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Aufklärungs- und Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers

OLG Dresden – Az.: 4 W 697/20 – Beschluss vom 15.10.2020

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 22.06.2020 – 3 O 575/20 – wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegner zu 1.) und 2.) auf Zahlung von Versicherungsleistungen bzw. auf Ersatz von Schäden in Anspruch, die ihm an seinem Objekt in der H…straße 00 in 00000 P… – es handelt sich um eine xxx xxx – entstanden sind. Die Geltendmachung von Versicherungsleistungen gegenüber der Antragsgegnerin zu 2.), bei der der Antragsteller eine Gebäudeversicherung in Bezug auf das streitgegenständliche Objekt unterhält, ist bereits Gegenstand zweier weiterer Prozesskostenhilfegesuche, die unter den Az. 3 O 2125/19 und 3 O 564/20 vor dem Landgericht Leipzig abschlägig beschieden wurden. Die jeweils hiergegen gerichteten Beschwerden hat der Senat mit Beschlüssen vom 12.02.2020 unter dem Az. 4 W 84/20 und vom 08.09.2020 unter dem Az. 4 W 655/20 zurückgewiesen.

Aufklärungs- und Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers
(Symbolfoto: Von G-Stock Studio/Shutterstock.com)

Mit vorliegendem Antrag macht der Antragsteller erstmalig Ansprüche auch gegen den Antragsgegner zu 1.) geltend, der seinerzeit beim Abschluss des streitgegenständlichen Gebäudeversicherungsvertrages als Versicherungsvermittler für die Antragsgegnerin zu 2.) fungierte. Er beruft sich auf eine Fehlberatung im Zusammenhang mit der Absicherung gegen Vandalismusschäden. Diese sind unstreitig nicht mitversichert. Nachdem er mit der Antragsgegnerin zu 2. am 22.08.2018 einen Abfindungsvergleich sowohl für die Sturm- als auch für die Vandalismusschäden i.H.v. 8.000,00 EUR abgeschlossen hatte (Anlage PKH 6 aus dem Verfahren 3 O 2125/19), behauptet der Antragsteller nun, bei Abschluss dieser Erklärung nicht geschäftsfähig gewesen zu sein. Das Landgericht hat mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss den Antrag zurückgewiesen.

Im Hinblick auf den erstmalig in Anspruch genommenen Antragsgegner zu 1.) verneinte es die hinreichende Erfolgsaussicht, weil sich der Abfindungsvergleich vom 22.08.2018 auch auf den Antragsgegner zu 1.) beziehe. Hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2.) verwarf es den Antrag unter Hinweis auf das vorangegangene Prozesskostenhilfeverfahren als unzulässig.

Mit seiner Beschwerde verweist der Antragsteller in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2. auf seine Begründung in den Verfahren 4 W 84/20 und 4 W 655/20. In Bezug auf den Antragsgegner zu 1. verteidigt er seine Auffassung, dieser habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, weil er seine Beratungspflichten verletzt habe.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Ziffer 1. i.V.m. § 127 Abs. 3 ZPO statthaft, fristgerecht eingelegt und damit zulässig.

1.

In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Hinsichtlich der Verwerfung des Prozesskostenhilfegesuches als unzulässig im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 2. ist auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Beschluss, dort auf S. 2 unter Ziffer 1. zu verweisen. Abermals hat der Antragsteller unter Wiederholung der gleichen Argumente sein Gesuch auf den identischen Lebenssachverhalt wie bereits in den Verfahren zuvor gestützt. Zur Meidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 08.09.2020 – 4 W 655/20 – verwiesen.

2.

Hinsichtlich des Antragsgegners zu 1. ist die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben.

a)

