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Auslandskrankenrücktransportversicherung: Einschränkung des Versicherungsschutzes unwirksam

OLG Stuttgart

Az.: 7 U 3/13

Urteil vom 07.11.2013

 

Leitsätze

Auslandskrankenrücktransportversicherung: Einschränkung des Versicherungsschutzes unwirksam1. Eine Klausel bei einer Auslandskrankenrücktransportversicherung, die für den Versicherungsnehmer auch für Fälle von erheblichen Erkrankungen im Ausland nur einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Versicherer vorsieht, ist unwirksam, § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Ein Versicherer verstößt mit einer solch einschränkenden Klausel in erheblichem Maße gegen den Zweck einer Rücktransportversicherung für den Fall der Erkrankung im Ausland, weil der Vertragszweck durch Einschränkung auf die bloße – nachträgliche – Kostenerstattungspflicht gefährdet ist (sog. Aushöhlung).

2. Eine zusätzliche Klausel bei einer Auslandskrankenrücktransportversicherung, die den Versicherungsanspruch davon abhängig macht, dass der Transport oder dessen medizinische Notwendigkeit von einer „ärztlichen Anordnung“ oder einem „ärztlichen Attest“ vor Beginn des Rücktransports als ärztlichen Nachweis abhängig ist, benachteiligt einen Versicherungsnehmer ebenfalls unangemessen gem. §§ 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB (Anschluss: OLG Saarbrücken, VersR 2002, 837 f.).

3. Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass der Versicherer im Versicherungsfall auch die Organisation des Auslandskrankenrücktransportes schuldet.

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart – 16 O 28/10 – vom 04.12.2012 wird z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 45.000,00 EUR

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers wendet sich gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgart, mit dem seine Klage auf Schadensersatz wegen behaupteter Pflichtverletzung aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankenversicherungsvertrag mit Auslandskrankenrücktransportversicherung abgewiesen wurde.

Am 22.03.2009 erlitt der Kläger auf den Philippinen einen Motorradunfall. Er zog sich hierbei Verletzungen am linken Bein, insbesondere eine Tibiakopffraktur am linken Knie, im Bereich seines linken Armes und im Rumpfbereich seiner linken Körperseite zu. Der Kläger ist mittlerweile vollständig auf die Philippinen umgezogen. In dem Versicherungsvertrag sind die „Versicherungsbedingungen für die Kranken- und Pflegeversicherung“ (Anlage K 5, nach Bl. 63) unter Einschluss des „Tarif VE für ambulante, zahnärztliche und stationäre Heilbehandlung“ (Anlage K 5, nach Bl. 63) einbezogen (AVB: „Druckstücknummer 01/2009“).

Die Versicherungsbedingungen unter „Tarif VE“ (Anlage K 5, nach Bl. 63) lauten auszugsweise wie folgt:

 „4 Krankenrücktransport aus dem Ausland

4.1 Bei akut eingetretenen Krankheiten und Unfällen während eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes sind die Kosten eines medizinisch notwendigen Krankenrücktransportes einschließlich der Aufwendungen für eine Begleitperson nach folgenden Regelungen erstattungsfähig.

4.4 Die medizinische Notwendigkeit für den Krankenrücktransport besteht, wenn an Ort und Stelle bzw. in zumutbarer Entfernung eine ausreichende medizinische Behandlung nicht gewährleistet und dadurch eine Gesundheitsschädigung zu befürchten ist. Dies muss durch ein vor Beginn des Krankenrücktransportes ausgestelltes ärztliches Attest nachgewiesen werden.“

Der Kläger wurde am 25.03.2009 durch Dr. med. K. im Krankenhaus Capitol University Medical City in Cagayan de Oro City auf den Philippinen am linken Bein operiert, um die bikondyläre komplexe Tibiakopftrümmerfraktur mit mäßiger Dislokation und Impression operativ zu verbessern. Hierbei wurde Osteosynthesematerial (unter anderem Platten) in das linke Knie eingebracht.

