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Arbeitsunfähigkeitsversicherung: Unterschiede Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit

Gesundheitliche Schicksalsschläge können die finanzielle Sicherheit bedrohen, doch oft werden Arbeits- und Berufsunfähigkeit verwechselt. Die Konsequenzen sind gravierend, denn falsche Annahmen können zu empfindlichen Versorgungslücken führen. Wer sich nicht rechtzeitig mit den gesetzlichen und vertraglichen Feinheiten auseinandersetzt, riskiert, im Ernstfall ohne ausreichende Absicherung dazustehen. Es gilt, die Unterschiede und rechtlichen Grundlagen genau zu kennen, um die richtigen Entscheidungen für die eigene Zukunft zu treffen.

Übersicht

Mann prüft die Optionen einer Arbeisunfähikeitsversicherung bzw. Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel
Symbolbild: KI generiertes Bild

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Arbeitsunfähigkeit ist vorübergehend, Berufsunfähigkeit dauerhaft.
  • Arbeitsunfähigkeit führt zu Krankentagegeld (ca. 70 % des Einkommens).
  • Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente sichert meist nicht ausreichend ab.
  • Private BU-Versicherung zahlt eine monatliche Rente bei mind. 50 % Einschränkung des zuletzt ausgeübten Berufs.
  • Die AU-Klausel ermöglicht eine schnellere Auszahlung bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit.
  • Sorgfältige Dokumentation und fristgerechte Einreichung aller Unterlagen sind entscheidend.
  • BU-Versicherung basiert auf dem VVG, Erwerbsminderungsrente auf dem SGB VI.
  • Bei Ablehnung der BU-Leistung können Widerspruch oder rechtliche Schritte erfolgen.

Arbeitsunfähigkeit vs. Berufsunfähigkeit: Der zentrale Unterschied für Ihre Absicherung

Der fundamentale Unterschied zwischen Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit liegt in der zeitlichen Dimension: Während Arbeitsunfähigkeit eine vorübergehende Einschränkung bezeichnet, die meist nach Wochen oder Monaten endet, beschreibt Berufsunfähigkeit eine langfristige oder dauerhafte Einschränkung. Diese Unterscheidung ist entscheidend für Ihre finanzielle Absicherung im Krankheitsfall. Beide Konzepte werden sowohl medizinisch als auch versicherungsrechtlich unterschiedlich bewertet und führen zu verschiedenen Leistungsansprüchen. Das richtige Verständnis dieser Unterschiede bildet die Weichenstellung für eine lückenlose finanzielle Vorsorge und verhindert böse Überraschungen im Ernstfall.

Arbeitsunfähigkeit: Das kurzfristige Krankentagegeld im Fokus

Was bedeutet Arbeitsunfähigkeit?

Arbeitsunfähigkeit bezeichnet die vorübergehende Unfähigkeit, die vertraglich vereinbarte berufliche Tätigkeit aufgrund von Krankheit oder Unfall auszuüben oder wenn die Ausübung der Tätigkeit die Gefahr der Verschlimmerung der Krankheit mit sich bringen würde. Entscheidend ist hierbei das Merkmal „vorübergehend“ – es besteht eine begründete Aussicht auf Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Für die Feststellung reicht bereits das Risiko einer Verschlechterung des Gesundheitszustands durch die Fortsetzung der Arbeit aus. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustands, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit gesundheitliche Probleme entstehen würden, die unmittelbar eine Arbeitsunfähigkeit hervorrufen können.

Gesetzliche Regelungen

Bei Arbeitsunfähigkeit greift zunächst das Entgeltfortzahlungsgesetz: Arbeitgeber müssen für bis zu sechs Wochen das volle Gehalt weiterzahlen. Danach übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung mit dem Krankengeld, das in der Regel 70 Prozent des Bruttogehalts beträgt, jedoch 90 Prozent des Nettogehalts nicht überschreiten darf. Die Arbeitsunfähigkeit muss spätestens am vierten Kalendertag durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden, wobei Arbeitgeber diese auch früher verlangen können.

Das Krankentagegeld

Das gesetzliche Krankengeld beträgt etwa 70% des regelmäßigen Bruttoeinkommens, maximal jedoch 90% des Nettoeinkommens, mit einem Höchstsatz von 128,63 Euro täglich (Stand 2025). Es wird für dieselbe Erkrankung für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren gezahlt. Für Selbstständige, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, entfällt dieser Schutz – hier ist eine private Krankentagegeldversicherung unverzichtbar.

Praktische Relevanz

Stellen Sie sich vor: Eine Büroangestellte erleidet einen Skiunfall mit Beinbruch. Nach sechs Wochen Lohnfortzahlung erhält sie Krankengeld – monatlich fehlen ihr dadurch etwa 25-30% ihres gewohnten Einkommens. Gerade bei länger andauernden Erkrankungen kann diese finanzielle Lücke erheblich sein und das Haushaltsbudget empfindlich belasten.

Berufsunfähigkeit: Die langfristige Rentenleistung verstehen

Was bedeutet Berufsunfähigkeit?

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person aufgrund von Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall voraussichtlich auf Dauer nicht mehr in der Lage ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Nach § 172 Abs. 2 VVG bedeutet dies, dass die versicherte Person ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, ganz oder teilweise nicht mehr ausüben kann. In den meisten Versicherungsbedingungen wird eine Berufsunfähigkeit angenommen, wenn die Leistungsfähigkeit um mindestens 50 Prozent eingeschränkt ist und dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird.

