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Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung – Arbeitsfähigkeit

LG Landshut, Az.: 73 O 2197/18, Urteil vom 15.03.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 21.642,48 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung.

Der Kläger hatte gemeinsam mit seiner Ehefrau zunächst mit Vertrag vom 03.08.2007 ein bei der … AG & Co. KGaA einen Kredit über nominal 45.980,03 € aufgenommen, welcher sich aus der Nettokreditsumme und dem Versicherungsbeitrag zusammensetzt. Auf die Anlage K 3 wird Bezug genommen. Gleichzeitig schloss der Kläger mit der … Lebensversicherung AG, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen Versicherungsvertrag für Ratenkredite ab, welcher auch eine Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung umfasste. Bei einer Anfangsversicherungssumme von 69.583,00 € betrug die Höhe der versicherten monatlichen Rate 828,37 € bei einer Versicherungsdauer von 84 Monaten (= 7 Jahre). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den als Anlage K 4 vorgelegten Vertrag Bezug genommen.

Ab dem 07.07.2008 bestand beim Kläger Arbeitsunfähigkeit, wobei dieser zunächst bis 01.04.2009 aufgrund eines Leistenbruchs arbeitsunfähig war. Vor Abschluss dieses Zeitraumes erlitt der Kläger zwei Schlaganfälle, weshalb er seine Arbeitsfähigkeit auch zum 01.04.2009 nicht wiedererlangte.

I

Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung - Arbeitsfähigkeit
Symbolfoto: Elnur/Bigstock

m Zuge einer Umschuldung wurden der Kreditvertrag und der Versicherungsvertrag beendet, wobei der nicht verbrauchte Einmalbetrag aus dem Versicherungsvertrag dem Kreditkonto des Klägers gutgeschrieben wurde. Zugleich kam es zum Abschluss eines neuen Kreditvertrages über nominal 57.329,35 € (vgl. Anlage K 1) und zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages für Ratenkredite mit Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung (vgl. Anlage K 2). Dort betrug bei einer Anfangsversicherungssumme in Höhe von 80.000,– € die Höhe der versicherten Rate 952,38 € bei einer erneuten Versicherungsdauer von 84 Monaten.

Beide Versicherungsverträge sahen in § 2 der Versicherungsbedingungen vor, dass im Falle einer Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers die Beklagte nach einer Karenzzeit von drei Monaten zur Zahlung der vereinbarten Versicherungsraten verpflichtet ist.

Im Hinblick auf die unstreitig bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers hat die Beklagte an den Kläger zwischen Dezember 2008 und August 2014 Raten in Höhe von monatlich 828,37 €, also entsprechend dem Versicherungsvertrag vom 03.08.2007, zur Auszahlung gebracht.

Der Kläger trägt vor, dass er im Rahmen der Beratung im Vorfeld der am 12.09.2008 abgeschlossenen Verträge der beratenden Bankmitarbeiterin … ausdrücklich mitgeteilt habe, zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig zu sein. Durch diese sei ihm mitgeteilt worden, dass trotzdem der Versicherungsvertrag vom 12.09.2008 ausschlaggebend sei, weshalb die Beklagte zu einer Auszahlung in Höhe von 952,38 € monatlich verpflichtet gewesen wäre. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Altvertrag vom 03.08.2007 durch den Neuvertrag abgelöst wurde.

Mit der Klage begehrt der Kläger für den Zeitraum Dezember 2008 bis August 2014 die Zahlung der Differenz zwischen den beiden Raten sowie für den Zeitraum von September 2014 bis einschließlich November 2015 jeweils monatliche Raten in Höhe von 952,38 € gemäß Versicherungsvertrag vom 12.09.2008.

Er beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.642,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagte bestreitet, dass durch die Bankmitarbeiterin die seitens des Klägers dargestellte Aussage getroffen worden wäre. Selbst in diesem Fall wäre ein Beratungsfehler für den Kläger ohne Folgen geblieben, nachdem dieser Leistungen aus dem Versicherungsvertrag vom 03.08.2007 erhalten hat und somit nicht schlechter stehe als bei Nichtabschluss des Folgevertrages. Die Versicherung eines bereits eingetretenen Schadens sei bereits begrifflich nicht möglich. Vor diesem Hintergrund könne auch dahinstehen, ob die Bankmitarbeiterin die ihr klägerseits zugeschriebenen Äußerungen tatsächlich getätigt habe und wenn ja, ob diese als Leistungszusage der Beklagten zu werten seien. In letzterem Fall würde diese Zusage nämlich zu Lasten des Versicherungskollektivs gehen und wäre daher sittenwidrig (§ 138 BGB). Des Weiteren erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen sowie den restlichen Akteninhalt.

Eine mündliche Verhandlung hat am 18.02.2019 stattgefunden. Eine Beweisaufnahme ist nicht erfolgt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche aus der Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung aus dem Versicherungsvertrag vom 12.09.2008, vielmehr standen ihm Ansprüche lediglich im Umfang des am 03.08.2007 geschlossenen Vertrages zu. Entsprechende Zahlungen hat die Beklagte jedoch vom vertraglich festgelegten Zeitpunkt (Dezember 2008) bis zum Ende der Versicherungsdauer im August 2014 (vgl. § 2 Abs. 5 der Versicherungsbedingungen) unstreitig geleistet.