Am 25.03.2009, nach der Operation, verständigte der Kläger telefonisch die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau W., vom Motorradunfall und den dadurch eingetretenen Verletzungen. Die Beklagte schaltete daraufhin das Unternehmen R. A. mit dem Auftrag ein, die medizinische Notwendigkeit eines Rücktransports zu prüfen. R. A. wiederum schaltete den „M. Rückholdienst“ mit der weiteren Prüfung ein. Beim M. Rückholdienst wurde die Prüfung der Auslandsrückholung mittels eines Krankenrücktransportes vom dortigen ärztlichen Leiter des Rückholdienstes, dem Zeugen Dr. med. H., bearbeitet.

Auf der Grundlage weiterer Telefongespräche von Dr. med. H. vom M. Rückholdienst mit Dr. K. berichtete Dr. med. H. der Beklagten per Telefax am 31.03., 01.04., 03.04., 06.04. und 07.04.2009 über den gesundheitlichen Zustand des Klägers. Dr. med. H. bezeichnete die medizinische Versorgung des Klägers weiterhin als adäquat (Anlagen B 2 bis B 7, nach Bl. 45).

Mit Telefaxbericht vom 08.04.2009 teilte eine weitere Ärztin des M. Rückholdienstes, die Zeugin Dr. K. (Orthopädin), der Beklagten mit, eine Repatriierung sei ab sofort möglich und sinnvoll (Anlage B 8, nach Bl. 45). Mit Telefax vom 15.04.2009 attestierte Dr. med. H. vom M. Rückholdienst die medizinische Notwendigkeit eines Rücktransports nach Deutschland und gab an, der Kläger traue sich einen Flug in der Business Class ohne medizinische Begleitung zu (Anlage B 10, nach Bl. 45). Am 21.04.2009 flog der Kläger mit einer Linienmaschine von den Philippinen zurück nach Deutschland und wurde am 24.04.2009 durch Prof. Dr. med. D. im Stuttgarter M.-Hospital erneut operiert. Der Operateur Prof. Dr. med. D. hat nach der Operation die Einschätzung geäußert, die Tibiakopfosteosynthese vom 25.03.2009 sei auf den Philippinen unzureichend durchgeführt worden, der medizinische Standard habe den Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland nicht entsprochen und es wäre besser gewesen, den Kläger unmittelbar nach dem Unfallereignis nach Deutschland auszufliegen (Anlage K 1, Bl. 10 ff.).

Der Kläger hat im ersten Rechtszug behauptet, für die Beklagte sei ersichtlich gewesen, dass er sofort hätte ausgeflogen werden müssen. Die Beklagte habe lediglich die hohen Kosten für einen individuellen Spezialtransport mit einem Spezialflugzeug nach Deutschland vermeiden wollen, weil die Kosten für ein solches Spezialflugzeug mit entsprechendem Personal rund 100.000,00 EUR betragen hätten. Dem Kläger sei es ohne ausdrückliche Kostenübernahmeerklärung der Beklagten unmöglich gewesen, den medizinischen Rücktransport in einem Spezialflugzeug zu veranlassen und die Kosten hierfür aus Eigenmitteln im Voraus zu verauslagen.

Der Kläger habe durch den verspäteten Rücktransport nach Deutschland nicht mehr korrigierbare Dauerschäden am linken Knie erlitten, welche sich noch hätten vermeiden lassen, wenn die Beklagte am 26.03.2009 – nach dem Gespräch von Dr. med. H. mit Dr. K. – sofort die Übernahme der Kosten eines Spezialtransports nach Deutschland zugesagt hätte und aufgrund einer zeitnahen Repatriierung des Klägers die orthopädische Nachoperation im M.-Hospital in Deutschland hätte früher stattfinden können.

