Nach dem Verlust einer Elektronikladung forderte der Gläubiger aufgrund seines Absonderungsrechts direkt die Zahlung von der Haftpflichtversicherung des insolventen Spediteurs. Die Versicherung sah sich nicht an das rechtskräftige Urteil gebunden und versuchte, Einwände aus dem alten Vertrag geltend zu machen.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wie kann ein Gläubiger die Versicherung eines insolventen Schuldners direkt verklagen?
- Welches Recht galt für den Versicherungsvertrag?
- Warum war das frühere Urteil gegen den Spediteur auch für seine Versicherung bindend?
- Weshalb scheiterten die vertraglichen Einwände der Haftpflichtversicherung?
- Wie funktioniert der direkte Durchgriff auf die Versicherung in der Insolvenz?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann ich die Haftpflichtversicherung verklagen, wenn mein Schuldner insolvent wird?
- Was ist mein Recht auf die Versicherungsleistung im Insolvenzverfahren des Spediteurs?
- Muss die Haftung meines Schuldners schon rechtskräftig festgestellt sein, bevor ich klage?
- Welche vertraglichen Einwände kann die Versicherung gegen meinen direkten Anspruch erheben?
- Welches Recht gilt für den Versicherungsvertrag, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 25 U 1959/24 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 11.08.2025
- Aktenzeichen: 25 U 1959/24 e
- Verfahren: Berufungsverfahren (Hinweisbeschluss)
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Insolvenzrecht, Internationales Privatrecht
- Das Problem: Ein Transportversicherer zahlte einen Schaden wegen gestohlener Elektronikwaren. Der verantwortliche Frachtführer wurde insolvent. Der Transportversicherer verlangt nun die Schadenssumme direkt von der Haftpflichtversicherung des insolventen Frachtführers. Die Haftpflichtversicherung weigert sich zu zahlen.
- Die Rechtsfrage: Muss die Haftpflichtversicherung des insolventen Frachtführers den Schaden direkt an den Transportversicherer zahlen, obwohl sie vertragliche Ausschlüsse oder die Anwendung ausländischen Rechts behauptet?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht beabsichtigt, die Berufung der Versicherung zurückzuweisen. Dem Transportversicherer steht aufgrund der Insolvenz ein gesetzliches Pfandrecht am Anspruch des Frachtführers zu. Einwände der Versicherung sind ungültig, da deutsches Recht gilt und die Haftung bereits durch ein früheres Urteil rechtskräftig festgestellt wurde.
- Die Bedeutung: Haftpflichtversicherer können die Zahlung nicht ablehnen, wenn die Haftung des Versicherten bereits rechtskräftig festgestellt wurde. Ein bloßer Vorschlag des Versicherers zur Anwendung ausländischen Rechts führt nicht automatisch zu einer wirksamen Rechtswahl.
Der Fall vor Gericht
Wie kann ein Gläubiger die Versicherung eines insolventen Schuldners direkt verklagen?
Ein Transportunternehmen verliert eine wertvolle Ladung Elektronik und meldet kurz darauf Insolvenz an. Für den Eigentümer der Ware ist der direkte Anspruch gegen das Unternehmen damit praktisch wertlos. Der Schaden scheint verloren. Das deutsche Versicherungsrecht kennt für genau diesen Fall einen cleveren Mechanismus – ein gesetzliches Pfandrecht, das dem Geschädigten einen direkten Zugriff auf die Haftpflichtversicherung des Pleite-Unternehmens erlaubt.

Der Transportversicherer des Waren-Eigentümers machte von diesem Recht Gebrauch und forderte die Entschädigung direkt vom Haftpflichtversicherer des Spediteurs. Dessen Anwälte konterten mit einer Flut von Einwänden: Der Vertrag unterliege italienischem Recht, die Ware sei gar nicht versichert gewesen, der Anspruch verjährt. Vor dem Oberlandesgericht München ging es um die Frage: Wie stark ist dieser gesetzliche Direktzugriff wirklich – und kann er die vertraglichen Verteidigungslinien einer Versicherung durchbrechen?