Gesetzliche Definition und Leistungen

Die gesetzliche Definition nach § 240 II SGB VI besagt: Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Die gesetzliche Rentenversicherung bietet hier nur eingeschränkte Leistungen – und das auch nur für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden. Für jüngere Jahrgänge gibt es lediglich eine Erwerbsminderungsrente mit deutlich höheren Hürden.

Die private Berufsunfähigkeitsversicherung als Lösung

Aufgrund der begrenzten gesetzlichen Absicherung ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung heute unverzichtbar. Sie zahlt eine monatliche Rente, wenn der Versicherte seinen aktuellen Beruf zu mindestens 50% nicht mehr ausüben kann. Die Berufsunfähigkeit muss dabei voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen. Anders als bei der Arbeitsunfähigkeit steht hier die langfristige finanzielle Absicherung im Fokus.

Berufsspezifische Beurteilung

Ein Handwerker mit chronischen Rückenproblemen kann seinen Beruf möglicherweise dauerhaft nicht mehr ausüben – während er nach einer akuten Rückenverletzung vielleicht nur vorübergehend arbeitsunfähig wäre. Die Berufsunfähigkeitsversicherung berücksichtigt dabei die spezifischen Anforderungen des zuletzt ausgeübten Berufs, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht die allgemeine Arbeitsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt.

Zentraler Unterschied zur Arbeitsunfähigkeit

Der wichtigste Unterschied: Während Arbeitsunfähigkeit auf eine vorübergehende Erkrankung mit Krankentagegeld als Einkommensersatz abzielt, sichert die Berufsunfähigkeitsversicherung langfristige gesundheitliche Einschränkungen durch eine dauerhafte Rentenleistung ab. Sie schützt damit vor den finanziellen Folgen, wenn der eigene Beruf voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausgeübt werden kann.

Gesetzliche und vertragliche Grundlagen der Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Berufsunfähigkeitsversicherung basiert auf dem privaten Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere auf § 172 VVG, der die Definition der Berufsunfähigkeit und die Leistungspflicht des Versicherers regelt . Das Sozialgesetzbuch (SGB) hingegen definiert nicht die Berufsunfähigkeit für private Versicherungen, sondern regelt die staatliche Absicherung bei Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI. Der frühere rentenrechtliche Begriff der „Berufsunfähigkeit“ im SGB VI (§ 240 Abs. 2) wurde durch das Erwerbsminderungsreformgesetz vom 20.12.2000 durch den Begriff der teilweisen/vollen Erwerbsminderung ersetzt. Beide Rechtssysteme sind unterschiedlich und nicht direkt vergleichbar, da sie verschiedene Voraussetzungen und Leistungsansprüche definieren.

Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Ihre Rechte und Pflichten im Vertrag

Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bildet die gesetzliche Grundlage für private Berufsunfähigkeitsversicherungen in Deutschland. Es regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern und schafft einen verbindlichen Rahmen für den Versicherungsschutz.

Definition der Berufsunfähigkeit nach dem Gesetz

Das VVG definiert in § 172 Abs. 2 den Begriff der Berufsunfähigkeit: Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Entscheidend ist der Bezug zum „zuletzt ausgeübten Beruf“ sowie die „voraussichtlich dauerhafte“ Einschränkung. Der altersbedingte Kräfteverfall ist von dieser Definition nicht ausgenommen.

Leistungspflichten des Versicherers

Die Hauptleistungspflicht des Versicherers besteht in der Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente (§ 172 Abs. 1 VVG). Die genaue Höhe, Dauer und weitere Modalitäten werden in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) festgelegt. Zusätzlich befreit der Versicherer in der Regel den Versicherungsnehmer von der Beitragszahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung, längstens für die vereinbarte Leistungsdauer.

Verweisungsrecht als möglicher Fallstrick

Ein wichtiger Aspekt in den AVB ist das Verweisungsrecht des Versicherers:

  • Konkrete Verweisung: Der Versicherer prüft, ob der Versicherte tatsächlich einen anderen Beruf ausübt, der seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht
  • Abstrakte Verweisung: Der Versicherer kann auf einen anderen, zumutbaren Beruf verweisen, auch wenn dieser nicht ausgeübt wird, sofern dieser der Ausbildung, den Kenntnissen und Fähigkeiten sowie der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht

Wesentliche Rechte und Pflichten

Für Versicherungsnehmer bestehen wichtige Pflichten wie:

  • Vorvertragliche Anzeigepflicht: Wahrheitsgemäße Angaben zu Gesundheitszustand und Risiken
  • Mitwirkungspflichten im Leistungsfall: Bereitstellung aller relevanten Unterlagen
  • Anzeigepflicht bei Schadenseintritt: Unverzügliche Meldung des Versicherungsfalls
  • Dokumentationspflicht: Dokumentation des Schadens (z.B. durch Fotos)

Dem gegenüber stehen Rechte wie der Anspruch auf vertragsgemäße Leistung im Versicherungsfall, das Recht auf Information über Vertragsbedingungen, das Recht auf Änderung des Vertrags und das Recht auf Kündigung.

