Ein Versicherungsnehmer forderte nach einem Brandschaden über 70.000 Euro von seiner Gebäudeversicherung. Wegen versuchter arglistiger Täuschung verlor der Kläger dennoch jeglichen Anspruch auf die Entschädigungssumme.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet arglistige Täuschung und verliere ich meinen gesamten Versicherungsschutz?
- Wie beweist meine Versicherung eine arglistige Täuschung bei einem Sachschaden?
- Was muss ich bei der Anfechtung von Gutachten im Versicherungsstreit beachten?
- Was tun, wenn meine Versicherung die Leistung wegen Täuschung ablehnt?
- Wann gilt meine falsche Angabe als Betrugsversuch und wann nicht?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 11 O 1842/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt
- Datum: 16.05.2024
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Zivilprozessrecht
- Das Problem: Der Versicherungsnehmer forderte nach einem Brandschaden Entschädigung von seiner Gebäudeversicherung. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen und warf dem Kunden eine Arglistige Täuschung vor. Der Kunde hatte wiederholt bestritten, dass der Brand verursachende Staubsauger in Betrieb war.
- Die Rechtsfrage: Durfte die Versicherung die Zahlung komplett ablehnen, weil der Kunde den Betrieb des defekten Staubsaugers wissentlich abgestritten hatte?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht bestätigte, dass der Kunde wissentlich falsche Angaben zu einer wesentlichen Schadenstatsache machte. Die Versicherung ist deshalb nach ihren Bedingungen vollständig von der Leistungspflicht frei.
- Die Bedeutung: Versicherte verlieren ihren Anspruch auf Entschädigung komplett, wenn sie der Versicherung gegenüber falsche Angaben machen, um deren Entscheidung zu beeinflussen. Ein bloßer Täuschungsversuch reicht für die Leistungsfreiheit der Versicherung aus.
Der Fall vor Gericht
Warum wurde aus einem Brandschaden ein Rechtsstreit um die Wahrheit?
Ein Industriestaubsauger, der wochenlang schwieg, und ein Hausbesitzer, der auf seine Stille schwor. Nach einem Brand in seinem Gebäude forderte der Mann über 21.000 Euro von seiner Feuerversicherung. Er beteuerte, das Gerät sei definitiv nicht in Betrieb gewesen – weder er noch seine Nachbarn hätten je ein Geräusch gehört. Doch die Asche des Staubsaugers enthielt ein technisches Geheimnis, das seine Aussage pulverisieren und ihn den gesamten Versicherungsschutz kosten sollte.

Die Versicherung weigerte sich zu zahlen. Ihr Vorwurf war hart: Der Versicherungsnehmer habe versucht, sie arglistig zu täuschen. Eine solche versuchte Täuschung über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung wichtig sind, führt laut den Versicherungsbedingungen zur vollständigen Leistungsfreiheit der Versicherung (Abschnitt B § 16 Nr. 2 AFB 2010). Die Versicherung stützte ihren Verdacht auf ein von ihr beauftragtes Gutachten. Dieses kam zu einem klaren Ergebnis: Der Brand konnte technisch nur entstehen, weil der Staubsauger manuell in den Dauerbetrieb geschaltet war. Die Aussage des Hausbesitzers, das Gerät sei aus gewesen, stand im direkten Widerspruch zu dieser technischen Analyse. Der Fall ging vor Gericht. Der Hausbesitzer klagte auf sein Geld. Die Versicherung forderte die Abweisung der Klage.
Wieso zerbrach die Version des Hausbesitzers an technischen Fakten?
Das Landgericht Magdeburg wies die Klage des Mannes ab. Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt bestätigte diese Entscheidung in der Berufung. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Hausbesitzer bewusst falsche Angaben gemacht hatte. Ihre Überzeugung gründete auf einer Kette von Gutachten und prozessualen Weichenstellungen.
