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Anfechtung von ausgezahlten Versicherungsleistungen aus einer Lebensversicherung

LG Freiburg (Breisgau) 14. Zivilkammer, Az.: 14 O 262/15, Urteil vom 17.03.2017

1. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an den Kläger 52.055,79 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

2. Die Beklagte Ziff. 2 wird verurteilt, an den Kläger 43.232,96 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

3. Die Beklagte Ziff. 3 wird verurteilt, an den Kläger 52.055,79 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

4. Die Beklagte Ziff. 4 wird verurteilt, an den Kläger 52.055,79 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger 4 % und die Beklagten nach Kopfteilen 96 %. Die Beklagten Ziff.1, 3 und 4 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Beklagte Ziff. 2 trägt von ihren außergerichtlichen Kosten 75 % selbst. 25 % dieser Kosten trägt der Kläger.

7. Das Urteil ist für die Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Anfechtung von ausgezahlten Versicherungsleistungen aus einer Lebensversicherung
Symbolfoto: Successphoto/Bigstock

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des Herrn …, dessen Erben die 4 Beklagten sind. Die Beklagten erhielten die eingeklagten Beträge ausbezahlt von der R+V Lebensversicherung. Der Kläger focht die Leistung an und widerrief das Angebot zum Abschluss eines Schenkungsvertrages über das Versicherungsguthaben (K5 vom 5.11.2014). Der Kläger stützt sich auf § 134 InsO, denn die Zuwendung aus der Lebensversicherung sei unentgeltlich. Der Kläger hat ursprünglich gegen die 4 Beklagten je 52.055,79 € eingeklagt. Die Beklagten haben mittlerweile je 30.000 € zurückgezahlt. Das Amtsgericht Freiburg hat den Antrag der Beklagten, das Insolvenzverfahren wegen Wegfall des Eröffnungsgrundes einzustellen, mit Beschluss vom 13.09.2016 zurückgewiesen.

Der Kläger behauptet, die Masse reiche zur Befriedigung der Gläubiger nicht aus. Er trete dem Rechenwerk der Beklagten in den Schriftsätzen vom 12.05.2016 und 10.06.2016 entgegen und verweise auf seinen Schriftsatz an das Amtsgericht Freiburg zum Einstellungsantrag der Beklagten. Er bestreite die von der Beklagten Ziff. 3 behauptete Entreicherung.

Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagte Ziff. 1 zu verurteilen, an den Kläger 52.055,79 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

die Beklagte Ziff. 2 zu verurteilen, an den Kläger 52.055,79 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

die Beklagte Ziff. 3 zu verurteilen, an den Kläger 52.055,79 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

die Beklagte Ziff. 4 zu verurteilen, an den Kläger 52.055,79 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.12.2014 abzüglich am 29.10.2015 bereits geleisteter 30.000 € zu bezahlen;

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten,

Beklagte 1-3

Es fehle an der Gläubigerbenachteiligung für je weitere 22.055,78 €. Denn nach Zahlung von 4×30.000 € sei genügend Masse zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens vorhanden. Der Kläger habe Aktiva in Höhe von 259.438,34 € und Passiva in Höhe von 187.332,68 €, mithin einen Überschuss in Höhe von 72.105,66 €. Die Zweitbeklagte sei entreichert in Höhe von 8.822,83 € wegen getätigter Luxusausgaben, die Drittbeklagte sei um 20.000 € entreichert, denn sie habe in Höhe von 20.000 € überobligatorische Zuwendung an die Mutter geleistet.

Beklagte Ziff. 4

Sie meint, der Rückgewähranspruch nach § 134 InsO sei im Falle einer reinen Risikolebensversicherung auf die vom Versicherten bezahlten Prämienzahlungen begrenzt. Sie sei minderjährig und würde ihrer vom Erblasser gewollten finanziellen Ausstattung beraubt werden, wenn man auf der Wertungsebene nicht die Schutzbedürftigkeit der Erben / Begünstigten berücksichtige. Die extensive Auslegung der Ansprüche nach § 134 InsO gem. dem Urteil des BGH vom 23.10.2003 (IX ZR 252/01, juris) sei im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 28.4.2010 (IV ZR 73/08, juris) neu zu überdenken.