Welches Recht galt für den Versicherungsvertrag?
Die Haftpflichtversicherung stützte ihre gesamte Verteidigung auf eine kühne Behauptung: Für den Vertrag gelte italienisches Recht. Ein Sieg an dieser Front hätte weitreichende Folgen gehabt, etwa eine viel kürzere Verjährungsfrist. Als Beweis legte sie ein zweisprachiges Informationsblatt vor. Darin fand sich der Satz, man „schlage vor, auf den Vertrag italienisches Recht anzuwenden.“ Das Oberlandesgericht zerpflückte diese Argumentation. Die Richter stellten klar, dass der Vertrag bereits 2009 geschlossen wurde. Er fiel damit unter altes deutsches Kollisionsrecht (Art. 27 ff. EGBGB a.F.). Dieses Gesetz besagt: Ohne eine klare Rechtswahl gilt das Recht des Staates, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. Das ist üblicherweise der Sitz desjenigen, der die Charakteristische Leistung erbringt – hier der Versicherer mit Hauptniederlassung in Deutschland. Der bloße „Vorschlag“ in einem Informationsblatt war für das Gericht keine wirksame Rechtswahl. Es war eine unverbindliche Information, kein Vertragsbestandteil. Die Umstände sprachen eine deutliche Sprache: deutscher Versicherer, deutsche Versicherungsnehmerin, kein besonderes Risiko mit Bezug zu Italien. Deutsches Recht war anwendbar.
Warum war das frühere Urteil gegen den Spediteur auch für seine Versicherung bindend?
Noch bevor der Spediteur Insolvenz anmeldete, hatten Gerichte seine Haftung für den Diebstahl der Ladung rechtskräftig festgestellt. Der Bundesgerichtshof hatte die Entscheidung zuletzt bestätigt. Die Haftpflichtversicherung versuchte nun im Prozess gegen den klagenden Transportversicherer, die Ergebnisse dieses früheren Verfahrens infrage zu stellen. Sie wollte die Schuldfrage quasi neu aufrollen. Diesen Versuch blockierte das Gericht sofort. Es verwies auf die sogenannte Bindungswirkung von Haftpflichturteilen. Ein Haftpflichtversicherer muss für Schäden geradestehen, für die sein Kunde rechtskräftig verurteilt wurde. Das Gesetz schreibt sogar eine Frist vor: Innerhalb von zwei Wochen nach einem solchen Urteil muss der Versicherer leisten (§ 106 VVG). Der Sinn dahinter ist, eine Doppelprüfung derselben Fakten zu vermeiden. Die Haftung des Spediteurs war geklärt. Der Haftpflichtversicherer konnte die Fakten und die rechtliche Bewertung des Diebstahls nicht einfach ignorieren oder neu verhandeln. Das Urteil stand – und es band auch ihn.
Weshalb scheiterten die vertraglichen Einwände der Haftpflichtversicherung?
Die Versicherung zog weitere Register aus dem Versicherungsvertrag. Sie behauptete, „werthaltige, diebstahlsgefährdete Sachen“ seien vom Schutz ausgeschlossen. Ein Blick in die Police genügte den Richtern, um das zu widerlegen. Eine solche Klausel existierte schlicht nicht. Dann der Vorwurf der Gefahrerhöhung (§ 23 VVG): Der Spediteur habe sein Geschäft ausgeweitet, ohne es zu melden. Auch dieses Argument verfing nicht. Die Versicherungspolice war für hohe Summen ausgelegt – bis zu 1,5 Millionen Euro pro Schadensfall. Der Schaden von rund 76.000 Euro lag weit darunter. Von einer unvorhersehbaren, gravierenden Gefahrerhöhung konnte keine Rede sein. Schließlich brachte die Versicherung eine angebliche Obliegenheitsverletzung ins Spiel: Der insolvente Spediteur habe den Schaden zu spät gemeldet (§ 28 VVG). Das Gericht wies auch das zurück. Selbst wenn eine solche Verletzung vorgelegen hätte, wäre die Versicherung nur dann von der Zahlung befreit, wenn die verspätete Meldung ursächlich für die Feststellung des Schadens oder dessen Höhe gewesen wäre. Die Fakten waren aber längst im vorherigen Haftpflichtprozess geklärt worden. Der Einwand lief ins Leere.
