Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Bombenfund im Krankenhaus: Wer zahlt für den Stillstand?
- Was genau war passiert? Der Bombenfund und seine Folgen
- Wer muss zahlen? Die Klage des Versicherungsunternehmens
- Die Stadt wehrt sich: Nicht unsere Zuständigkeit!
- Das Gericht prüft: Ist die Klage überhaupt zulässig?
- Die Kernfrage: Wer war für die Bombenentschärfung verantwortlich?
- Das Urteil des Gerichts: Die Stadt ist nicht der richtige Adressat
- Die Begründung: Warum der Freistaat Bayern haften müsste
- Die Kosten des Verfahrens
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann ich eine Entschädigung erhalten, wenn mein Betrieb wegen einer behördlichen Anordnung schließen muss?
- Welche Behörde ist die richtige Ansprechpartnerin, um Entschädigung zu fordern?
- Welche Rolle spielt meine Betriebsunterbrechungsversicherung bei einem behördlich angeordneten Stillstand?
- Welche Nachweise und Unterlagen benötige ich, um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen?
- Gibt es Fristen, die ich beachten muss, wenn ich Entschädigung fordern möchte?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 13 O 519/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Amberg
- Datum: 27.06.2023
- Aktenzeichen: 13 O 519/22
- Verfahrensart: Zivilklage auf Ersatzansprüche
- Rechtsbereiche: Öffentliches Haftungsrecht, Gefahrenabwehrrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Versicherungsunternehmen, das das Betriebsunterbrechungsrisiko eines Krankenhauses versichert hat. Die Klägerin forderte von der Beklagten Ersatzansprüche, die ihr nach Regulierung eines Schadens ihrer Versicherungsnehmerin durch Legalzession zugestanden sein sollen.
- Beklagte: Eine Große Kreisstadt. Die Beklagte bestritt ihre Zuständigkeit und die Haftung für die geltend gemachten Schäden.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Auf dem Gelände eines Krankenhauses wurde eine britische Fliegerbombe gefunden, deren Entschärfung ein Betretungsverbot für einen Umkreis von 300 Metern erforderlich machte. Dieses Betretungsverbot wurde von der beklagten Großen Kreisstadt erlassen.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Rechtsfrage war, welcher Hoheitsträger – die beklagte Große Kreisstadt oder der Freistaat Bayern – für die aus der Bombenentschärfung und den damit verbundenen hoheitlichen Maßnahmen resultierenden Schäden haftbar ist. Es ging insbesondere um die Verantwortlichkeit für die Kampfmittelbeseitigung und die Erlassung des Betretungsverbots.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Begründung: Das Gericht befand die Klage als unbegründet, da die beklagte Große Kreisstadt nicht die passiv legitimierte Stelle sei. Vielmehr sei der Freistaat Bayern als die zur Gefahrenabwehr berufene Behörde für die Kampfmittelbeseitigung zuständig und verantwortlich gewesen.
Der Fall vor Gericht
Bombenfund im Krankenhaus: Wer zahlt für den Stillstand?
Ein unerwarteter Fund auf einer Baustelle, eine Straßensperrung wegen eines Unfalls – solche Ereignisse können den Alltag empfindlich stören und erhebliche Kosten verursachen. Besonders dramatisch wird es, wenn ein ganzes Krankenhaus evakuiert werden muss. Doch wer kommt für den entstandenen finanziellen Schaden auf, wenn beispielsweise eine Weltkriegsbombe entschärft wird und der Betrieb tagelang stillsteht? Genau mit dieser Frage musste sich das Landgericht Amberg auseinandersetzen.
Was genau war passiert? Der Bombenfund und seine Folgen

Am 22. September 2017 wurde auf dem Gelände eines Krankenhauses eine britische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Ein brisanter Fund, der sofortiges Handeln erforderte. Die Entschärfung der Bombe wurde für den 30. September 2017 angesetzt. Um die Sicherheit der Bevölkerung während dieser gefährlichen Operation zu gewährleisten, erließ die zuständige Große Kreisstadt (im Folgenden „die Stadt“ genannt) eine sogenannte Allgemeinverfügung. Das ist eine behördliche Anordnung, die sich an einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentliche Benutzung einer Sache regelt. In diesem Fall handelte es sich um ein Betretungsverbot für einen Umkreis von 300 Metern um die Fundstelle der Bombe, das für den Tag der Entschärfung galt. Die Folge: Das Krankenhaus musste evakuiert werden und der Betrieb kam zum Erliegen.