Im Kontext von Arbeits- und Berufsunfähigkeit ist zu beachten: Arbeitsunfähigkeit bezeichnet einen vorübergehenden Zustand, während Berufsunfähigkeit einen voraussichtlich dauerhaften Zustand beschreibt, bei dem der Beruf nur noch zu weniger als 50 Prozent ausgeübt werden kann.

Praxistipps

  • Prüfen Sie die AVB vor Vertragsabschluss gründlich, besonders die Verweisungsklauseln
  • Nehmen Sie die Anzeigepflichten ernst – falsche Angaben können zum Verlust des Versicherungsschutzes führen
  • Suchen Sie im Leistungsfall professionelle Unterstützung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht

Sozialgesetzbuch (SGB): Die Erwerbsminderungsrente als staatliche Absicherung

Das Sozialgesetzbuch VI regelt die gesetzliche Rentenversicherung und damit auch die Erwerbsminderungsrente, die eine staatliche Absicherung bei Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bietet. Diese staatliche Leistung folgt anderen Grundsätzen als die private Berufsunfähigkeitsversicherung.

Arten der Erwerbsminderungsrente

Die gesetzliche Rentenversicherung unterscheidet zwei Formen:

  • Volle Erwerbsminderungsrente: Bei einem Restleistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich
  • Teilweise Erwerbsminderungsrente: Bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich

Die Höhe der Leistung hängt von den bisher erworbenen Rentenansprüchen ab und beträgt bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente etwa die Hälfte der vollen Rente.

Anspruchsvoraussetzungen

Um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Erfüllung der Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszahlungen
  • Nachweis von mindestens 36 Monaten Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
  • Medizinischer Nachweis der verminderten Erwerbsfähigkeit

Entscheidend ist dabei das Restleistungsvermögen bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – nicht auf den bisher ausgeübten Beruf. Dies stellt jedoch keine Verschärfung seit der Reform von 2001 dar, da die Erwerbsminderungsrente als Nachfolger der Erwerbsunfähigkeitsrente bereits seit ihrer Einführung auf das Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abstellt.

Unterschiede zur privaten Berufsunfähigkeitsversicherung

Im Gegensatz zur privaten Berufsunfähigkeitsversicherung beurteilt die gesetzliche Erwerbsminderungsrente nicht die Fähigkeit, den erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Stattdessen wird geprüft, ob noch irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt werden kann.

Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente liegt deutlich unter dem Niveau, das für die Erhaltung des Lebensstandards nötig wäre. 2023 betrug die durchschnittliche volle Erwerbsminderungsrente etwa 1.059 Euro monatlich – ein Betrag, der in den meisten Fällen nicht ausreicht.

Staatliche Rente als Basisabsicherung

Die Erwerbsminderungsrente sollte als Basisabsicherung verstanden werden, die allein meist nicht ausreicht. Sie bildet ein Sicherheitsnetz mit relativ großen Maschen. Die private Berufsunfähigkeitsversicherung ergänzt diese staatliche Leistung sinnvoll, da sie sich am bisherigen Beruf orientiert und in der Regel höhere Leistungen bietet.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung: Leistungen und Leistungsvoraussetzungen im Detail

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bietet finanzielle Sicherheit, wenn Sie Ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen langfristig nicht mehr ausüben können. Entscheidend für Ihren Leistungsanspruch sind vor allem der Grad der Berufsunfähigkeit und die konkrete Betrachtung Ihres zuletzt ausgeübten Berufs.

Wann zahlt die BU-Versicherung? Der Grad der Berufsunfähigkeit

Definition Berufsunfähigkeit und 50%-Grenze

Wann gelten Sie als berufsunfähig im Sinne der Versicherung? Die Antwort liefert § 172 Abs. 2 VVG: Sie müssen Ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben können. Berufsunfähig sind Sie, wenn Ihre Berufsfähigkeit um mehr als 50 Prozent herabgesetzt ist. Entscheidend ist dabei die Unfähigkeit, den eigenen konkreten Beruf auszuüben – nicht irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Ein Beispiel: Ein Lehrer mit einer schweren Stimmbanderkrankung, der nur noch halbtags unterrichten kann, erfüllt bereits die 50%-Grenze und hat grundsätzlich Anspruch auf BU-Leistungen.

Prognosezeitraum und Dauer der Beeinträchtigung

Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss von gewisser Dauer sein. Versicherer wie die LV 1871 fordern typischerweise, dass die Berufsunfähigkeit voraussichtlich mindestens sechs Monate bestehen wird. Dieser Prognosezeitraum ist wichtig, um kurzfristige Arbeitsunfähigkeit (wie bei einem unkomplizierten Beinbruch) von langfristiger Berufsunfähigkeit abzugrenzen. In den Versicherungsbedingungen findet sich häufig die Formulierung einer „voraussichtlich dauerhaften“ Beeinträchtigung, wobei bei Berufsunfähigkeit von einer längerfristigen Perspektive ausgegangen wird, während bei einer privaten Unfallversicherung eine Beeinträchtigung in der Regel als dauerhaft gilt, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustands nicht zu erwarten ist.