Zwar kann nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Vergleichs- und Abfindungserklärung vom 22.08.2018 nach dem übereinstimmenden Parteiwillen auch sämtliche Ansprüche gegen den Antragsgegner zu 1. abfinden sollte. Ob ein Vergleich eine Gesamtwirkung haben soll, ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Im Zweifel kommt allerdings einem Vergleich mit einem Gesamtschuldner grundsätzlich keine Gesamtwirkung zu (BGH, Urteil vom 22.12.2011 – VII ZR 7/11, juris Rz. 21; Urteil vom 21.03.2000, IX ZR 33/19, und vom 13.10.2004 – I ZR 249/01). Nur dann, wenn die Auslegung ergibt, dass beide Parteien eine Gesamtwirkung gewollt haben, wäre vorliegend von einer entsprechenden Reichweite der Abfindungsvereinbarung und einem Ausschluss der Haftung des Antragsgegners zu 1. auszugehen. Ein solches lässt sich allerdings nicht feststellen. Dem Landgericht ist Recht zu geben, dass ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Antragsgegnerin zu 2. ein Interesse an der Gesamtwirkung hat, zumal sie unstreitig zugleich als Haftpflichtversicherer des Antragsgegners zu 1. fungiert. Dies genügt aber nicht. Ein entsprechender Wille muss auch beim Antragsteller festgestellt werden. Allein die Feststellung, er habe in Kenntnis der Formulierung „alle Ansprüche“ im Vergleich die Vereinbarung unterzeichnet, reicht hierfür nicht. Umgekehrt enthält nämlich der Vergleich auch folgenden Passus: „Die Abfindungserklärung bezieht sich auf Ansprüche gegen: XXX Versicherungs AG, …“. Diese Formulierung legt den Schluss nahe, dass sich der Vergleich eben nur und ausschließlich auf die Antragsgegnerin zu 2 beziehen sollte. Angesichts dieser Formulierung kann nicht ohne weiteres aus dem übrigen Text auf einen Gesamtwirkungswillen auch des Antragstellers geschlossen werden, zumal ein Gläubiger grundsätzlich niemals ein Interesse daran hat, sich nicht bei dem anderen Gesamtschuldner schadlos halten zu können (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 22.12.2011 – VII ZR 7/11, juris Rz. 23). Damit reichen die Feststellungen bislang nicht aus, um einen übereinstimmenden Parteiwillen, gerichtet auf einen Ausschluss der Haftung des Antragsgegners zu 1. festzustellen.

b)

Die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht scheitert allerdings an ungenügenden Anhaltspunkten zum Beratungsfehler. § 63 VVG statuiert zum Schutz des Versicherungsnehmers eine persönliche Haftung des Versicherungsvermittlers und stellt eine eigenständige Haftung für aus Verschulden bei Vertragsschluss dar (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 63 Rz. 1). Beratungspflichten bestehen insoweit, als dafür ein konkreter Anlass besteht, denn es ist grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, sich in eigener Verantwortung über die zu versichernden Risiken klar zu werden und über den hierfür in Betracht kommenden Versicherungsschutz zu informieren. Bringt der Versicherungsnehmer seine Vorstellungen nicht zum Ausdruck, kann von einem Versicherungsvermittler dann Beratung erwartet werden, wenn sich aufgrund der Gesamtumstände ein Bedürfnis hierfür offenbart. Das kann dann der Fall sein, wenn sich der Versicherungsnehmer erkennbar falsche Vorstellungen über die Reichweite des Versicherungsschutzes macht, oder wenn das erkennbar zu versichernde Risiko von dem ins Auge gefassten Versicherungsschutz nicht vollständig erfasst wird (statt aller: OLG Hamm, Urteil vom 27.02.2013 – 20 U 164/12). Vorliegend hat der Antragsteller erstmalig nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erkennen gegeben, er gehe von der Absicherung auch gegen Vandalismusschäden aus. Da der Versicherungsschein insofern eindeutig ist, bestand auch angesichts der Aufzählung der Vandalismusschäden in einem der Bausteine in den AVB kein Anlass für den Vermittler, von sich aus auf diese Deckungslücke hinzuweisen. Die Lage des Objektes als solche gab hierfür ebenfalls keinen hinreichenden Anlass, zumal dieses nach den Angaben des Antragstellers durch unterschiedliche Personen häufig genutzt wurde und daher nicht verlassen war. Obendrein würde selbst bei unterstelltem Beratungsfehler eine Haftung des Vermittlers an der erforderlichen Kausalität des Beratungsfehlers für den eingetretenen Schaden fehlen. Denn die Antragsgegnerin zu 2.) hat in ihrem Schreiben vom 02.08.2019 mitgeteilt, dass das geplante Risiko „Swinger-Club“ nicht versicherbar gewesen wäre. Selbst wenn, wie der Antragsteller vorträgt, ein solcher bei Schadenseintritt noch nicht betrieben wurde, hätte er diesen Umstand bei Vertragsabschluss offenbaren müssen. Dass er dennoch den begehrten Versicherungsschutz bei der Antragsgegnerin zu 2.) oder bei einer anderen Versicherung erhalten hätte, hat er nicht vorgetragen.

3.

Für das Beschwerdeverfahren fällt eine Festgebühr nach GKG-KV 1812 an. Kosten werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

 

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