Auf den Versicherungsvertrag vom 12.09.2008 kann der Kläger seinen Anspruch dagegen nicht stützen. Denn dem steht – worauf die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 23.01.2019 zutreffend hingewiesen hat – der Einwand der Vorvertraglichkeit entgegen. Zwar wurde der Vertrag vom 03.08.2007 durch den Neuabschluss vom 12.09.2008 aufgehoben. Allerdings entsprach es dem für die Beklagte erkennbaren berechtigten Interesse des Klägers, ihm Ansprüche wegen eingetretener Arbeitsunfähigkeit aus dem Vertrag vom 03.08.2007 im Umfang des aufgelösten Vertrages zu erhalten mit der Folge, dass die Beklagte für diejenigen Versicherungsfälle nach Maßgabe des ursprünglichen Vertrages einzustehen hat, welche vor dem 12.09.2008 eingetreten sind, gleichzeitig aber eine Einstandspflicht aus dem Vertrag vom 12.09.2008 (und für dessen Dauer) nur bei Vorliegen eines nach diesem Zeitpunkt eingetretenen neuen Versicherungsfalles (Arbeitsunfähigkeit) in Betracht kommt (OLG Hamm, VersR 2007, 1271).

Die ihr obliegenden Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag vom 03.08.2007 hat die Beklagte jedoch erfüllt (s.o.). Entgegen der Ansicht des Klägers ist in den vor dem 01.04.2009 erlittenen Schlaganfällen auch kein erneute Versicherungsfall zu sehen, hinsichtlich derer möglicherweise Ansprüche aus dem „neuen“ Versicherungsvertrag bestehen würden. Denn unstreitig hatte der Kläger im Zeitraum nach dem 12.09.2008 seine Arbeitsfähigkeit zu keinem Zeitpunkt wiedererlangt. Es liegt damit eine einheitliche Arbeitsunfähigkeit vor. Die Arbeitsunfähigkeit verstärkende oder weiterhin begründende zusätzliche Erkrankungen begründen keine erneute „Arbeitsunfähigkeit“ im Sinne von § 3 der dem Vertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen.

Auch der von Seiten der Beklagten bestrittene Vortrag des Klägers, er habe die Bankmitarbeiterin … auf seine bereits bestehende Arbeitsunfähigkeit hingewiesen, worauf diese ihm bestätigt habe, dass Zahlungen aus dem neuen Versicherungsvertrag vom 12.09.2008 erfolgen würden, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Denn diesbezüglich ist auch bei Annahme des Vortrages des Klägers auszuführen, dass eine entsprechende, von § 2 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen abweichende, Vereinbarung nichtig wäre und der Kläger hieraus keine Rechte herleiten könnte, weshalb eine Einvernahme der als Zeugin angebotenen Ehefrau des Klägers nicht zu erfolgen hatte. Denn wissen sowohl Versicherungsnehmer als auch Versicherer bereits bei Antragstellung, dass der Versicherungsfall eingetreten ist und eine Leistungspflicht des Versicherers nicht nur in Betracht kommt, sondern bereits entstanden ist, so stellt die vereinbarte Rückwärtsversicherung ein willkürliches persönliches Geschenk dar, die um der Versicherungsgemeinschaft willen, nach § 138 BGB nichtig ist (OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.).

2. Auch die Argumentation des Klägers, dass die Versicherung vom 12.09.2008 für ihn keinen Sinn gemacht habe und daher ein Beratungsverschulden der Mitarbeiterin der Bank, Frau …, vorlag, verfängt nicht (wobei ein entsprechender Schadensersatzanspruch lediglich zum Ersatz des negativen Interesses führen würde). Denn dass bereits bei Vertragsschluss am 12.09.2008 die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und der Eintritt neuer Versicherungsfälle gänzlich ausgeschlossen war, trägt der Kläger selbst nicht vor. Vielmehr trägt er vor, damals noch davon ausgegangen zu sein, dass die Arbeitsunfähigkeit zum 01.04.2009 enden würde.

Die Frage, ob der „neue“ Versicherungsvertrag – den Vortrag des Klägers zum Inhalt des Gesprächs mit der Bankmitarbeiterin als wahr unterstellt – zumindest für den Zeitraum bis 01.04.2009 sinnlos war und der Kläger deshalb einen Anspruch auf anteilige Rückerstattung des gezahlten Einmalbetrages aufgrund Beratungsverschuldens hat, kann vorliegend dahinstehen, da ein entsprechender Schadensersatzanspruch verjährt wäre. Der Kläger wusste bereits seit Beginn der Zahlungen der Versicherungsraten im Dezember 2008, dass die Beklagte hier lediglich von einer ihr obliegenden Zahlungsverpflichtung aus dem Versicherungsvertrag vom 03.08.2007 ausging. Ein Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB, gerichtet auf (teilweise) Rückzahlung des Einmalbetrages für die Kreditversicherung, wäre daher verjährt (§ 195 BGB), nachdem der Kläger spätestens nach Fortzahlung der Versicherungsraten aus dem Vertrag vom 03.08.2007 über den 01.04.2009 hinaus die den aus seiner Sicht den Anspruch begründenden Umständen ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

3. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 2 ZPO.

5. Der Streitwert gemäß §§ 3 ff. ZPO festzusetzen.

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