Der Dreh- und Angelpunkt war das Gutachten eines privaten Sachverständigen, den die Versicherung beauftragt hatte. Dieser Spezialist für Brandursachen in der Elektrotechnik untersuchte den Staubsauger kurz nach dem Feuer. Sein Befund: Ein Kurzschluss zwischen einer Aderleitung und dem metallischen Lüfterrad hatte den Brand ausgelöst. Eine solche Überhitzung konnte nach seiner Expertise nur bei einem manuell aktivierten Dauerbetrieb entstehen. Ein vom Gericht später bestellter Sachverständiger bestätigte indirekt diese Logik. Er führte aus, dass ein solcher Dauerbetrieb immer ein deutlich hörbares Geräusch erzeugt.
Der Hausbesitzer hatte im Ermittlungsverfahren und gegenüber der Versicherung immer wieder steif und fest behauptet, der Staubsauger sei nicht gelaufen. Vor Gericht präsentierte er Zeugen, die ebenfalls keine Geräusche gehört haben wollten. Diese Aussagen prallten an der technischen Realität ab. Die Gerichte folgten der Logik der Gutachter – eine Logik, die keine andere Erklärung als einen laufenden Staubsauger zuließ. Die Behauptungen des Mannes stuften die Richter als objektiv falsch ein.
Welche prozessualen Fehler besiegelten die Niederlage des Klägers?
Der Hausbesitzer machte im Verfahren mehrere Fehler, die seine Position schwächten. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Dieser wiederum nutzte die Erkenntnisse des Privatgutachters der Versicherung als sogenannte Anknüpfungstatsachen. Das ist prozessual erlaubt. Der Kläger hätte diesen Schritt angreifen können. Er hätte zum Beispiel beantragen können, dass das Gericht ein komplett neues, eigenständiges Gutachten zur Brandursache einholt. Das tat er nicht. Damit wurden die Feststellungen des ersten Gutachters zur Grundlage des weiteren Verfahrens.
Später, im Berufungsverfahren, brachte der Kläger eine neue Theorie ins Spiel: Ein Wackelkontakt könnte den Staubsauger kurzzeitig und unbemerkt eingeschaltet haben. Diesen Einwand wertete das Oberlandesgericht als verspätet. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind in der Berufung nur unter engen Voraussetzungen zulässig (§ 531 ZPO). Diese lagen hier nicht vor. Der Versuch, eine alternative Erklärung zu liefern, kam zu spät. Ein weiterer Punkt war die angebliche Forderung des Klägers nach einem neuen Gutachten in der ersten Instanz. Im Gerichtsprotokoll fand sich davon keine Spur. Prozessanträge müssen aber protokolliert werden, um gültig zu sein (§ 160 Abs. 2 ZPO). Ohne Protokoll existiert der Antrag für das Gericht nicht. Die physikalischen Überreste des Staubsaugers waren zudem längst vernichtet, was eine neue Untersuchung unmöglich machte.
Was genau bedeutet „arglistige Täuschung“ und wann macht sie einen Anspruch zunichte?
Das Gericht legte dar, was das Gesetz unter einer versuchten arglistigen Täuschung versteht. Es geht nicht darum, dass der Versicherte sich einen unrechtmäßigen Vorteil verschaffen will. Arglist liegt bereits dann vor, wenn jemand wissentlich falsche Angaben macht, um die Entscheidung des Versicherers zu beeinflussen. Es reicht der Wille, die Regulierung zu beschleunigen oder einen Verdacht von sich abzulenken.
Im vorliegenden Fall ging das Gericht davon aus, dass der Hausbesitzer genau das tat. Seine wiederholten und unumstößlichen Behauptungen, der Staubsauger sei aus gewesen, werteten die Richter als bewusste Falschaussage. Er wusste, dass die Frage nach dem Betrieb des Geräts für die Entschädigung von Bedeutung war. Indem er eine Tatsache behauptete, die den technischen Befunden widersprach, versuchte er, die Entscheidung der Versicherung zu seinen Gunsten zu lenken. Dieser Versuch genügte. Die Klausel zur Leistungsfreiheit bei arglistiger Täuschung griff vollständig. Der Hausbesitzer verlor seinen gesamten Anspruch auf die Versicherungssumme von über 21.000 Euro. Die Kosten beider Gerichtsverfahren muss er ebenfalls tragen.