Wer muss zahlen? Die Klage des Versicherungsunternehmens
Für solche Fälle von Betriebsunterbrechungen gibt es spezielle Versicherungen. Die Trägergesellschaft des Krankenhauses hatte eine solche Betriebsunterbrechungsversicherung bei einem Versicherungsunternehmen (im Folgenden „die Versicherung“ genannt) abgeschlossen. Die Versicherung war der Ansicht, dass durch die Evakuierung und den Betriebsstopp ein versicherter Schaden entstanden sei. Sie argumentierte, dieser Versicherungsanspruch sei vergleichbar mit einer Entschädigung für einen sogenannten enteignenden Eingriff. Ein Enteignender Eingriff liegt vor, wenn der Staat zwar nicht direkt Eigentum entzieht – wie bei einer klassischen Enteignung für den Straßenbau – aber durch eine Maßnahme so stark in Eigentumsrechte eingreift, dass dies einer Enteignung gleichkommt und daher entschädigt werden muss. Stellen Sie sich vor, die Stadt würde direkt neben Ihrem Café eine laute, dauerhafte Baustelle einrichten, die alle Kunden vertreibt – das könnte ein enteignender Eingriff sein.
Die Versicherung regulierte den Schaden, den das Krankenhaus erlitten hatte, und zahlte eine entsprechende Summe. Nun war die Versicherung der Meinung, dass der Anspruch des Krankenhauses auf Entschädigung auf sie übergegangen sei. Juristen nennen diesen Vorgang Legalzession, was bedeutet, dass ein Anspruch kraft Gesetzes von einer Person auf eine andere übergeht – ähnlich wie wenn Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung einen Schaden reguliert, den Sie verursacht haben, und sich das Geld dann unter Umständen von Ihnen zurückholt, wenn Sie grob fahrlässig gehandelt haben. Die Versicherung verklagte daher die Stadt auf Zahlung von 1.000.000 Euro zuzüglich Zinsen.
Die Stadt wehrt sich: Nicht unsere Zuständigkeit!
Die Stadt sah die Sache jedoch ganz anders und beantragte, die Klage abzuweisen. Ihr Hauptargument: Sie sei gar nicht die richtige Ansprechpartnerin für die Forderung. Juristen sprechen hier davon, dass die Stadt nicht passiv legitimiert sei. Passiv legitimiert ist diejenige Person oder Institution, gegen die sich eine Klage richtigerweise richten muss. Wenn Sie beispielsweise eine fehlerhafte Ware bei einem Händler gekauft haben, müssen Sie den Händler verklagen und nicht den Hersteller, es sei denn, es gibt spezielle Produkthaftungsgesetze.
Die Stadt erklärte, der Erlass des Betretungsverbots sei lediglich ein „Reflex“, also eine quasi automatische Reaktion auf die Anweisungen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes gewesen. Die Planung und Durchführung der Bombenentschärfung, so die Stadt, sei Sache des Freistaats Bayern und nicht ihre eigene Aufgabe. Daher müsse sich die Versicherung an den Freistaat Bayern wenden, wenn sie Entschädigung fordere.
Das Gericht prüft: Ist die Klage überhaupt zulässig?
Bevor ein Gericht sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Forderung berechtigt ist, prüft es zunächst, ob die Klage überhaupt zulässig ist. Das bedeutet, es wird geschaut, ob alle formellen Voraussetzungen für ein Gerichtsverfahren erfüllt sind. Die Versicherung hatte hier eine sogenannte Offene Teilklage eingereicht. Das bedeutet, sie forderte einen Teilbetrag von 1.000.000 Euro von einem möglicherweise höheren Gesamtschaden, ohne genau aufzuschlüsseln, welche einzelnen Schadensposten dieser Teilbetrag abdecken sollte. Ist so etwas erlaubt?
Das Gericht bejahte dies. Es erklärte, dass bei einem einheitlichen Schaden, wie er hier von der Versicherung geltend gemacht wurde, eine genaue Aufteilung der einzelnen Schadensposten für eine Teilklage nicht zwingend notwendig sei. Die Klage wurde also ordnungsgemäß im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO) – das ist das Gesetzbuch, das die Regeln für Gerichtsverfahren in Zivilsachen, also bei Streitigkeiten zwischen Privatpersonen oder Unternehmen, festlegt – erhoben und war somit zulässig.
Die Kernfrage: Wer war für die Bombenentschärfung verantwortlich?
Nachdem die Zulässigkeit geklärt war, ging es ans Eingemachte: War die Klage auch begründet? Hatte die Versicherung also einen Anspruch gegen die Stadt? Hierfür musste das Gericht die entscheidende Frage beantworten: Wer war für die Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit der Fliegerbombe zuständig – die Stadt oder der Freistaat Bayern? Nur wer zuständig war, konnte auch für die Folgen der notwendigen Maßnahmen, wie dem Betretungsverbot, haftbar gemacht werden.
Das Urteil des Gerichts: Die Stadt ist nicht der richtige Adressat
Das Landgericht Amberg wies die Klage der Versicherung als unbegründet ab. Die Begründung: Die Stadt war tatsächlich nicht passiv legitimiert, also nicht die richtige Beklagte. Stattdessen hätte sich die Klage gegen den Freistaat Bayern richten müssen.