Medizinische Begutachtung und Nachweispflicht

Der Nachweis der Berufsunfähigkeit erfolgt durch medizinische Begutachtung. Als Versicherter müssen Sie Ihre Berufsunfähigkeit durch ärztliche Atteste und Gutachten belegen – die Nachweispflicht liegt bei Ihnen. Im Leistungsfall werden sowohl Gutachten Ihrer behandelnden Ärzte als auch Expertisen von Gutachtern, die der Versicherer beauftragt, herangezogen. Das ärztliche Gutachten spielt im Versicherungsvertragsrecht eine zentrale Rolle und ist oft der entscheidende Faktor bei der Beurteilung Ihres Leistungsanspruchs.

Der zuletzt ausgeübte Beruf: Maßstab für Ihre BU-Leistungen

Maßstab „zuletzt ausgeübter Beruf“

Anders als bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente bewertet die private BU-Versicherung nicht Ihre allgemeine Arbeitsfähigkeit, sondern Ihre Fähigkeit, den konkreten zuletzt ausgeübten Beruf fortzuführen. Dieser Unterschied zeigt sich deutlich an Beispielen: Ein Handwerker mit schwerwiegenden Rückenproblemen kann seinen Beruf möglicherweise nicht mehr ausüben und erhält BU-Leistungen. Ein Büroangestellter mit identischen Rückenproblemen könnte dagegen weiterhin arbeitsfähig sein und hätte keinen Anspruch. Obwohl beide die gleiche gesundheitliche Einschränkung haben, führt die Berufsunfähigkeitsversicherung zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Konkrete Ausgestaltung des Berufs

Nicht nur die Berufsbezeichnung ist ausschlaggebend, sondern die konkrete Ausgestaltung Ihrer Tätigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit. Welche Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Arbeitsbedingungen prägten Ihren Berufsalltag? Dies kann zu Streitigkeiten führen, wenn sich Ihr Berufsbild im Laufe der Zeit verändert hat. Besonders bei Selbständigen mit wechselnden Tätigkeitsfeldern oder bei Angestellten mit sich ändernden Aufgabenprofilen ist oft unklar, welcher Beruf tatsächlich „zuletzt ausgeübt“ wurde – ein häufiger Streitpunkt bei der Leistungsprüfung.

Vorteil der BU gegenüber staatlicher Absicherung

Der große Vorteil der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung liegt in ihrer individualisierten Betrachtungsweise. Während die staatliche Erwerbsminderungsrente Sie auf jede mögliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes verweist, stellt die BU-Versicherung Ihre persönliche berufliche Situation in den Mittelpunkt. Dies bietet einen deutlich besseren Schutz vor sozialem Abstieg, da Sie nicht gezwungen sind, jedwede Tätigkeit anzunehmen, sondern Ihren Lebensstandard trotz Berufsunfähigkeit weitgehend halten können.

Die Arbeitsunfähigkeitsklausel in der BU-Versicherung: Zusätzlicher Schutz oder Kostenfalle?

Die Arbeitsunfähigkeitsklausel (AU-Klausel) in Berufsunfähigkeitsversicherungen hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Während einige sie als wertvolle Ergänzung zum Versicherungsschutz betrachten, sehen andere darin vor allem einen teuren Zusatz mit begrenztem Nutzen. Die Frage, ob diese Klausel tatsächlich eine sinnvolle Absicherung darstellt oder eher eine Kostenfalle ist, wird unter Experten kontrovers diskutiert. Die folgenden Ausführungen beleuchten sowohl die Vorzüge als auch die Schwachstellen dieser Versicherungsoption und geben Aufschluss über die relevanten Bedingungen.

Vorteile und Nachteile der AU-Klausel: Was sie wirklich leistet

Was bietet die AU-Klausel tatsächlich an Leistungen, und unter welchen Umständen lohnt sich dieser Zusatz zur klassischen Berufsunfähigkeitsversicherung?

Vorteile der AU-Klausel

Der Hauptvorteil einer AU-Klausel liegt in der schnelleren Leistungsauszahlung im Versicherungsfall. Während bei der klassischen BU-Versicherung oft langwierige Prüfverfahren erforderlich sind, um den Grad der Berufsunfähigkeit festzustellen, greift die AU-Klausel bereits bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit. Besonders bei Krankheitsbildern mit komplizierten oder langwierigen Diagnoseprozessen, wie psychischen Erkrankungen, kann diese vorläufige Rente einen entscheidenden finanziellen Unterschied bedeuten. Der Versicherte erhält Zahlungen, ohne den oft komplexen Nachweis der Berufsunfähigkeit sofort erbringen zu müssen.

Für Selbstständige bietet die AU-Klausel eine besonders wichtige Absicherung. Anders als Angestellte haben sie keinen gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld und stehen bei längerer Arbeitsunfähigkeit schnell vor existenziellen finanziellen Herausforderungen. Die AU-Klausel schließt diese Versorgungslücke effektiv. Allerdings greift die AU-Klausel in der Regel erst nach einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit von mindestens sechs Monaten, was bedeutet, dass Selbstständige für diesen Zeitraum anderweitig vorsorgen müssen.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die praktische Relevanz liefert ein Fall der Nürnberger Versicherung, bei dem einem Versicherten 13.000 Euro ausgezahlt wurden. Dieser Fall betraf eine Kundin, die Mitte 2023 die Diagnose Brustkrebs erhielt und nach Einreichung eines Leistungsantrags auf AU bei der Nürnberger innerhalb von etwa drei Wochen eine Anerkennung erhielt. Dieser Präzedenzfall zeigt, dass die beschleunigte Auszahlung ohne eine vollständige BU-Prüfung erfolgen kann und somit in finanziellen Notlagen schnell Abhilfe schafft.