Die Urteilslogik
Wissentlich falsche Angaben über die Brandursache vernichten den gesamten Versicherungsschutz und kosten den Versicherungsnehmer seinen Anspruch.
- Arglistige Täuschung führt zur Totalablehnung: Wer wissentlich falsche Angaben über Tatsachen macht, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung relevant sind, verwirkt seinen gesamten Leistungsanspruch gegenüber der Gebäude-Feuerversicherung.
- Der Vorsatz zur Beeinflussung begründet die Arglist: Eine versuchte arglistige Täuschung liegt bereits dann vor, wenn der Versicherungsnehmer die Absicht hat, durch die bewusste Falschaussage die Entscheidungsfindung des Versicherers positiv zu steuern oder zu beschleunigen.
- Technische Logik schlägt subjektive Zeugen: Sachverständigengutachten, die physikalische Abläufe oder Brandursachen schlüssig und widerspruchsfrei erklären, widerlegen subjektive Behauptungen des Versicherungsnehmers oder seiner Zeugen zuverlässig.
Der Fall verdeutlicht, dass die Wahrhaftigkeit des Versicherungsnehmers eine unverzichtbare Obliegenheit und die Grundlage für die Regulierung eines jeden Schadensfalls bildet.
Benötigen Sie Hilfe?
Wird Ihnen ebenfalls arglistige Täuschung in der Gebäudeversicherung vorgeworfen? Kontaktieren Sie uns für eine professionelle erste rechtliche Einschätzung Ihres Sachverhalts.
Experten Kommentar
Ein stiller Staubsauger, den niemand gehört hat, gegen die unerbittliche Logik der Physik – das war der wahre Konflikt. Das Urteil ist eine klare Ansage: Technische Gutachten zur Brandursache stehen in der Beweisführung über jeder menschlichen Zeugenaussage. Wer versucht, Fakten zu verdrehen, um die Regulierung zu beschleunigen, riskiert sofort die vollständige Leistungsfreiheit der Versicherung wegen arglistiger Täuschung. Für Betroffene ist die wichtigste Lektion, dass prozessuale Fehler fatal sind: Wer Gutachten nicht sofort angreift oder alternative Erklärungen zu spät liefert, verspielt den gesamten Anspruch.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet arglistige Täuschung und verliere ich meinen gesamten Versicherungsschutz?
Arglistige Täuschung liegt vor, wenn Sie wissentlich falsche Angaben machen, um die Entscheidung Ihres Versicherers zu beeinflussen – selbst wenn Sie nur die Abwicklung beschleunigen wollen. Hierbei ist die Absicht zur unrechtmäßigen Bereicherung nicht zwingend erforderlich; der Wille zur Beeinflussung der Regulierung genügt bereits. Die Konsequenz ist drastisch: Sie verlieren Ihren gesamten Versicherungsschutz für den betreffenden Schaden.
Die Regelung zur Leistungsfreiheit bei arglistiger Täuschung (oft in § 16 Nr. 2 der AFB 2010 verankert) soll verhindern, dass der Versicherer durch falsche Informationen über den Schadensgrund oder die Höhe getäuscht wird. Es reicht der Versuch der Täuschung, um die vollständige Leistungsfreiheit auszulösen. Selbst eine geringfügige Lüge, die helfen soll, einen unklaren Verdacht zu vermeiden, gilt als Täuschungswille, sobald sie bewusst getätigt wird.
Diese strenge Haltung führt dazu, dass Richter wiederholte Falschaussagen, die objektiven technischen Befunden widersprechen, als bewusste Lügen werten. Nehmen wir an, Sie behaupten, ein Gerät sei definitiv aus gewesen, aber technische Sachverständige beweisen, dass der Schaden nur im Dauerbetrieb entstehen konnte. Dann liegt Arglist vor. Die Folge ist die vollständige Leistungsfreiheit der Versicherung, was bedeutet, dass Sie den gesamten Schaden und alle Verfahrenskosten selbst tragen müssen.