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug behauptet, ein Rücktransport habe schon deshalb nicht stattfinden können, weil eine Kontraindikation für einen Krankentransportrückflug bestanden habe. Nach dem 25.03.2009 habe eine Gefahr des Eintritts eines Kompartmentsyndroms bestanden. Erst wieder ab dem 15.04.2009 habe die Kontraindikation nicht mehr bestanden und erst ab diesem Zeitpunkt sei die Rückführung des Klägers medizinisch möglich gewesen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben (mündliche Verhandlung vom 12.10.2010, Bl. 111 ff.) durch die Vernehmung der Zeugen Dr. K. (freie Mitarbeiterin des M. Rückholdienstes), Dr. med. H. (Leiter M. Rückholdienst), W. (Sachbearbeiterin bei R. A. GmbH) und M. (Teamleiterin R. A. GmbH). Die philippinischen Zeugen Dr. K. und Dr. V. wurden im Wege der Rechtshilfe vernommen (Bl. 201 ff., 218 ff.).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Pflicht der Beklagten, die medizinische Notwendigkeit der vom Versicherungsnehmer begehrten Kosten vorab zu prüfen und die Übernahme der Kosten zuzusagen, bestehe ausnahmsweise, weil ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht in der Lage sei, die immensen Kosten eines Spezialtransports mit einem Spezialflugzeug aus Asien selbst vorzufinanzieren.

Die Beklagte habe jedoch die sie treffende Nebenpflicht zur pflichtgemäßen Prüfung einer Kostenübernahmeerklärung dadurch bereits erfüllt, indem sie den M. Rückholdienst beauftragt und dessen Empfehlung gefolgt sei. Die Beklagte habe keinen Anhaltspunkt gehabt, an der Verlässlichkeit der Einschätzung der Ärzte des M. Rückholdienstes zu zweifeln. Sollte das tatsächliche Vorbringen des Klägers zutreffend sein, so wäre die Prüfung durch den M. Rückholdienst zwar pflichtwidrig gewesen. Eine pflichtwidrige Verletzung der Nebenpflicht müsse sich die Beklagte jedoch nicht zurechnen lassen, weil der M. Rückholdienst nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten gem. § 278 BGB gewesen sei. Die Beklagte sei vertraglich auch nicht verpflichtet gewesen, selbst Kontakt mit den behandelnden Ärzten auf den Philippinen aufzunehmen.

Die Berufung verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Das Landgericht habe ein beantragtes Sachverständigengutachten zur Prüfung, ob die von der Beklagten eingeschalteten Stellen und Rückholdienste nicht hätten medizinisch erkennen können, dass der Kläger sofort hätte ausgeflogen werden müssen, nicht eingeholt. Die Prüfung durch die Ärzte des M. Rückholdienstes sei grob falsch gewesen. Das Ergebnis des M. Rückholdienstes, dass eine Behandlung auf den Philippinen für den Kläger möglich gewesen sei, ohne dass hierdurch Gefahren für die Gesundheit des Klägers entstanden seien, sei falsch gewesen. Das Landgericht habe zutreffend eine Nebenpflicht der Beklagten angenommen, jedoch eine Zurechnung der von der Beklagten beauftragten Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB verneint. Es gebe keine Anhaltspunkte, weshalb die von der Beklagten beauftragten Stellen, insbesondere der M. Rückholdienst, nicht Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB gewesen seien. Die Beklagte habe für die von ihr beauftragten Stellen einzustehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung des Klägers Bezug genommen (Bl. 284 ff.).

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2012 mit dem Aktenzeichen 16 O 28/10 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. Die genaue Höhe des Schmerzensgeldes wird ins Ermessen des Gerichts gestellt.

3. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere 20.000,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Landgericht sei zwar von einer möglichen Pflicht ausgegangen, jedoch habe die Beklagte erstmals am 25.03.2009, nach der orthopädischen Erstoperation, Kenntnis vom Verkehrsunfall des Klägers auf den Philippinen erlangt. Zu diesem Zeitpunkt der Kenntniserlangung sei die Erstoperation am linken Knie beim Kläger bereits durchgeführt gewesen. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten nicht behauptet, dass die Operation mit unrichtigem Osteosynthesematerial durchgeführt worden sei. Die bereits durchgeführte und medizinisch gegebenenfalls nicht optimal durchgeführte Erstoperation könne deshalb nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Beweisbeschluss vom 12.04.2013, Bl. 302 ff.). Der Sachverständige Prof. Dr. med. S. hat ein schriftliches Gutachten erstattet (Bl. 335 – 372) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.10.2013 erläutert (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2013, Bl. 403 ff.).