Nachteile der AU-Klausel

Trotz der offensichtlichen Vorteile muss die AU-Klausel kritisch betrachtet werden. Die Kosten-Nutzen-Relation steht häufig in der Kritik: Für den Zusatzbaustein fallen Prämienaufschläge von 6 bis 15 Prozent an. Besonders für Angestellte mit Anspruch auf Krankengeld relativiert sich der finanzielle Nutzen, da die AU-Rente auf das gesetzliche Krankengeld angerechnet wird. Es kommt also nicht zu einer vollständigen Doppelzahlung, sondern lediglich zu einer Aufstockung bis zur vereinbarten Versicherungssumme.

Ein weiterer wesentlicher Nachteil liegt in der begrenzten Leistungsdauer. Während die eigentliche BU-Rente bis zum vereinbarten Endalter oder lebenslang gezahlt werden kann, ist die Leistung aus der AU-Klausel typischerweise auf 18 bis 36 Monate begrenzt. Sie stellt somit nur eine temporäre Lösung dar und keinen dauerhaften Einkommensersatz.

Problematisch ist zudem der Konflikt mit dem Sozialrecht. Die Definition von Arbeitsunfähigkeit im Sozialrecht (vorübergehend, maximal 6 Monate) stimmt nicht mit den Anforderungen der AU-Klausel (längerfristige Prognosen) überein. Diese fehlende Synchronisation kann zu widersprüchlichen Gutachten führen und im schlimmsten Fall die Leistungsauszahlung gefährden.

Wann greift die AU-Klausel? Bedingungen und Einschränkungen verstehen

Unter welchen konkreten Bedingungen greift die AU-Klausel, und welche Einschränkungen müssen Versicherte beachten? Das Verständnis der genauen Versicherungsbedingungen ist entscheidend, um im Ernstfall nicht vor unerwarteten Hürden zu stehen.

Bedingungen für die Leistungsauslösung

Die Arbeitsunfähigkeit als zentraler Auslöser wird im Kontext der AU-Klausel durch ein ärztliches Attest nachgewiesen und bezeichnet die vorübergehende Unfähigkeit zur Ausübung des bisherigen Berufs. Im Gegensatz zur Berufsunfähigkeit ist sie zeitlich begrenzt und erstreckt sich typischerweise über Wochen oder Monate.

Entscheidend ist die Dauer der Arbeitsunfähigkeit: In den meisten Verträgen muss diese mindestens sechs Monate ununterbrochen bestehen oder prognostiziert sein, bevor die Versicherung leistet. Das ärztliche Attest als Nachweis muss diese zeitliche Komponente ausdrücklich bestätigen.

Einige Versicherungen haben zudem Wartezeiten in ihren Bedingungen verankert. Bei einer Wartezeit von beispielsweise sechs Wochen beginnt die Leistung erst sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, selbst wenn alle anderen Kriterien erfüllt sind. Gute Versicherungen zahlen bereits ab dem 43. Tag der Krankschreibung, also nach sechs Wochen.

Nicht zu vergessen ist die formale Antragstellung beim Versicherer, die oft spezifische Unterlagen und Nachweise erfordert. Die rechtzeitige und vollständige Einreichung aller Dokumente ist für eine zügige Bearbeitung unerlässlich. Die AU-Leistung sollte von der Versicherung unabhängig vom Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsrente gezahlt werden.

Einschränkungen und Ausschlüsse

Die bereits erwähnte begrenzte Leistungsdauer von 18 bis 36 Monaten stellt eine wesentliche Einschränkung dar, insbesondere im Vergleich zur möglichen lebenslangen BU-Rente. Dies unterstreicht den Charakter der AU-Klausel als Überbrückungslösung.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Gesundheitszustand bei Vertragsabschluss. Vorerkrankungen oder bekannte Gesundheitsrisiken können zu Leistungsausschlüssen führen, selbst wenn die Grundversicherung diese Risiken abdeckt. Die Gesundheitsprüfung kann für die AU-Klausel separate oder strengere Kriterien ansetzen.

In den Versicherungsbedingungen finden sich häufig spezifische Ausschlüsse für bestimmte Krankheitsbilder. Ironischerweise können in manchen Verträgen gerade psychische Erkrankungen ausgeschlossen oder eingeschränkt sein, obwohl die AU-Klausel insbesondere bei diesen Erkrankungen Vorteile bieten kann – beispielsweise bei längeren Krankschreibungen aufgrund psychischer Belastungen, die zu den häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit zählen. Daher ist eine genaue Prüfung der individuellen Vertragsbedingungen unerlässlich.

Versicherte sollten sich die Bedingungen vom Versicherer oder Vermittler detailliert erklären lassen und bei Unklarheiten gezielt nachfragen. Was auf den ersten Blick als umfassender Schutz erscheint, kann durch die Summe der Einschränkungen deutlich an Wert verlieren.