Wegen des Vortrages im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet (I.). Die Beklagte Ziff. 2 kann Entreicherung in Höhe von 8.822,83 € geltend machen, der Entreicherungseinwand der Beklagten Ziff. 3 greift nicht durch (II).

I.

Die Beklagten sind grundsätzlich zur Zahlung verpflichtet.

Die Anfechtung gem. § 134 InsO ist gegeben. Denn der Kläger hat die Versicherungsleistung gegenüber den vier Beklagten mit Schreiben vom 5.11.2014 wirksam angefochten. Im Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigtem ist die Zuwendung aus einer Lebensversicherung unentgeltlich. Der daraus folgende Anspruch aus § 134 InsO richtet sich auf Rückzahlung der vom Versicherer geleisteten Summe. Im Hinblick auf die Beklagte Ziff. 4 ist festzustellen, dass der BGH mit Urteil vom 22.10.2015 (IX ZR 248/14) entschieden hat, dass eine Einschränkung dieser Rechtslage im Hinblick auf unterhalts- oder versorgungsberechtigte Empfänger nicht möglich ist. Damit hat der BGH die im Nachgang zum Urteil vom 28.4.2010 (IV ZR 73/08, juris) in der Tat zu überdenkende Rechtslage eindeutig im Sinne des Klägers beantwortet. Auch die Gläubigerbenachteiligung ist gegeben. Das Gericht folgt insoweit dem Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 13.09.2016. Danach lagen die Voraussetzungen des § 212 InsO nicht vor. Über das Bestehen einzelner Forderungen muss kein Beweis erhoben werden, vielmehr genügt eine plausible Darstellung der Überschuldung des Nachlasses. Diese hat der Kläger mit den Schriftsätzen vom 28.04.2016 in Verbindung mit den Anlagen K 6-10, 2.09.2016 und 30.06.2016 in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 29.06.2016 an das Amtsgericht Freiburg geliefert. Die Überschuldung ist plausibel, weil zu den Verbindlichkeiten anders als im Rechenwerk der Beklagten auch die möglichen Forderungen der Anfechtungsgegner zählen. Dass von den Forderungen in Höhe von 54.001,45 € Forderungen in Höhe von 48.010,57 € auf die Beklagten entfallen, das ist streitig und von den Beklagten nicht näher dargelegt. Unberücksichtigt lassen die Beklagten auch potentielle Masseverbindlichkeiten aus Feststellungsverfahren in Bezug auf die bestrittenen Forderungen, welche bislang mit 32.065,51 € eingestellt sind. Die Steuerberaterkosten sind derzeit offen, fallen aber möglicherweise an, sodass sie, da die Frist des § 189 InsO noch nicht zu laufen begonnen hat, einzustellen sind. Schließlich fehlen im Rechenwerk der Beklagten noch die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits.

II.

Die Beklagte Ziff. 2 kann sich auf Entreicherung berufen in Höhe von 8.822,83 €. Es handelt sich dabei um Ausgaben -Zeuge Dr. K-, die die Beklagte ohne die Zuwendung nicht getätigt hätte und die sich nicht als sonstiger Vermögenswert fortgesetzt haben (Autoreparatur). Das Fahrzeug musste nicht unbedingt repariert werden, denn die Schäden hatten die Fahrtauglichkeit nicht gemindert. Die Reparaturkosten stellen sich deshalb als Luxusausgaben dar, zumal das Fahrzeug nicht der Beklagten gehört, sondern dem Zeugen Dr. K. Ebenso sind die zahlreichen kleineren Ausgaben Luxusausgaben. Der Zeuge Dr. K ist absolut glaubwürdig und seine Aussage ist in jeder Hinsicht plausibel und nachvollziehbar.

Die Beklagte Ziff. 3 kann sich nicht auf Entreicherung berufen. Das Gericht hält an der Auffassung im Hinweis vom 02.08.2016 fest. Die rechtsgrundlose Weitergabe von 20.000 € ist bestritten und hier wegen der im Hinweis geschilderten Beweislage von der Beklagten Ziff. 3 zu beweisen. Sie hat aber keinen Beweis angeboten und ist deshalb, wie schon im Hinweise mitgeteilt, beweisfällig.

III.

Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf §§ 286, 288 BGB, die übrigen Nebenentscheidungen bestimmen sich nach den §§ 92 Abs. 1, 91 a, 100, 709 ZPO.

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