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 25.000,00 EUR und mate-rieller Schadensersatz von 20.000,00 EUR gem. §§ 280 Abs. 1, 249 ff., 253 Abs. 2 BGB nebst gesetzlicher Zinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu.

1. Die Beklagte trifft als Krankenversicherer mit einer Komponente zur Auslandskrankenrücktransportversicherung die Pflicht, bei einem behaupteten Versicherungsfall (Erkrankung und Notwendigkeit der Heilbehandlung bzw. des Krankenrücktransports) die Notwendigkeit eines Krankenrücktransports vor Durchführung zu prüfen und die Krankenrücktransportkosten (hier: 100.000,00 EUR für einen Spezialtransport mit einem Flugzeug) vorzuschießen oder ersatzweise die Organisation selbst zu übernehmen (Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 192 Rn. 78 ff., 82 für den Fall hoher Krankheitskosten; Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 41 Rn. 222 ff.).

Unter einem „medizinisch notwendigen Krankenrücktransport“ ist eine erforderliche Behandlung im Zusammenhang mit dem Rücktransport zu verstehen, die nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar gewesen war (vgl. BGHZ 133, 208 ff. [Rn. 16]; BGH VersR 1979, 221; OLG Düsseldorf VersR 1996, 1402; Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 192 Rn. 147; van Bühren, Versicherungsrechtshandbuch, 5. Auflage, § 17 Rn. 858 ff., 863, 279 ff.).

a) Die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Ziff. 4.1 und 4.4 des Tarifs VE (Anlage K 5) sind unwirksam, § 306 Abs. 1 BGB.

aa) Eine Klausel bei einer Auslandskrankenrücktransportversicherung, die den Versicherungsanspruch davon abhängig macht, dass der Transport oder dessen medizinische Notwendigkeit von einer ärztlichen Anordnung oder einem ärztlichen Attest vor Beginn des Rücktransports als ärztlichen Nachweis abhängig ist, verstößt gegen die Gebote von Treu und Glauben und benachteiligt einen Versicherungsnehmer unangemessen gem. §§ 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Die Beklagte geht davon aus, dass es einem Arzt, in dessen Behandlung der Versicherungsnehmer im Ausland gelangt, am besten möglich sein wird zu beurteilen, ob eine Weiterbehandlung an Ort und Stelle im Ausland erfolgen kann oder ob es aus medizinischen Gründen nötig ist, den Patienten zur weiteren Behandlung in sein Heimatland zurück zu transportieren.

Zum einen kann es jedoch nicht auf die subjektive Sicht eines Arztes im Ausland ankommen, insbesondere in Dritte-Welt-Ländern o.Ä., und zum anderen ist nach der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung ihrer Klausel davon auszugehen, dass sie dieser selbst zugrunde legt, berechtigt zu sein, im Nachhinein überprüfen zu lassen, ob die Beurteilung des Arztes im Ausland vertretbar gewesen ist oder nicht.

Eine solche Klausel ist mit wesentlichen Rechten oder Pflichten einer Auslandskrankenrücktransportversicherung nicht vereinbar, weil sie gem. § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB die Rechte eines Versicherungsnehmers so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist (Aushöhlung). Der Senat schließt sich insoweit hinsichtlich der Unwirksamkeit der Notwendigkeit einer schriftlichen ärztlichen Anordnung vor einem Krankenrücktransport der obergerichtlichen Rechtsprechung an (Saarländisches Oberlandesgericht, VersR 2002, 837 f.).

Die Beklagte als redlicher Versicherer hätte ausreichend Anlass und Zeit gehabt, die seit 2002 für unwirksam erklärten Klauseln 7 Jahre später nicht mehr zu verwenden.

bb) Auch die Klausel in Ziff. 4.1 und 4.4 des Tarifs VE (Anlage K 5), wonach dem Kläger als Versicherungsnehmer auch für Fälle von schweren Erkrankungen und teuren Krankenrücktransportkosten lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung zusteht, ist unwirksam, § 306 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Die Beklagte als Versicherer verstößt mit dieser einschränkenden Klausel in erheblichem Maße gegen den Zweck einer Transportversicherung für den Fall der Erkrankung im Ausland, weil der Vertragszweck durch Einschränkung auf die bloße – nachträgliche – Kostenerstattungspflicht gefährdet ist.