Der Leistungsantrag bei Berufsunfähigkeit: So sichern Sie Ihren Anspruch

Der Weg vom Eintritt einer Berufsunfähigkeit bis zur Anerkennung durch die Versicherung ist komplex und mit Hürden versehen. Untersuchungen zeigen, dass etwa 79% der eingereichten Anträge bewilligt werden, jedoch viele durch unvollständige Unterlagen verzögert oder abgelehnt werden. Um Ihren berechtigten Anspruch zu sichern, ist ein präzises und strukturiertes Vorgehen unerlässlich. Eine sorgfältige Dokumentation Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf Ihre berufliche Tätigkeit bildet das Fundament für einen erfolgreichen Leistungsantrag. Im Folgenden erfahren Sie, welche Schritte Sie unternehmen müssen und welche Fallstricke Sie vermeiden sollten.

Von der Anzeige bis zur Anerkennung: Der Weg zum BU-Gutachten

Initialphase: Antragstellung und Dokumentation

Der Leistungsantrag beginnt formell mit der Anzeige des Versicherungsfalls bei Ihrer Versicherung. Diese erfordert eine umfassende Offenlegung Ihrer gesundheitlichen und beruflichen Situation. Das ärztliche Attest ist dabei das Kernstück: Es dokumentiert Diagnose, Prognose und den Grad Ihrer Beeinträchtigung.

Ein häufiger Fallstrick liegt in der ungenauen Beschreibung der beruflichen Tätigkeit. Es reicht nicht aus, allgemein auf Ihre Berufsbezeichnung zu verweisen. Vielmehr müssen Sie konkret darlegen, welche Teiltätigkeiten Sie nicht mehr ausführen können und eine minutiöse Aufstellung des beruflichen Tagesablaufes mit allen gewöhnlichen Tätigkeiten erstellen.

Beispiel: Ein Architekt mit schwerem Rückenleiden kann möglicherweise noch Entwürfe am Computer erstellen, ist aber nicht mehr in der Lage, Baustellen zu begehen oder längere Zeit zu stehen. Diese berufsspezifischen Einschränkungen müssen explizit im Antrag aufgeführt werden, da sie für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit entscheidend sind. Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall zu mindestens 50 Prozent voraussichtlich für mindestens sechs Monate nicht mehr ausüben kann.

Die Rolle des medizinischen Gutachtens

Nach Eingang Ihres Antrags beauftragt der Versicherer in der Regel medizinische Gutachter. Diese prüfen Ihre Unterlagen entweder im Rahmen einer Aktenprüfung oder durch eine persönliche Untersuchung. Der Gutachter hat die Aufgabe, die Übereinstimmung zwischen Diagnose, geschilderten Beschwerden und objektiven Befunden zu überprüfen.

Wichtig ist die Abgrenzung zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit: Berufsunfähigkeit bezieht sich auf Ihren konkreten, zuletzt ausgeübten Beruf, bei der in der Regel eine mindestens 50-prozentige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorliegen muss, während Erwerbsunfähigkeit (heute offiziell als Erwerbsminderung bezeichnet) die generelle Fähigkeit betrifft, irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Bei voller Erwerbsminderung können Sie weniger als 3 Stunden täglich arbeiten, bei teilweiser Erwerbsminderung zwischen 3 und 6 Stunden. Diese Unterscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf Ihren Leistungsanspruch.

Rechnen Sie mit möglichen Verzögerungen im Gutachtenprozess und stellen Sie sich mental auf diesen Verfahrensschritt ein. Ein Gutachter stellt lediglich medizinische Sachverhalte fest, die Entscheidung über das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit trifft letztendlich die Versicherung.

Mitwirkungspflichten und Fristen: Was Versicherte beachten müssen

Mitwirkungspflichten im Detail

Als Versicherter haben Sie eine gesetzlich verankerte Mitwirkungspflicht gegenüber Ihrem Versicherer. Diese umfasst:

  • Das vollständige Einreichen aller relevanten Unterlagen (ärztliche Berichte, Befunde, Atteste)
  • Die wahrheitsgemäße Beantwortung von Fragen des Versicherers
  • Die Teilnahme an angeordneten Untersuchungen und Begutachtungen
  • Die Zustimmung zur Einholung von Auskünften bei behandelnden Ärzten

Diese Pflichten sind im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Insbesondere in § 31 VVG ist die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers festgelegt. Eine unzureichende Mitwirkung kann zur Verzögerung oder sogar zur Ablehnung Ihres Leistungsantrags führen. Bei anhaltender Verweigerung der Mitwirkung kann der Versicherer Leistungen ganz oder teilweise versagen, muss Sie jedoch zuvor schriftlich auf diese Folgen hinweisen und Ihnen eine angemessene Frist zur Nachholung der Mitwirkung setzen.

Fristen im Antragsverfahren

Der Antragsverfahren unterliegt verschiedenen Fristen, die Sie unbedingt einhalten sollten. Versicherer setzen häufig Fristen für die Einreichung zusätzlicher Unterlagen oder für Ihre Reaktion auf Anfragen.

Ein häufiger Fallstrick ist die Unklarheit über diese Fristen. Lassen Sie sich daher Fristen stets schriftlich bestätigen und dokumentieren Sie alle Ihre Einreichungen und Kommunikationen mit dem Versicherer. Versäumte Fristen können Ihren Anspruch gefährden oder den Prozess erheblich verzögern.

Tipp: Bei Unsicherheiten bezüglich Ihrer Mitwirkungspflichten oder bei Problemen mit Fristen sollten Sie frühzeitig einen spezialisierten Anwalt für Versicherungsrecht konsultieren. Dies kann helfen, kostspielige Fehler zu vermeiden und Ihren Anspruch zu sichern.