Wie funktioniert der direkte Durchgriff auf die Versicherung in der Insolvenz?
Der juristische Kern des Falles war die Frage, wie der Transportversicherer des Geschädigten überhaupt an das Geld der Haftpflichtversicherung des insolventen Spediteurs kommt. Die Antwort liegt in einer Kaskade von gesetzlichen Regelungen. Zuerst schafft das Versicherungsvertragsgesetz ein sogenanntes Absonderungsrecht (§ 110 VVG). Im Klartext bedeutet das: Wenn ein Versicherungsnehmer insolvent wird, gehört sein Anspruch auf Versicherungsleistung nicht einfach zur allgemeinen Insolvenzmasse. Er ist für den Geschädigten „reserviert“. Dieses Recht wirkt wie ein gesetzliches Pfandrecht am Anspruch des Spediteurs gegen seine Versicherung. Die Insolvenzordnung (§ 50 InsO) bestätigt, dass Inhaber solcher Pfandrechte vor anderen Gläubigern befriedigt werden. Der entscheidende Schritt zur Auszahlung findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch: Ein Pfandgläubiger darf eine verpfändete Geldforderung direkt beim Schuldner einziehen (§ 1282 BGB). Der Transportversicherer war durch das Absonderungsrecht zum Pfandgläubiger geworden. Der Anspruch des Spediteurs gegen seine Versicherung war die verpfändete Forderung. Das rechtskräftige Haftpflichturteil machte die Forderung fällig und bezifferte sie. Damit war der Weg frei. Der Transportversicherer konnte die Entschädigung direkt von der Haftpflichtversicherung einziehen. Deren Versuch, die Berufung durchzufechten, erklärte das Gericht für offensichtlich aussichtslos.
Die Urteilslogik
Gesetzliche Pfandrechte auf Versicherungsansprüche durchbrechen die Insolvenzmasse und sichern geschädigte Gläubiger vor dem Verlust ihrer Forderungen.
- Absonderung sichert den Direktanspruch: Wenn der Versicherungsnehmer insolvent wird, reserviert das Gesetz den Anspruch auf die Haftpflichtleistung für den Geschädigten und schützt ihn dadurch vor dem Zugriff anderer Gläubiger.
- Urteile binden den Versicherer: Ein rechtskräftiges Haftungsurteil gegen den Versicherungsnehmer bindet den Haftpflichtversicherer unwiderruflich und verbietet ihm, die Feststellung der Schadensursache oder -höhe neu zu verhandeln.
- Unverbindliche Rechtswahl scheitert: Eine Rechtswahl gilt nur dann als wirksam vereinbart, wenn die Parteien sie klar vertraglich festlegen; bloße Vorschläge oder unverbindliche Hinweise begründen keine Abweichung vom Recht des Staates der charakteristischen Leistung.
Die Stärke der gesetzlich verankerten Gläubigerrechte überwindet die meisten vertraglichen Einwände der Versicherung und gewährleistet die gerechte Auszahlung des Schadensersatzes.