Die Begründung: Warum der Freistaat Bayern haften müsste
Aber warum kam das Gericht zu dieser Einschätzung? Die Richter stützten ihre Argumentation maßgeblich auf das Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG). Dieses Gesetz regelt in Bayern unter anderem, welche Behörden für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig sind. Laut Artikel 6 dieses Gesetzes ist für die Gefahrenabwehr in einem Fall wie diesem der Freistaat Bayern zuständig, vertreten durch sein Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration. Dieses Ministerium fungiert als oberste Sicherheitsbehörde, also als die höchste staatliche Stelle, die in Bayern für Sicherheitsfragen verantwortlich ist.
Das Gericht stellte fest, dass der Freistaat Bayern mit dem Einsatz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes nicht nur die Stadt unterstützt habe. Vielmehr habe der Freistaat seine eigene gesetzliche Verpflichtung erfüllt, nämlich die erhebliche Gefahr abzuwehren, die von einer möglichen unkontrollierten Detonation der Bombe für Leib und Leben vieler Menschen ausging.
Zwar musste die Stadt nicht zwingend auf den Kampfmittelräumdienst des Freistaats zurückgreifen, sie hätte theoretisch auch andere Wege suchen können. Aber, und das war entscheidend: Der Freistaat Bayern hatte die Fach- und Weisungskompetenz bezüglich der Durchführung der Kampfmittelbeseitigung vor Ort. Die Stadt hatte die Allgemeinverfügung, also das Betretungsverbot, ja gerade deshalb erlassen, weil sie selbst nicht in der Lage war, die von der Fliegerbombe ausgehende Gefahr eigenständig zu beseitigen.
Das Gericht sah den Erlass des Betretungsverbots durch die Stadt somit nur als einen Teilaspekt der gesamten Bombenentschärfungsaktion. Die Gesamtverantwortung für die Entschärfung der Bombe und damit auch für die damit verbundenen Maßnahmen lag beim Freistaat Bayern. Die Stadt war verpflichtet, den Anweisungen der Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes, die im Auftrag des Freistaats handelten, Folge zu leisten. Die tatsächliche Aufsicht über die gesamte Operation übte somit der Freistaat Bayern aus. Dass eine direkte Weisung des Freistaats an den Kampfmittelbeseitigungsdienst vielleicht keine direkte Wirkung nach außen hatte, spielte für das Gericht keine Rolle. Entscheidend war die Zuständigkeit für die Beseitigung der Bombe, und diese lag aufgrund der verbindlichen Weisungen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes beim Freistaat.
Die Kosten des Verfahrens
Da die Versicherung mit ihrer Klage gegen die Stadt keinen Erfolg hatte, musste sie gemäß den gesetzlichen Regelungen die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist zudem vorläufig vollstreckbar, das heißt, die Stadt könnte die ihr entstandenen Kosten von der Versicherung verlangen, müsste dafür aber eine Sicherheitsleistung erbringen. Der Streitwert, also der Wert, um den gestritten wurde, wurde auf 1.000.000 Euro festgesetzt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt klar, dass bei behördlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht automatisch die Stadt haftet, die das Betretungsverbot ausspricht, sondern die Behörde, die tatsächlich für die Gefahrenbeseitigung zuständig ist. Wer Entschädigung für Schäden durch Bombenentschärfungen fordert, muss sich daher an den Freistaat Bayern wenden, der über den Kampfmittelbeseitigungsdienst die Gesamtverantwortung trägt – auch wenn die örtliche Gemeinde die Sperrung anordnet. Die Entscheidung macht deutlich, dass Versicherungen bei solchen Fällen genau prüfen müssen, wen sie verklagen, da sie sonst auf den Verfahrenskosten sitzen bleiben. Für Betroffene bedeutet dies, dass sie bei Schäden durch Kampfmittelentschärfungen ihre Ansprüche gegen das Land Bayern und nicht gegen die örtliche Gemeinde geltend machen sollten.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich eine Entschädigung erhalten, wenn mein Betrieb wegen einer behördlichen Anordnung schließen muss?
Ja, unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Anspruch auf Entschädigung bestehen, wenn Ihr Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung geschlossen werden muss. Ob und in welcher Höhe ein solcher Anspruch besteht, hängt jedoch maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, ob die behördliche Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig war und welche Rolle Ihr Betrieb bei der Entstehung der Gefahr spielte.
Entschädigung bei rechtmäßiger behördlicher Anordnung
Wird die Schließung Ihres Betriebs durch eine behördliche Anordnung veranlasst, die rechtmäßig ist – das heißt, die Behörde hat korrekt gehandelt und die Maßnahme war notwendig, um eine Gefahr abzuwehren oder die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten – kann dennoch ein Entschädigungsanspruch entstehen. Dies ist der Fall, wenn Sie durch diese Maßnahme ein sogenanntes „Sonderopfer“ erbringen müssen.