Leistungsablehnung der BU-Versicherung: Ihre Rechte und das weitere Vorgehen

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bildet einen wichtigen finanziellen Schutzschild für den Fall, dass der eigene Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden kann. Umso frustrierender ist es, wenn die Versicherung im Leistungsfall ablehnt. Eine solche Ablehnung stellt Betroffene vor erhebliche emotionale und finanzielle Herausforderungen. Doch ein „Nein“ der Versicherung muss nicht das letzte Wort sein. Als Versicherungsnehmer verfügen Sie über Rechte und konkrete Handlungsmöglichkeiten, um berechtigte Ansprüche durchzusetzen. Mit der richtigen Strategie und fachkundiger Unterstützung bestehen gute Chancen, die verweigerte BU-Leistung doch noch zu erhalten.

Gründe für eine Ablehnung: Typische Streitpunkte und Fallstricke

Vorvertragliche Anzeigepflicht – Ein Stolperstein

Die vorvertragliche Anzeigepflicht (§ 19 VVG) bedeutet, dass Sie bis zur Abgabe Ihrer Vertragserklärung alle Ihnen bekannten gefahrerheblichen Umstände wahrheitsgemäß angeben müssen, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat. Viele Ablehnungen erfolgen aufgrund vermeintlicher Verletzungen dieser Pflicht. Wichtig hierbei: Der Versicherer muss konkrete, für die Risikobeurteilung relevante Fragen stellen. Der Versicherer muss außerdem durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen haben.

Die 50%-Grenze der Berufsunfähigkeit

Nach § 172 VVG müssen Sie mindestens zu 50% berufsunfähig sein, um Leistungen zu erhalten. Bei etwa 42% der Ablehnungen (laut GDV-Studie) ist dieser Punkt strittig. Die Herausforderung liegt in der Beweisführung, besonders bei:

  • Psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Burnout
  • Chronischen Schmerzsyndromen ohne klare organische Ursache
  • Erkrankungen mit schwankendem Verlauf

In solchen Fällen stützt sich die Versicherung häufig auf eigene Gutachter, deren Einschätzungen aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeiten nicht immer vollständig objektiv sein können.

Formfehler und mangelnde Mitwirkung

Rund 13% der Ablehnungen basieren laut GDV auf fehlender Reaktion des Kunden. Weitere Gründe können fehlende Unterschriften, unvollständige Angaben im Leistungsantrag oder nicht fristgerechte Einreichung von angeforderten Unterlagen sein. Diese Ablehnungsgründe sind besonders ärgerlich, da sie durch sorgfältiges Vorgehen oft vermeidbar wären.

Widerspruch und Klage: So setzen Sie Ihre Ansprüche juristisch durch

Der Widerspruch – Ihre erste Reaktion

Nach einer Ablehnung sollten Sie zunächst Widerspruch einlegen. Dieser sollte schriftlich und mit Begründung erfolgen. Für den Widerspruch gegen Bescheide der Krankenkasse gilt eine gesetzliche Frist von einem Monat nach Empfang der Ablehnung. Der Widerspruch ist keine bloße Formalität, sondern ein wichtiges Instrument:

  • Er zwingt die Versicherung, ihren Standpunkt zu überprüfen
  • Er dokumentiert Ihren Anspruch für eventuelle spätere Verfahren
  • Er kann bereits mit Unterstützung eines Fachanwalts formuliert werden
Wichtig zu beachten: Bei Bescheiden der Krankenkasse muss der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Empfang der Ablehnung bei der Krankenkasse eingegangen sein. Bei fehlender Widerspruchsbelehrung kann sich die Frist auf ein Jahr verlängern.

Die Klage – Der Weg zum Gericht

Bleibt der Widerspruch erfolglos, ist die Klage der nächste logische Schritt. Hierbei gilt:

  • Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Versicherungsnehmer von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat
  • Die Erfolgsaussichten sind oft besser als viele Versicherte vermuten
  • Spezialisierte anwaltliche Vertretung ist dringend zu empfehlen

Die Rechtsprechung hat in vielen Fällen versichertenfreundliche Urteile gefällt, besonders bei unklaren Vertragsklauseln oder zweifelhaften Gutachten der Versicherer.

Strategische Tipps für das Vorgehen

Für die erfolgreiche Durchsetzung Ihrer Ansprüche sollten Sie:

  • Frühzeitig einen auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt konsultieren
  • Sämtliche Arztberichte und Korrespondenzen sorgfältig dokumentieren
  • Bei Bedarf ein eigenes medizinisches Gutachten einholen (Kostenrisiko beachten)
  • Mit dem Arzt offen über die BU-Situation sprechen und um detaillierte Berichte bitten
  • Die Kommunikation mit der Versicherung nur noch über den Anwalt führen lassen

Eine strukturierte und professionelle Vorgehensweise erhöht die Chancen erheblich, eine zunächst abgelehnte BU-Leistung doch noch zu erhalten.