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Experten Kommentar
Pleite Spediteur, verlorene Ladung – das ist normalerweise ein Totalverlust für den Geschädigten. Dieses Urteil bestätigt jedoch konsequent: Der gesetzliche Direktzugriff auf die Haftpflichtversicherung des Schuldners ist ein mächtiges Instrument, das die Insolvenzmasse elegant umgeht. Es macht deutlich, dass ein Haftpflichtversicherer die einmal rechtskräftig festgestellte Schuld seines Kunden nicht neu verhandeln kann; der Anspruch auf Leistung wird bindend. Alle Versuche, die Zahlung durch vertragliche Klauseln, internationale Rechtswahl oder verspätete Meldung zu verhindern, scheiterten. Für Geschädigte ist das Absonderungsrecht im VVG damit kein Papiertiger, sondern ein scharfes Schwert zur zügigen Schadensregulierung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich die Haftpflichtversicherung verklagen, wenn mein Schuldner insolvent wird?
Ja, Sie können die Haftpflichtversicherung des insolventen Schuldners direkt in Anspruch nehmen und verklagen. Die Insolvenz des schadenverursachenden Unternehmens vernichtet Ihren Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht. Das deutsche Versicherungsvertragsgesetz schützt Geschädigte in dieser Situation durch ein gesetzliches Absonderungsrecht. Dieses System ermöglicht Ihnen den direkten Zugriff auf die Versicherungsleistung, ohne in der Insolvenzmasse zu versinken.
Dieses besondere Recht ist in § 110 VVG festgelegt und sorgt dafür, dass die Versicherungsleistung nicht in die allgemeine Insolvenzmasse fällt. Stattdessen wird der Anspruch auf Zahlung der Versicherung für Sie als Geschädigten automatisch reserviert. Das Absonderungsrecht wirkt wie ein gesetzliches Pfandrecht an der Forderung, die Ihr Schuldner gegen seine eigene Haftpflichtversicherung hat. Dies verschafft Ihnen einen entscheidenden Vorrang gegenüber allen anderen ungesicherten Gläubigern des bankrotten Unternehmens.
Als solcher Pfandgläubiger sind Sie berechtigt, die fällige Geldforderung unmittelbar beim Versicherer einzuziehen, ohne auf die Verteilung der Insolvenzmasse warten zu müssen. Hätten Sie beispielsweise durch ein insolventes Transportunternehmen eine wertvolle Ladung verloren, wenden Sie sich direkt an deren Versicherer. Melden Sie den Anspruch nicht nur zur Tabelle beim Insolvenzverwalter an, da Sie sonst den Vorrang des Absonderungsrechts verzögern oder verspielen könnten.
Kontaktieren Sie den Haftpflichtversicherer umgehend schriftlich und fordern Sie unter Berufung auf § 110 VVG die Bestätigung Ihres bestehenden Absonderungsrechts an, bevor Sie die eigentliche Klage vorbereiten.
Was ist mein Recht auf die Versicherungsleistung im Insolvenzverfahren des Spediteurs?
Die Insolvenz Ihres Spediteurs mindert Ihren Anspruch auf die Haftpflichtleistung nicht. Ihr Anspruch gegen die Versicherung ist juristisch hoch gesichert und wesentlich mehr wert als eine gewöhnliche Forderung in der Insolvenz. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gewährt Ihnen ein Absonderungsrecht (§ 110 VVG), das diesen Anspruch aus der allgemeinen Insolvenzmasse herauslöst.
Dieses spezielle Recht stellt Sie im Rang über alle einfachen Insolvenzschuldner. Die Versicherungsleistung muss primär zur Befriedigung Ihres Schadens verwendet werden und steht nicht der Aufteilung unter allen Gläubigern zur Verfügung. Die Regel ist: Die Insolvenzordnung (§ 50 InsO) bestätigt, dass Inhaber solcher bevorzugter Rechte wie gesetzliche Pfandgläubiger behandelt werden. Ihr Anspruch auf die Versicherungsleistung ist damit faktisch 100 Prozent wert, sofern er der Höhe nach unstrittig ist.