Die Klausel, die nur eine Kostenerstattungspflicht für aufgewendete Krankenrücktransportkosten vorsieht, führt zu einem faktischen Ausschluss des Versicherungsschutzes, sobald ein Versicherungsnehmer im Ausland etwa einen schweren Verkehrsunfall erleidet und mangels Kenntnis von medizinischen Rückholdiensten nicht in der Lage ist, einen Krankenrücktransport selbst zu organisieren oder ein Krankenrücktransport aus einem weiteren Land zurück nach Deutschland erhebliche Kosten verursacht und diese von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht im Voraus verauslagt werden können. Für einen ärztlich begleiteten Rücktransport in einem Spezialflugzeug entstehen ohne weiteres Kosten bis 100.000,00 EUR oder mehr.

Bereits bei Kosten von 1.500,00 EUR ist es einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der im Ausland einen Unfall oder sonst eine akute Krankheit erleidet, nicht möglich, einen solchen Geldbetrag innerhalb kürzester Zeit vor Ort im Ausland zur Verfügung zu haben. Selbst vermögende Versicherungsnehmer, die über einen Vermögensstamm – auch über Vermögen bis zu 100.000,00 EUR – verfügen, werden nicht innerhalb weniger Stunden oder innerhalb eines Tages über die Liquidität eines Betrages von bis zu 100.000,00 EUR verfügen oder innerhalb einer solch kurzen Zeit eine entsprechende Bankbürgschaft beibringen können, ungeachtet des Umstandes, ob ausländische Banken eine solche Bankbürgschaft einer für sie fremden Bank überhaupt entgegennehmen würden.

Ein Versicherungsschutz, der nur auf Kostenerstattung und auf keine Hilfe bei der Organisation des Krankenrücktransports ausgerichtet ist, würde deshalb leerlaufen. Anderenfalls würde das in Nr. 4.1 und 4.4 Tarif VE gegebene Leistungsversprechen der Beklagten als Versicherer ausgehöhlt. Eine Gefährdung des Vertragszwecks liegt bereits dann vor, wenn die Einschränkung den Versicherungsvertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko (nahezu) zwecklos oder sinnlos macht (vgl. BGH VersR 2013, 232 f. m.w.N.; BGH VersR 2011, 1005 Rn. 17 f.; BGH VersR 2009, 533 Rn. 19 m.w.N.; BGHZ 137, 174, 176 m.w.N.).

Ein ausgehöhlter Versicherungsschutz, wie hier, widerspricht aber den Geboten von Treu und Glauben, wonach ein Versicherungsnehmer nicht unangemessen zu benachteiligen ist, § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Klausel in der Auslandskrankenrücktransportversicherung, die lediglich eine nachträgliche Kostenerstattung des Versicherers vorsieht, ist deshalb ebenfalls unwirksam, § 306 BGB.

b) Der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien ist ergänzend auszulegen.

Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass die Beklagte als Versicherer bei mittelschweren und schweren Erkrankungen oder Unfällen im Ausland die Organisation des Auslandskrankenrücktransportes schuldet und ebenso das Vorliegen einer medizinischen Notwendigkeit und die Kostendeckungsübernahme für einen Krankenrücktransport aus dem Ausland, der einen Betrag von 1.500,00 EUR übersteigt, prüft.

Eine ergänzende Vertragsauslegung ist notwendig, weil mit der Unwirksamkeit der Klausel Ziff. 4.1 und 4.4 des Tarifs VE der Erstattungsanspruch, der sich erst aus §§ 1, 4 Abs. 1 AVB i.V.m. Ziff. 4 Tarif VE ergibt, wegfällt. Bei ersatzlosem Wegfall der Klausel wäre die Kostenerstattung und somit die Versicherungsleistung des Versicherers nicht mehr vereinbart und völlig entfallen. Dispositives Gesetzesrecht steht für eine Auslandskrankenrücktransportversicherung nicht zur Verfügung, weil die Kosten eines Rücktransports aus dem Ausland für den Bereich der privaten Krankenversicherung gesetzlich nicht geregelt ist. Aus diesem Grund ist es geboten, die entstandene Lücke in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen (BGHZ 117, 92 ff.). Danach kommt es darauf an, welche Gestaltung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BGHZ 117, 92 ff.).