Ein Sonderopfer liegt vor, wenn die Belastung, die Ihnen durch die behördliche Anordnung entsteht, unverhältnismäßig hoch ist und weit über das normale Lebensrisiko oder die Belastung hinausgeht, die andere Personen oder Betriebe in der gleichen Situation tragen müssen. Es geht darum, dass die Allgemeinheit von einer Gefahr profitiert, die zu Lasten eines Einzelnen geht, der nicht für die Gefahr verantwortlich war. Ein rechtlicher Anspruch hierfür ist der Aufopferungsanspruch. Ein Beispiel wäre, wenn Ihr Betrieb als einziger in einem größeren Gebiet geschlossen werden muss, um eine Gefahr zu beseitigen, die Sie nicht verursacht haben.
Eine weitere Möglichkeit bei rechtmäßigen Maßnahmen ist der enteignungsgleiche Eingriff. Dieser kommt in Betracht, wenn eine behördliche Anordnung zwar nicht direkt Ihr Eigentum entzieht, aber dessen Nutzung oder Wert so stark beeinträchtigt, dass es wirtschaftlich einer Enteignung gleichkommt. Auch hier ist entscheidend, dass die Maßnahme eine unzumutbare und ungleichmäßige Belastung für Sie darstellt.
Wichtig: Ein Entschädigungsanspruch bei rechtmäßigen Anordnungen besteht in der Regel nicht, wenn Sie oder Ihr Betrieb die Gefahr, die zur Schließung geführt hat, selbst verursacht haben. Man spricht hier vom sogenannten „Verursacherprinzip“. Wer eine Gefahr selbst herbeiführt (sogenannter „Störer“), muss grundsätzlich auch die Kosten und Folgen der Gefahrenabwehr tragen.
Entschädigung bei rechtswidriger behördlicher Anordnung
Musste Ihr Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung schließen, die rechtswidrig war – die Behörde hat also einen Fehler gemacht oder die Maßnahme war nicht zulässig – so kann ein Amtshaftungsanspruch entstehen.
Die Amtshaftung bedeutet, dass der Staat oder die zuständige Gebietskörperschaft (z.B. die Gemeinde, das Land) für Schäden haftet, die durch die schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht durch Beamte oder andere staatliche Mitarbeiter entstehen. Für Sie als betroffenen Betriebsinhaber bedeutet das, dass Sie den entstandenen Schaden ersetzt bekommen können, wenn nachgewiesen wird, dass die behördliche Anordnung zur Schließung fehlerhaft und rechtswidrig war und Ihnen dadurch ein Schaden entstanden ist. Hierbei kommt es darauf an, ob die Behörde beispielsweise wichtige Vorschriften missachtet oder falsche Ermessensentscheidungen getroffen hat.
Die konkrete Höhe der Entschädigung richtet sich immer nach dem tatsächlich entstandenen und nachweisbaren Schaden, wie beispielsweise dem entgangenen Gewinn oder zusätzlichen Kosten, die durch die Schließung entstanden sind. Die Durchsetzung solcher Ansprüche ist oft komplex und erfordert eine genaue Prüfung aller Umstände.
Welche Behörde ist die richtige Ansprechpartnerin, um Entschädigung zu fordern?
Wenn Sie eine Entschädigung vom Staat fordern möchten, ist die Identifizierung der richtigen Behörde von entscheidender Bedeutung. Dies wird im Juristischen oft als „Passive Legitimation“ bezeichnet. Das bedeutet, es muss geklärt werden, welche staatliche Stelle tatsächlich für den Schaden verantwortlich ist und somit der „Gegner“ Ihres Anspruchs sein muss. Nur wenn Sie den Anspruch an die tatsächlich zuständige Behörde richten, kann er erfolgreich geprüft werden.
Wer ist der richtige Adressat? Das Prinzip der Verantwortlichkeit
Die zuständige Behörde ist in der Regel diejenige, die die Maßnahme ergriffen hat, durch die der Schaden entstanden ist, oder die für das schädigende Verhalten verantwortlich ist. Stellen Sie sich vor, der Staat ist wie ein großer Organismus mit vielen „Armen“ und „Beinen“, die jeweils unterschiedliche Aufgaben erfüllen:
- Der Bund: Er ist zuständig für Angelegenheiten, die ganz Deutschland betreffen, wie die Bundespolizei, die Bundeswehr, die meisten Bundesministerien oder die Zollverwaltung.
- Beispiel: Entsteht Ihnen ein Schaden durch eine Maßnahme der Bundespolizei, wäre der Bund der richtige Ansprechpartner.
- Das Bundesland (Land): Jedes der 16 Bundesländer hat eigene Zuständigkeiten, zum Beispiel die Landespolizei, Landesstraßenbauämter, Landesfinanzämter oder die Schulverwaltung.
- Beispiel: Verursacht ein Landesbeamter bei der Ausübung seiner Tätigkeit einen Schaden, wäre das betreffende Bundesland (vertreten durch die zuständige Landesbehörde) der Adressat.
- Die Kommune (Gemeinde, Stadt, Landkreis): Sie kümmern sich um lokale Angelegenheiten wie die Stadtverwaltung, die Bauaufsicht, das Ordnungsamt, die Müllabfuhr oder kommunale Straßen.