Suchen Sie sofort die spezifische Klausel (z.B. AFB 2010) in Ihren Versicherungsbedingungen, die die Leistungsfreiheit bei arglistiger Täuschung regelt, um die genaue Definition Ihres Vertrages zu prüfen.
Wie beweist meine Versicherung eine arglistige Täuschung bei einem Sachschaden?
Die Versicherung stützt den Beweis der arglistigen Täuschung primär auf objektive technische Gutachten. Diese Analysen von Brandursachen-Spezialisten belegen die logische Kausalität des Schadens und die notwendigen Betriebsbedingungen. Gerichte folgen dieser technischen Logik, um festzustellen, dass eine subjektive Aussage des Versicherten (zum Beispiel, das Gerät sei ausgeschaltet gewesen) objektiv falsch sein muss.
Versicherer beauftragen private Sachverständige, oft Elektrotechnik-Spezialisten, um den exakten Entstehungsmechanismus des Schadens zu rekonstruieren. Diese Brandursachenanalyse ermittelt die notwendigen Betriebsbedingungen, die den Schaden verursacht haben. Konkret: Ein Kurzschluss durch Überhitzung beweist, dass das Gerät im manuellen Dauerbetrieb lief. Die Schlussfolgerung der Experten, dass der Brand nur unter diesen feststehenden Bedingungen entstehen konnte, entkräftet subjektive Aussagen automatisch.
Nehmen wir an, der Versicherte behauptet, der Staubsauger sei nicht in Betrieb gewesen, doch das Gutachten zeigt, dass der Brand nur durch einen manuell aktivierten Dauerbetrieb entstehen konnte. Die Gerichte stufen die Falschaussage als arglistige Täuschung ein. Sie sehen keine andere Erklärung, als dass der Versicherte wissentlich logischen Befunden widersprach. Alle entgegenstehenden Zeugenaussagen, beispielsweise über fehlende Geräusche, verlieren ihre Beweiskraft gegen diese feststehende technische Realität.
Wenn Ihre Versicherung ein Gutachten erstellt, fordern Sie sofort die vollständigen Befundberichte des technischen Sachverständigen zur detaillierten Entstehungsursache an.
Was muss ich bei der Anfechtung von Gutachten im Versicherungsstreit beachten?
Um eine Niederlage im Versicherungsstreit zu vermeiden, müssen Sie Gutachten der Gegenseite formal und frühzeitig angreifen. Das Privatgutachten der Versicherung kann sonst zur Grundlage des gesamten Gerichtsverfahrens werden. Reichen Sie deshalb sofort einen Antrag auf die Einholung eines eigenständigen gerichtlichen Gutachtens ein, welches die Brandursache neu und unabhängig bewertet.
Gerichtlich bestellte Sachverständige übernehmen Erkenntnisse privater Gutachter oft als sogenannte Anknüpfungstatsachen. Wenn Sie diesen Schritt nicht explizit durch den Antrag auf ein komplett neues Gutachten anfechten, etabliert sich die Argumentation der Gegenseite im Prozess. Entscheidend ist hierbei die korrekte Form: Alle prozessrelevanten Anträge müssen zwingend gemäß § 160 Abs. 2 ZPO protokolliert werden, damit sie überhaupt als gestellt gelten und juristisch existent sind.
Ein häufiger Fehler ist die verspätete Einführung neuer Argumente. Wenn Sie erst im Berufungsverfahren alternative Theorien, wie beispielsweise eine unbemerkte Brandentstehung durch einen Wackelkontakt, vorbringen, werden diese meist als verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel abgewiesen (§ 531 ZPO). Prozessuale Fristen sind streng und verzeihen keine Nachlässigkeiten. Falls die physischen Beweisstücke, wie etwa der Staubsauger, zwischenzeitlich vernichtet wurden, ist eine neue Untersuchung später unmöglich.