Berufsunfähigkeitsversicherung und Erwerbsminderungsrente: Das Zusammenspiel beider Systeme

Berufsunfähigkeit kann jeden treffen und gravierende finanzielle Folgen haben. Die Absicherung ruht dabei auf zwei Säulen: der staatlichen Erwerbsminderungsrente und der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Während die Erwerbsminderungsrente eine Grundversorgung darstellt, schließt die private Berufsunfähigkeitsversicherung entscheidende Lücken. Beide Systeme funktionieren nach unterschiedlichen Prinzipien und ergänzen sich gegenseitig.

Wichtig zu wissen: Die Berufsunfähigkeitsrente wird nicht auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet und umgekehrt, sodass beide Leistungen parallel bezogen werden können. Für eine solide finanzielle Absicherung ist es entscheidend, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu kennen und strategisch zu nutzen.

Anrechnung und Kürzung: Wie private und staatliche Leistungen verrechnet werden

Gute Nachricht: Private Berufsunfähigkeitsrenten und staatliche Erwerbsminderungsrenten werden in der Regel NICHT miteinander verrechnet oder gekürzt.

Diese wichtige Tatsache ist vielen nicht bewusst, da im deutschen Sozialsystem häufig Leistungen gegeneinander aufgerechnet werden. Bei BU-Versicherung und EM-Rente liegt der Fall anders: Sie basieren auf getrennten Rechtsgrundlagen.

Die Erwerbsminderungsrente ist eine staatliche Leistung nach dem SGB VI. Sie greift, wenn ein Versicherter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein kann. Maßstab: Kann der Betroffene noch mindestens drei Stunden täglich irgendeiner Tätigkeit nachgehen? Falls nicht, besteht Anspruch auf eine volle EM-Rente.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist dagegen eine private Versicherung auf vertraglicher Basis. Sie leistet, wenn der Versicherte seinen zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50% nicht mehr ausüben kann. Der wesentliche Unterschied: Die BU-Versicherung schützt die Fähigkeit, im erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf zu arbeiten – nicht die generelle Erwerbsfähigkeit.

Diese juristische Trennung zwischen sozialrechtlicher Leistung und privatrechtlichem Vertrag führt dazu, dass beide Leistungen kumulativ bezogen werden können. „Kumulativ“ bedeutet: Sie erhalten beide Leistungen gleichzeitig und in voller Höhe, ohne dass eine die andere mindert.

Der Gesetzgeber hat dies in § 96a SGB VI klargestellt. Sie können also beide Sicherungssysteme unabhängig voneinander in Anspruch nehmen – eine wichtige Grundlage für Ihre finanzielle Absicherungsstrategie.

Die richtige Strategie: Optimale Absicherung im Zusammenspiel beider Systeme

Da BU-Versicherung und EM-Rente komplementäre Systeme sind, empfiehlt sich eine durchdachte Kombination beider Absicherungsinstrumente.

Staatliche Absicherung als Basis, private BU als Ergänzung

Die Erwerbsminderungsrente bildet die staatliche Grundabsicherung. Allerdings sind die Leistungen oft niedrig (durchschnittlich etwa 1.059 Euro monatlich) und die Zugangshürden hoch. Die private BU-Versicherung schließt diese Lücken, indem sie den konkreten Beruf absichert und individuell angepasste Leistungshöhen ermöglicht.

Schutzlücken erkennen und schließen

Die EM-Rente weist mehrere kritische Lücken auf:

  • Finanzielle Lücke: Die staatliche Leistung reicht selten zur Sicherung des Lebensstandards. Die durchschnittliche volle Erwerbsminderungsrente betrug 2022 nur 933 Euro nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge.
  • Berufliche Lücke: Die EM-Rente berücksichtigt nicht Ihren konkreten Beruf, sondern jede mögliche Tätigkeit. Ausnahme: Für Personen, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden, gelten günstigere Regeln mit teilweisem Berufsschutz.
  • Zugangslücke: Die strengen Kriterien führen dazu, dass viele Betroffene trotz Einschränkungen keine Leistungen erhalten. Rund 43 Prozent der Anträge auf Erwerbsminderungsrente wurden 2022 abgelehnt.

Eine BU-Versicherung mit ausreichender Versicherungssumme (idealerweise 60-80% des Nettoeinkommens) schließt diese Lücken effektiv. Im Gegensatz zur EM-Rente leistet eine BU bereits, wenn Sie Ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, und nicht erst, wenn Sie gar keiner Arbeit mehr nachgehen können. Die BU-Rente wird nicht auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet.

Individuelle Strategie entwickeln

Die optimale Absicherung hängt von Ihrer persönlichen Situation ab. Entscheidend sind Faktoren wie Einkommen, Beruf, Gesundheitszustand und Familienstand. Besonders Berufseinsteiger, Alleinverdiener und Selbständige sollten der privaten Absicherung hohe Priorität einräumen.

Frühzeitig handeln

Je früher Sie eine BU-Versicherung abschließen, desto günstiger sind die Beiträge. Zudem steigt mit zunehmendem Alter das Risiko von Vorerkrankungen, die zu Risikozuschlägen führen können. Eine Absicherung bereits zu Berufsbeginn bietet langfristige Vorteile.

Bei der Auswahl einer BU-Versicherung achten Sie besonders auf günstige Bedingungen wie den Verzicht auf abstrakte Verweisung und eine klare Definition von Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war, zu mindestens 50 Prozent auszuüben. Die Kombination aus Erwerbsminderungsrente und BU-Versicherung bietet den umfassendsten Schutz vor den finanziellen Folgen einer Invalidität.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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