- Beispiel: Wenn eine Maßnahme des städtischen Bauamtes Ihnen einen Schaden zufügt, wenden Sie sich an die jeweilige Kommune.
So ermitteln Sie die zuständige Behörde
Um die korrekte Behörde zu identifizieren, ist es wichtig zu prüfen, welche staatliche Ebene und welche konkrete Einrichtung für die Maßnahme oder das Ereignis verantwortlich war, das den Schaden verursacht hat.
- Art der Maßnahme: War es eine polizeiliche Maßnahme, eine Entscheidung des Bauamtes, eine Aktion der Finanzverwaltung oder etwas anderes?
- Handelnde Person/Einheit: Wer hat die Maßnahme konkret durchgeführt oder beschlossen? War es ein Beamter des Landes, ein Mitarbeiter der Stadt oder eine Bundesbehörde?
Es kommt also darauf an, welcher „Arm“ des Staates in Ihrem spezifischen Fall gehandelt hat. Manchmal können Zuständigkeiten komplex sein, insbesondere wenn mehrere Ebenen beteiligt sind oder Aufgaben delegiert wurden. Für Sie als Betroffene bedeutet dies, dass eine genaue Klärung des Sachverhalts entscheidend ist, um den Anspruch an den richtigen „Schuldner“ zu richten.
Welche Rolle spielt meine Betriebsunterbrechungsversicherung bei einem behördlich angeordneten Stillstand?
Eine Betriebsunterbrechungsversicherung (BUV) dient dazu, den finanziellen Schaden auszugleichen, der entsteht, wenn Ihr Betrieb aufgrund eines versicherten Ereignisses seine Tätigkeit einstellen oder stark einschränken muss. Dazu gehören in der Regel der entgangene Gewinn und die weiterlaufenden Fixkosten wie Miete oder Gehälter.
Deckung bei behördlich angeordnetem Stillstand
Ob Ihre Betriebsunterbrechungsversicherung bei einem behördlich angeordneten Stillstand Leistungen erbringt, hängt maßgeblich von den genauen Formulierungen in Ihrem Versicherungsvertrag und den zugehörigen Versicherungsbedingungen ab.
- Details des Vertrages sind entscheidend: Viele ältere Versicherungsverträge deckten in erster Linie Schäden ab, die durch klassische Gefahren wie Feuer, Wasser, Sturm oder Einbruch entstanden sind. Behördliche Anordnungen, insbesondere im Zusammenhang mit Epidemien oder Pandemien, waren in solchen Verträgen oft nicht explizit als versichertes Ereignis genannt oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Neuere Verträge können hingegen speziellere Klauseln enthalten, die solche Szenarien berücksichtigen.
- Umfang der Deckung: Es ist ein wichtiger Unterschied, ob Ihr Vertrag nur namentlich aufgeführte Gefahren (sogenanntes „Named Perils“-Prinzip) abdeckt oder eine umfassendere „All-Risk“-Deckung bietet. Bei einer „All-Risk“-Deckung sind grundsätzlich alle Risiken versichert, die nicht ausdrücklich im Vertrag ausgeschlossen sind. Für Sie als Unternehmer bedeutet das: Sie müssen die Versicherungsbedingungen genau prüfen, um festzustellen, ob ein behördlich angeordneter Stillstand unter die versicherten Risiken fällt.
Verhältnis zu Entschädigungsansprüchen gegenüber Behörden
Wird Ihr Betrieb durch eine behördliche Anordnung stillgelegt, kann unter Umständen ein Entschädigungsanspruch gegenüber der anordnenden Behörde nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (beispielsweise dem Infektionsschutzgesetz) entstehen. Dieser mögliche Anspruch ist grundsätzlich getrennt von Ihrem Versicherungsvertrag zu betrachten.
Der Anspruchsübergang (Legalzession)
Wenn Ihre Betriebsunterbrechungsversicherung den Schaden, der durch den behördlich angeordneten Stillstand entstanden ist, reguliert und Ihnen eine Leistung auszahlt, kann dies einen sogenannten gesetzlichen Anspruchsübergang auslösen, der auch als Legalzession bekannt ist.
- Funktionsweise: Dieser Anspruchsübergang ist in Deutschland im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere in § 86 VVG, geregelt. Er bewirkt, dass ein Anspruch, den Sie als Versicherter gegen einen Dritten (zum Beispiel die Behörde, die den Stillstand angeordnet hat) gehabt hätten, automatisch auf Ihre Versicherungsgesellschaft übergeht, sobald diese den Schaden bezahlt hat.
- Praktische Auswirkung: Stellen Sie sich vor, die Behörde wäre verpflichtet, Ihnen für den entstandenen Verdienstausfall Entschädigung zu zahlen. Wenn Ihre Versicherung diesen Schaden bereits übernommen hat, soll eine doppelte Entschädigung für denselben Schaden vermieden werden. In diesem Fall tritt die Versicherung in Ihre Rechte ein und kann den Entschädigungsanspruch, den Sie gegen die Behörde gehabt hätten, selbst gegen die Behörde geltend machen. Dieses Prinzip stellt sicher, dass Schäden nicht doppelt ersetzt werden und die Versicherung die Möglichkeit hat, sich an der Stelle zu bedienen, die den Schaden letztlich verursacht hat.