Überprüfen Sie jeden Antrags auf ein neues Gutachten sofort auf die korrekte Protokollierung und reichen Sie diesen vorsorglich auch schriftlich ein.
Was tun, wenn meine Versicherung die Leistung wegen Täuschung ablehnt?
Wenn Ihre Versicherung die Leistung ablehnt und Ihnen arglistige Täuschung vorwirft, stehen Sie vor einem ernsten juristischen Kampf. Lassen Sie diese Ablehnung umgehend von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht prüfen. Ihnen muss klar sein, dass Sie im folgenden Prozess die Beweispflicht dafür tragen, dass Ihre Angaben wahrheitsgemäß sind und den technischen Befunden standhalten. Eine Klage ohne fundierte Basis ist riskant.
Der Vorwurf der Täuschung stützt sich fast immer auf ein technisches Gutachten, das die Versicherung beauftragt hat. Dieses Dokument dient dem Versicherer als primärer Beweis für eine Kausalkette der Schadensursache, die Ihre Version ausschließt. Sie müssen dieses Gutachten sofort detailliert auf methodische oder technische Fehler analysieren lassen. Nur wenn Sie die technische Logik des Versicherers durchbrechen können, haben Sie eine realistische Chance auf Erfolg vor Gericht.
Bereiten Sie sich auf einen Zweifrontenkrieg vor, wenn Sie Klage einreichen. Sie klagen auf Entschädigung, während der Versicherer die Abweisung der Klage fordert und den Täuschungsvorwurf aufrechterhält. Ohne belastbare Gegenbeweise – beispielsweise ein eigenes forensisches Gegengutachten – kann die Klage scheitern. Im Falle einer Niederlage müssen Sie die gesamten Prozesskosten beider Instanzen tragen, was erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich zieht.
Beauftragen Sie sofort einen Fachanwalt, um die Ablehnung und das Gutachten auf juristische und technische Schwachstellen hin zu analysieren, bevor Sie Klage einreichen.
Wann gilt meine falsche Angabe als Betrugsversuch und wann nicht?
Ihre Angabe wird erst dann zum Betrugsversuch – oder juristisch gesprochen zur versuchten Arglist – wenn Sie wissentlich eine unwahre Tatsache behaupten, um die Entscheidungsfindung des Versicherers zu beeinflussen. Ein einfacher Fehler, eine Ungenauigkeit oder eine Erinnerungslücke, die aus Fahrlässigkeit entstehen, führen hingegen nicht zur Leistungsfreiheit. Die Gerichte ziehen eine klare Trennlinie zwischen dem ehrlichen Irrtum und der Täuschungsabsicht des Versicherten.
Versicherungen stufen eine Falschaussage als arglistig ein, wenn der Versicherte weiß, dass seine Angabe objektiv falsch ist. Arglist setzt voraus, dass Sie mit der unwahren Behauptung die Regulierung des Schadens steuern wollen, beispielsweise um den eigentlichen Grund des Schadens zu verschleiern. Die Absicht, sich einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, muss dabei nicht zwingend vorliegen. Es reicht der Wille, die Bearbeitung zu beschleunigen oder einen kritischen Verdacht von sich abzulenken.
Diese bewusste Täuschung wird oft anhand technischer Befunde nachgewiesen. Wenn beispielsweise Gutachter belegen, dass ein Brandschaden nur entstehen konnte, weil das Gerät manuell im Dauerbetrieb lief, Ihre Aussage aber steif und fest das Gegenteil behauptet, werten Richter dies als wissentliche Falschmeldung. Die bewusste Ignoranz dieser technischen Realitäten kann als vorsätzliche Täuschung ausgelegt werden, selbst wenn die primäre Motivation lediglich die Angst vor der Ablehnung war.