Diese Pfandrechtsstellung berechtigt Sie zur unmittelbaren Geltendmachung der Forderung direkt beim Haftpflichtversicherer. Sie müssen nicht das Ende des Insolvenzverfahrens abwarten, um lediglich eine geringe Quote zu erhalten. Sobald die Haftung des insolventen Spediteurs feststeht, dürfen Sie die fällige Versicherungsleistung direkt einziehen. Der Insolvenzverwalter darf diesen reservierten Anspruch nicht für die Befriedigung der allgemeinen Gläubigermasse verwenden.
Sichern Sie alle Kommunikationsprotokolle, die belegen, wann der Haftpflichtschaden beim Spediteur gemeldet wurde, da die Versicherung oft versuchen wird, eine verspätete Meldung als Einwand geltend zu machen.
Muss die Haftung meines Schuldners schon rechtskräftig festgestellt sein, bevor ich klage?
Die Klage direkt gegen die Haftpflichtversicherung ist zwar möglich, aber taktisch ungünstig, solange kein rechtskräftiges Haftungsurteil gegen den eigentlichen Schädiger vorliegt. Dieses Urteil ist für den Prozess gegen den Versicherer von größter Bedeutung. Liegt es vor, ist es für die Versicherung bindend – man spricht von der Bindungswirkung. Damit blockiert das Gericht jeden Versuch des Versicherers, die Schuldfrage neu aufzurollen.
Ohne ein solches gerichtliches Vorurteil würde die Versicherung im Prozess gegen Sie die gesamte Schuldfrage erneut verhandeln. Sie könnte sämtliche denkbaren Einwände gegen die Haftung ihres Kunden vorbringen, wodurch sich der Rechtsstreit massiv in die Länge zieht. Die Bindungswirkung hingegen garantiert die Vermeidung einer Doppelprüfung derselben Fakten, was das Verfahren gegen den zahlungskräftigen Versicherer stark fokussiert und beschleunigt.
Sobald das Haftungsurteil gegen Ihren Schuldner rechtskräftig ist, gerät die Haftpflichtversicherung unter erheblichen Zeitdruck. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) schreibt in § 106 VVG vor, dass der Versicherer nur zwei Wochen Zeit hat, um die fällige Leistung zu erbringen. Verstreicht diese Frist ungenutzt, gerät der Versicherer automatisch in Verzug. Dies ist ein sehr wirksames juristisches Instrument, um die Entschädigungszahlung schnellstmöglich zu erzwingen.
Überprüfen Sie sofort den Status des Urteils gegen den Schuldner. Ist es rechtskräftig, setzen Sie dem Haftpflichtversicherer unter Berufung auf § 106 VVG eine Frist von 14 Tagen zur Leistung.
Welche vertraglichen Einwände kann die Versicherung gegen meinen direkten Anspruch erheben?
Die Haftpflichtversicherung nutzt oft Standardeinwände, um die Leistung zu verweigern, obwohl der Geschädigte einen direkten Anspruch besitzt. Sie versucht, sich auf interne Vertragsklauseln zu berufen, die angeblich die Zahlung ausschließen oder verspätete Meldungen sanktionieren. Dies betrifft meist den Schutzumfang, die Meldefristen und die Geschäftsrisiken des Versicherten. Geschädigte müssen diese Argumente präzise widerlegen können, um ihren Anspruch durchzusetzen.
Die erste Verteidigungslinie sind Ausschlussklauseln, die beispielsweise den Versicherungsschutz für „diebstahlsgefährdete Sachen“ negieren sollen. Solche Ausschlüsse müssen jedoch zwingend und wörtlich in der Versicherungspolice verankert sein. Fehlt die exakte Formulierung im Vertragstext, ist der Einwand der Versicherung haltlos. Weiterhin berufen sich Versicherer auf die ungemeldete Gefahrerhöhung gemäß § 23 VVG. Dieser Einwand greift nur, wenn eine gravierende, unvorhersehbare Risikoveränderung eingetreten ist, nicht jedoch bei einer normalen oder vertraglich vorgesehenen Geschäftsausweitung des Versicherten.