Welche Nachweise und Unterlagen benötige ich, um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen?
Um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, ist es entscheidend, den Anspruch als solchen (den Grund) und seine Höhe (den Umfang des Schadens) klar beweisen zu können. Dies erfordert eine sorgfältige und umfassende Dokumentation.
Dokumentation des Anspruchsgrundes
Zunächst müssen Sie belegen, warum Ihnen überhaupt ein Anspruch zusteht. Das bedeutet, Sie müssen das schädigende Ereignis oder die vertragliche Grundlage dokumentieren, aus der sich Ihr Anspruch ergibt. Stellen Sie sich vor, Sie müssen nachweisen, dass ein bestimmtes Ereignis stattgefunden hat und wer dafür verantwortlich sein könnte.
Dafür sind folgende Unterlagen wichtig:
- Verträge und Vereinbarungen: Wenn der Anspruch aus einer Vertragsverletzung entsteht (z.B. ein Lieferant hat nicht geliefert oder mangelhaft), sind der Vertrag, die Bestellungen, Auftragsbestätigungen und sämtliche Korrespondenz (E-Mails, Briefe, Chatprotokolle) von großer Bedeutung.
- Kommunikation: Alle Schriftstücke, E-Mails, SMS, Chatnachrichten oder auch Notizen von Telefonaten, die das Ereignis oder die damit verbundenen Umstände betreffen.
- Fotos und Videos: Visuelle Beweise des Schadens, der Situation am Ort des Geschehens oder der mangelhaften Leistung.
- Zeugenaussagen: Namen, Kontaktdaten und kurze Beschreibungen dessen, was Zeugen gesehen oder gehört haben.
- Amtliche Dokumente: Polizeiberichte, Unfallberichte, ärztliche Atteste oder behördliche Schreiben, die das schädigende Ereignis oder seine Folgen bestätigen.
- Gutachten: Sachverständigengutachten, die den Schaden oder die Ursache des Schadens belegen.
Nachweis des Schadensumfangs und seiner Höhe
Wenn der Grund für den Anspruch feststeht, müssen Sie den konkreten finanziellen Schaden detailliert nachweisen. Hier geht es darum, zu beziffern, wie viel Geld Ihnen aufgrund des Ereignisses entgangen ist oder welche Kosten Ihnen entstanden sind.
Es ist unerlässlich, eine detaillierte Auflistung aller Schäden zu erstellen. Jeder Posten sollte klar benannt und mit einem konkreten Wert versehen werden, der durch entsprechende Belege untermauert wird.
Dafür benötigen Sie insbesondere:
- Belege für direkte Kosten:
- Rechnungen und Quittungen: Für Reparaturen, Ersatzbeschaffungen, medizinische Behandlungen, Fahrtkosten oder andere direkt entstandene Ausgaben.
- Kostenvoranschläge: Wenn der Schaden noch nicht behoben ist, aber Kosten dafür anfallen werden.
- Nachweis entgangenen Gewinns:
- Dies ist der Gewinn, der Ihnen nachweislich entgangen ist, weil das schädigende Ereignis eingetreten ist. Stellen Sie sich vor, ein Geschäft kann wegen eines Schadens nicht öffnen und verliert dadurch Einnahmen.
- Dafür sind zum Beispiel betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA), Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV), Steuererklärungen, Umsatzstatistiken aus der Vergangenheit oder auch vorliegende Aufträge oder Verträge relevant, die durch das Ereignis nicht erfüllt werden konnten. Es muss plausibel dargelegt werden, dass dieser Gewinn ohne das Ereignis tatsächlich erzielt worden wäre.
- Nachweis von Fixkosten:
- Dies sind Kosten, die Ihnen trotz des schädigenden Ereignisses weiterhin entstanden sind, obwohl Sie keine Einnahmen erzielen konnten. Denken Sie an die Miete für Geschäftsräume oder Gehälter für Mitarbeiter, die Sie weiterzahlen mussten, obwohl der Betrieb stillstand.
- Mietverträge, Darlehensverträge, Lohnabrechnungen, Versicherungsunterlagen oder Dauerrechnungen für Versorgungsleistungen dienen hier als Nachweis.
- Nachweise für Nutzungsausfall oder Wertminderung:
- Bei Gegenständen, die nicht mehr nutzbar sind (z.B. ein Fahrzeug), kann eine Entschädigung für den Nutzungsausfall oder die Wertminderung beansprucht werden. Dies wird oft durch Gutachten oder Vergleichswerte belegt.