Dokumentieren Sie alle Details und Erinnerungen zum Vorfall umgehend und detailliert, um spätere Abweichungen, die als vorsätzliche Lüge interpretiert werden könnten, zu vermeiden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anknüpfungstatsachen
Anknüpfungstatsachen sind gesicherte Fakten oder Ergebnisse, die ein gerichtlich bestellter Sachverständiger aus einem bereits vorhandenen Privatgutachten übernimmt, um sie als Basis für seine eigene wissenschaftliche Beweisführung zu nutzen. Dieses prozessuale Vorgehen soll die Beweisaufnahme beschleunigen, indem etablierte, technisch fundierte Feststellungen nicht unnötig doppelt geprüft oder ermittelt werden müssen.
Beispiel: Die Richter erlaubten es dem gerichtlich bestellten Gutachter, die Analyse des privaten Spezialisten über den Kurzschluss als Anknüpfungstatsachen zu verwenden, da der Kläger diesen Schritt nicht explizit durch einen neuen Antrag angefochten hatte.
Arglistige Täuschung
Juristen nennen das Arglistige Täuschung, wenn ein Versicherungsnehmer bewusst und willentlich unwahre Angaben macht, um die Entscheidung des Versicherers über Grund oder Höhe einer Entschädigung zu beeinflussen. Das Gesetz schützt Versicherungsunternehmen davor, dass sie durch vorsätzliche Falschaussagen in ihrer Pflicht zur Schadensregulierung manipuliert werden.
Beispiel: Der Versicherungsnehmer verlor seinen gesamten Versicherungsschutz und Anspruch auf die 21.000 Euro, weil das Gericht seine wiederholten Behauptungen über den ausgeschalteten Staubsauger als versuchte arglistige Täuschung wertete.
Leistungsfreiheit
Leistungsfreiheit bedeutet im Versicherungsrecht, dass das Versicherungsunternehmen trotz eines eingetretenen Schadens rechtlich nicht dazu verpflichtet ist, die vertraglich zugesicherte Entschädigung an den Versicherten zu zahlen. Diese strenge Regelung greift, wenn der Versicherungsnehmer schwerwiegend gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt, zum Beispiel durch eine versuchte arglistige Täuschung.
Beispiel: Aufgrund des Vorwurfs der arglistigen Täuschung trat die Leistungsfreiheit gemäß § 16 Nr. 2 AFB 2010 ein, weshalb der Hausbesitzer keinen Anspruch auf die geforderten 21.000 Euro mehr hatte.
Protokollierung (Prozessanträge)
Die Protokollierung ist die zwingende schriftliche oder elektronische Erfassung aller wesentlichen Vorgänge und insbesondere aller gestellten Prozessanträge durch den Gerichtsschreiber während einer mündlichen Verhandlung (§ 160 Abs. 2 ZPO). Nur durch die exakte und vollständige Aufzeichnung im Gerichtsprotokoll erlangen mündlich gestellte Anträge wie der Wunsch nach einem neuen Gutachten überhaupt rechtliche Gültigkeit und Existenz.
Beispiel: Weil der Kläger seinen angeblichen Antrag auf Einholung eines neuen Gutachtens nicht gemäß § 160 Abs. 2 ZPO protokollieren ließ, konnte das Gericht diesen prozessual nicht berücksichtigen.
Verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel
Als Verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel bezeichnen Juristen neue Tatsachenbehauptungen oder Beweisanträge, die eine Partei erst in einer späteren Instanz, typischerweise im Berufungsverfahren, vorbringt, obwohl sie diese schon früher hätte darlegen können. Paragraf 531 ZPO begrenzt das Nachschieben neuer Argumente in der Berufung, um das Verfahren zu beschleunigen und die Prozessökonomie zu gewährleisten.
Beispiel: Das Oberlandesgericht wertete die im Berufungsverfahren vorgebrachte Theorie des Klägers über einen möglichen Wackelkontakt als verspätetes Angriffs- und Verteidigungsmittel und wies diese deshalb ab.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Urteil vom 16.05.2024
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