der ausgefüllten Vordrucke nebst den Berichten der spanischen Ärzte davon ausgehen, dass er im Einverständnis mit der Beklagten handelte. Der Kläger musste entgegen den Ausführungen des Landgerichts nicht das laufende Überprüfungsverfahren der Beklagten abwarten. Ungeachtet dessen wäre eine etwaige Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig im Sinne des § 82 Abs. 3 VVG.

Dem Kläger steht, soweit das Urteil zu seinen Gunsten abzuändern war, ein weitergehender Zinsanspruch sowie eine weitergehende Erstattung vorgerichtlicher Kosten nebst Zinsen gemäß §§ 280 Abs.1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 18.203,55 € festgesetzt.

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