- Schadensminderung: Es ist wichtig zu beachten, dass Sie verpflichtet sind, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Das bedeutet, dass Sie zum Beispiel versuchen sollten, Ersatz zu beschaffen oder alternative Lösungen zu finden, anstatt den Schaden unnötig anwachsen zu lassen. Auch solche Maßnahmen sollten Sie dokumentieren.
Die Sammlung und Organisation all dieser Nachweise ist der Grundstein für die erfolgreiche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs.
Gibt es Fristen, die ich beachten muss, wenn ich Entschädigung fordern möchte?
Ja, Fristen sind im deutschen Recht von größter Bedeutung, wenn Sie Entschädigung oder andere Ansprüche geltend machen möchten. Das Verpassen einer Frist kann tatsächlich dazu führen, dass Ihr Anspruch vollständig erlischt oder nicht mehr durchgesetzt werden kann. Es gibt nicht „die eine“ Frist, sondern viele verschiedene, die je nach Art des Anspruchs und des Rechtsgebietes variieren können.
Die Verjährung: Die häufigste Frist
Die bekannteste Art von Frist ist die Verjährung. Sie betrifft die meisten zivilrechtlichen Ansprüche auf Entschädigung.
- Regelfrist: Die allgemeine Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
- Beginn: Diese Frist beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (also Sie) von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
- Beispiel: Entsteht Ihr Anspruch am 15. Mai 2023 und Sie wissen, gegen wen Sie ihn haben, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist am 31. Dezember 2023 und endet am 31. Dezember 2026.
- Wirkung: Ist ein Anspruch verjährt, bedeutet das nicht, dass er nicht mehr existiert. Er kann aber vom Schuldner nicht mehr erzwungen werden, wenn dieser sich auf die Verjährung beruft. Man spricht dann von der „Einrede der Verjährung“.
Die Ausschlussfristen: Kürzere Fristen mit stärkerer Wirkung
Neben der Verjährung gibt es sogenannte Ausschlussfristen (manchmal auch Präklusionsfristen genannt). Diese sind oft deutlich kürzer als die Verjährungsfrist und haben eine stärkere Wirkung.
- Typische Dauer: Ausschlussfristen können von wenigen Tagen, Wochen oder Monaten reichen.
- Beginn: Sie beginnen oft unmittelbar mit einem bestimmten Ereignis, unabhängig von der Kenntnis des Anspruchstellers.
- Wirkung: Wenn eine Ausschlussfrist abläuft, erlischt der Anspruch vollständig und automatisch. Es ist dann nicht mehr möglich, den Anspruch geltend zu machen, selbst wenn der Schuldner sich nicht auf die Frist beruft.
- Vorkommen: Solche Fristen finden sich zum Beispiel in Bereichen wie dem Reiserecht (z.B. bei der Meldung von Reisemängeln), im Mietrecht (z.B. bei der Geltendmachung von Mängeln nach Auszug) oder im Arbeitsrecht (z.B. bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis). Auch bei bestimmten Gewährleistungsansprüchen können spezielle kürzere Fristen gelten.
Warum die Fristen unterschiedlich sind
Die Art und Länge der Frist hängt stark davon ab, um welche Art von Entschädigungsanspruch es sich handelt und in welchem Rechtsgebiet er geregelt ist. Der Gesetzgeber legt unterschiedliche Fristen fest, um einerseits Rechtssicherheit zu gewährleisten und andererseits den Besonderheiten verschiedener Sachverhalte Rechnung zu tragen. So sollen beispielsweise bei Mängeln schnelle Reaktionen gefördert werden, während für allgemeine Schadensersatzansprüche eine längere Frist sinnvoll ist.
Für Sie bedeutet das: Die Frist, die in Ihrem Fall relevant ist, hängt immer von den genauen Umständen Ihres Anspruchs ab. Ein rasches Handeln nach Kenntnis eines potenziellen Anspruchs ist daher grundsätzlich empfehlenswert.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Allgemeinverfügung
Eine Allgemeinverfügung ist eine behördliche Anordnung, die sich an einen bestimmten oder bestimmten Personenkreis richtet und konkrete Verhaltensregeln enthält. Sie regelt typischerweise die Nutzung oder Einschränkung von Rechten, zum Beispiel ein Betretungsverbot für ein bestimmtes Gebiet. Anders als ein Gesetz gilt sie nur für den Einzelfall oder eine bestimmte Situation und wird von Verwaltungsbehörden erlassen. Im Fall des Bombenfunds ordnete die Stadt mit einer Allgemeinverfügung das Betretungsverbot um die Fundstelle an, was den Krankenhausbetrieb zum Erliegen brachte.
Enteignender Eingriff
Ein enteignender Eingriff liegt vor, wenn der Staat durch eine hoheitliche Maßnahme so stark in Eigentumsrechte eingreift, dass dies einer Enteignung gleichkommt, ohne allerdings Eigentum formal zu entziehen. Die Folge ist, dass der Eigentümer eine Entschädigung verlangen kann, weil die Nutzung oder der Wert seines Eigentums unverhältnismäßig beeinträchtigt wurde. Beispielhaft könnte ein behördliches Nutzungsverbot für ein Grundstück oder Gebäude einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen. Im vorliegenden Fall argumentierte die Versicherung, dass der Betriebsstopp im Krankenhaus einem enteignenden Eingriff entsprach.