Die Berücksichtigung der Interessen beider Vertragspartner ergibt, dass der Versicherer bei mittelschweren und schweren Erkrankungen oder Unfällen im Ausland berechtigt und verpflichtet ist, zu prüfen, ob die medizinische Notwendigkeit für einen Krankenrücktransport besteht und eine Deckungszusage gegenüber den spezialisierten und regelmäßig dem Versicherungsnehmer nicht bekannten Spezialunternehmen (Rückholdienste) zum Rücktransport von Kranken aus dem Ausland durchzuführen sowie den Auslandskrankenrücktransport zu organisieren.

Im Übrigen hat die Beklagte sich vor dem Rechtsstreit nicht darauf berufen, nur eine Kostenerstattung zu schulden. Sie hat vielmehr in der Weise, wie der Senat die ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen hat, die Rückholung des Klägers geprüft, betreut und organisiert.

2. Die Beklagte hat die aus der ergänzenden Vertragsauslegung resultierende Pflicht, den Rücktransport zu organisieren, für den Fall der medizinischen Notwendigkeit eines Krankenrücktransports und der Notwendigkeit einer Kostendeckungszusage gegenüber einem Spezialflugzeugunternehmen, nicht verletzt.

Als medizinisches notwendig im Sinne des Versicherungsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass eine ausreichende medizinische Versorgung an Ort und Stelle beziehungsweise in zumutbarer Entfernung nicht gewährleistet ist und dadurch eine Gesundheitsbeschädigung zu befürchten ist (Nr. 4.4 Tarif VE, Anlage K 5).

a) Die von der Beklagten eingesetzten Unternehmen zur Organisation oder Überprüfung der Notwendigkeit eines Krankenrücktransportes, R. A. GmbH und M. Rückholdienst, sind der Beklagten gem. § 278 ZPO zuzurechnen.

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterscheidet sich der Pflichtenkatalog nicht danach, ob die Beklagte selbst tätig wird oder Rückholdienste einschaltet.

c) Für die Beklagte und deren Erfüllungsgehilfen war zum Zeitpunkt nach der orthopädischen Erst-Operation am 25.03.2009 nicht erkennbar, dass der Kläger hätte für eine orthopädische Nach-Operation oder für eine Wundversorgung oder Ähnliches sofort ausgeflogen werden müssen.

aa) Der Senat ist aufgrund der einsichtigen und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. S. davon überzeugt, dass der Kläger nach der orthopädischen Erst-Operation am 25.03.2009 auf den Philippinen nicht ausgeflogen werden musste, mithin keine medizinische Notwendigkeit für eine Weiterbehandlung in Deutschland bestand. Der Kläger konnte nach der orthopädischen Erst-Operation vor Ort einer ausreichend medizinischen Behandlung unterzogen werden. Der Kläger ist für die von ihm behauptete Pflichtverletzung darlegungs- und beweisbelastet. Er konnte seiner Beweislast nicht genügen, § 286 ZPO.

aaa) Aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. S. in seinem schriftlichen Gutachten vom 18.07.2013 (Bl. 335 – 372) ist bereits zutreffend festgestellt, dass nach der durchgeführten Erst-Operation vom 25.03.2009 auf den Philippinen ein Auslandskrankenrücktransport mit einem Spezialflugzeug mit voraussichtlichen Kosten von rund 100.000,00 EUR medizinisch nicht notwendig war.

… (wird ausgeführt)

Ein Schadensersatzanspruch nebst Nebenforderungen scheidet – unter Berücksichtigung des Versicherungsvertrages mit der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung – mangels konkreter Pflichtverletzung aus.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 711 S. 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.

Fotos Coast Guard News,

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