Ein dritter häufiger Einwand ist die verspätete Meldung des Schadens, die als Obliegenheitsverletzung nach § 28 VVG gewertet wird. Entscheidend ist hierbei die Kausalität der Versäumnisse für den Schaden. Die Versicherung wird nur von der Zahlung befreit, wenn die verspätete Meldung nachweislich ursächlich dafür war, dass die Feststellung des Schadens oder seiner Höhe erschwert oder unmöglich wurde. Wenn die Fakten der Haftung bereits in einem früheren Gerichtsverfahren geklärt wurden, verpufft dieser Einwand meist.
Fordern Sie die Versicherung auf, Ihnen die exakte, wörtliche Passage des angeblich verletzten Vertrages vorzulegen, um unbegründete Ablehnungen zu entkräften.
Welches Recht gilt für den Versicherungsvertrag, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde?
Wenn in einem Versicherungsvertrag keine wirksame Rechtswahl klar vereinbart wurde, greift das nationale Kollisionsrecht, um das anwendbare Recht zu bestimmen. Bei Verträgen, die vor der Geltung der Rom-I-Verordnung geschlossen wurden, ist Art. 27 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB a.F.) maßgeblich. Dieses Gesetz bestimmt das Recht des Staates, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. Dies führt in aller Regel zur Anwendung des deutschen Rechts, da der Sitz des Versicherers oft den Ausschlag gibt.
Gerichte wenden das alte Kollisionsrecht an, indem sie prüfen, wer die sogenannte charakteristische Leistung erbringt. Da der Versicherer die primäre Leistung, nämlich den Versicherungsschutz, bereitstellt, gilt das Recht seines Hauptsitzes. Ein bloßer „Vorschlag“ zur Anwendung ausländischen Rechts in einem unverbindlichen Dokument, wie einem Informationsblatt, reicht niemals aus, um deutsches Recht zu verdrängen. Die Rechtswahl muss explizit und transparent vertraglich fixiert sein, ansonsten bleibt sie juristisch wertlos.
Häufig versuchen Versicherer, durch die Behauptung ausländischen Rechts kürzere Verjährungsfristen geltend zu machen, um Ansprüche abzuwehren. Solche Versuche scheitern jedoch, wenn alle objektiven Faktoren wie der Hauptsitz des Versicherers und die Nationalität des Versicherungsnehmers auf Deutschland hinweisen. Die Tatsache, dass der deutsche Versicherer die charakteristische Leistung erbringt, überstimmt vage Hinweise auf Italien oder andere Länder.
Stellen Sie das genaue Datum des Vertragsabschlusses fest, um die Anwendbarkeit des alten Kollisionsrechts (Art. 27 EGBGB a.F.) zu belegen und mit dem Hauptsitz des Versicherers die Geltung deutschen Rechts zu sichern.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Absonderungsrecht
Das Absonderungsrecht gemäß § 110 VVG ermöglicht einem Geschädigten, seinen Anspruch auf Versicherungsleistung direkt aus der Insolvenzmasse des Schuldners herauszulösen.
Diese gesetzliche Regelung dient als Schutzmechanismus, damit die Versicherungsleistung nicht an alle Gläubiger verteilt wird, sondern ausschließlich dem geschädigten Dritten zugutekommt. Das Gesetz stellt den Geschädigten damit faktisch einem Pfandgläubiger gleich.
Beispiel: Der Transportversicherer konnte dank des Absonderungsrechts seine Forderung direkt beim Haftpflichtversicherer des insolventen Spediteurs geltend machen und musste keine geringe Insolvenzquote hinnehmen.
Bindungswirkung
Juristen nennen die Bindungswirkung den Effekt, dass ein rechtskräftiges Haftungsurteil gegen den Versicherungsnehmer automatisch auch den Haftpflichtversicherer bindet.