Legalzession
Legalzession bezeichnet den automatischen, gesetzlich vorgesehenen Übergang eines Anspruchs von einer Person auf eine andere, ohne dass dies gesondert vereinbart werden muss. Sie ist in § 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt und tritt ein, wenn eine Versicherung einen Schaden ersetzt, den der Versicherte gegenüber einem Dritten geltend hätte machen können. Die Versicherung tritt damit in die Rechte des Versicherungsnehmers ein, um sich das gezahlte Geld vom Verursacher zurückzuholen. Im Fall wechselte der Entschädigungsanspruch des Krankenhausträgers gegen den Staat auf die Versicherung, die deswegen gegen die Stadt klagte.
Passive Legitimation
Passive Legitimation bedeutet, dass eine Person oder Behörde die rechtliche Stellung hat, als Beklagte in einem Gerichtsverfahren verantwortlich gemacht zu werden. Ohne passive Legitimation ist eine Klage unzulässig, weil der beklagte Adressat nicht zuständig oder verantwortlich für den geltend gemachten Anspruch ist. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass die Stadt nicht passiv legitimiert war, da für die Gefahrenabwehr und damit für die Kosten der Bombenentschärfung der Freistaat Bayern zuständig war.
Offene Teilklage
Eine offene Teilklage ist eine Klageart, bei der der Kläger nur einen Teilbetrag einer noch unklaren oder noch nicht vollständig bezifferten Gesamtschadenssumme geltend macht, ohne jeden einzelnen Schaden detailliert aufzulisten. Nach § 263 Zivilprozessordnung (ZPO) ist dies zulässig, sofern der Gesamtanspruch eine Einheit bildet und eine genaue Aufstellung derzeit nicht möglich oder zumutbar ist. Im Beispiel hatte die Versicherung einen pauschalen Betrag von 1.000.000 Euro eingeklagt, ohne eine vollständige Aufschlüsselung der Schadensposten vorzulegen. Das Gericht akzeptierte dies, weil der Schaden einheitlich war.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Amtshaftung): Regelt die Haftung des Staates für Pflichtverletzungen seiner Amtsträger, insbesondere wenn durch rechtswidriges Handeln oder Unterlassen ein Schaden entsteht. Die Vorschrift stellt sicher, dass Bürger Ersatz für durch staatliches Handeln verursachte Schäden erhalten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung fordert Schadenersatz von der Stadt oder dem Freistaat wegen der durch die Bombenentschärfung bedingten Betriebsausfälle; hier stellt sich die Frage, ob und welcher staatliche Akt als haftungsauslösend gilt.
- Artikel 6 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) Bayern: Bestimmt die Zuständigkeit der Behörden für die Gefahrenabwehr, wobei der Freistaat durch das Staatsministerium des Innern als oberste Sicherheitsbehörde für die Gefahrenabwehr zuständig ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass der Freistaat Bayern und nicht die Stadt für die Gefahrenabwehr bei der Bombenentschärfung verantwortlich war und somit haftbar gemacht werden muss.
- Allgemeinverfügung (§ 35 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG): Form der behördlichen Einzelanordnung, die für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis verbindlich ist und z.B. Betretungsverbote regeln kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Stadt erließ eine Allgemeinverfügung, die das Betreten des betroffenen Gebietes verbot und dadurch den Betrieb des Krankenhauses stoppte; diese Maßnahme ist zentral für die Haftungsfrage.
- Legalzession (§ 86 VVG i.V.m. § 398 BGB): Übertragung eines Anspruchs durch Gesetz, insbesondere wenn eine Versicherung einen Schaden reguliert und sich anschließend den Anspruch auf Ersatz vom Schädiger oder Dritten holt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung hat den Schaden des Krankenhauses ausgeglichen und verfolgt nun den Anspruch gegen die Stadt, der kraft Legalzession auf sie übergegangen ist.
- Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere §§ 261, 264: Regelt die Zulässigkeit von Klagen und Teilklagen, wobei auch eine offene Teilklage bei einheitlichen Schadensansprüchen zulässig ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klage der Versicherung gegen die Stadt war zulässig, auch wenn der geforderte Betrag nicht aufgeschlüsselt wurde, was das Gericht bestätigte.
- Grundsatz der passiven Legitimation (Prozessrecht allgemein): Bestimmt, wer im Verfahren verklagt werden kann und muss; ohne richtige passive Legitimation ist die Klage unzulässig oder unbegründet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht entschied, dass die Stadt nicht passive legitimiert ist, da die Zuständigkeit und damit Haftung beim Freistaat liegt.
Das vorliegende Urteil
LG Amberg – Az.: 13 O 519/22 – Endurteil vom 27.06.2023
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