Der Zweck dieses Prinzips ist es, eine ineffiziente Doppelprüfung derselben Tatsachen in zwei getrennten Prozessen zu vermeiden. Ist die Schuld des Versicherten geklärt, kann der Versicherer die Fakten nicht neu verhandeln.
Beispiel: Obwohl der Haftpflichtversicherer versuchte, die Schuldfrage neu aufzurollen, blockierte das Gericht diesen Versuch wegen der festgestellten Bindungswirkung des vorausgegangenen BGH-Urteils gegen den Spediteur.
Charakteristische Leistung
Die charakteristische Leistung ist das zentrale Kriterium im alten Kollisionsrecht (Art. 27 EGBGB a.F.), um zu bestimmen, welches nationale Recht auf einen Vertrag anwendbar ist, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde.
Mithilfe dieses Konzepts identifizieren Richter, welche Vertragspartei die typische oder nicht-monetäre Leistung erbringt, um dadurch die engste Verbindung des Vertrages zu einem Staat festzustellen. Bei Versicherungen ist das in der Regel der Versicherer selbst, da er den Schutz bereitstellt.
Beispiel: Da der deutsche Versicherer die charakteristische Leistung erbrachte, urteilte das Oberlandesgericht München, dass trotz eines italienischen Vorschlags deutsches Recht Anwendung finden musste.
Kausalität
In juristischen Zusammenhängen beschreibt die Kausalität den notwendigen Ursache-Wirkung-Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis oder einer Pflichtverletzung und dem daraus resultierenden Schaden oder Nachteil.
Bei Einwänden wegen einer Obliegenheitsverletzung muss die Versicherung beweisen, dass die Pflichtverletzung (z.B. verspätete Meldung) ursächlich dafür war, dass der Schaden nicht festgestellt oder seine Höhe nicht bestimmt werden konnte. Fehlt dieser Zusammenhang, bleibt der Versicherungsschutz erhalten.
Beispiel: Selbst bei einer verspäteten Schadensmeldung entfällt die Zahlungspflicht des Versicherers nicht, da die Kausalität fehlte, weil die Haftungsfakten bereits im rechtskräftigen Vorprozess geklärt waren.
Kollisionsrecht
Das Kollisionsrecht – auch Internationales Privatrecht (IPR) genannt – liefert die Regeln, um festzulegen, welche nationale Rechtsordnung (z.B. deutsch, italienisch) bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbar ist.
Die Anwendung des Kollisionsrechts verhindert, dass Gerichte willkürlich Gesetze auswählen, indem es objektive Kriterien für die Bestimmung der gültigen Rechtsbasis bereitstellt. Im vorliegenden Fall musste das Gericht das alte deutsche Kollisionsrecht (EGBGB a.F.) heranziehen, um die Rechtswahl zu prüfen.
Beispiel: Hätte das Oberlandesgericht fälschlicherweise italienisches Kollisionsrecht angewandt, hätte dies zu einer drastisch kürzeren Verjährungsfrist für den Geschädigten führen können.
Obliegenheitsverletzung
Eine Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer eine vertraglich oder gesetzlich vorgeschriebene Pflicht, die nicht die Hauptleistung betrifft, schuldhaft missachtet, wie etwa die Pflicht zur unverzüglichen Schadensmeldung (§ 28 VVG).
Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass der Versicherer alle notwendigen Informationen rechtzeitig erhält, um den Schaden prüfen und gegebenenfalls Abwehrmaßnahmen ergreifen zu können. Bei schwerwiegender Verletzung kann dies zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen.
Beispiel: Das Gericht wies den Einwand der Obliegenheitsverletzung zurück, da die behauptete verspätete Meldung des insolventen Spediteurs keinen kausalen Nachteil für die Feststellung des Diebstahlschadens zur Folge hatte.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 25 U 1959/24 e – Hinweisbeschluss vom 11.08.2025
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