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Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit in einem Prozess gegen eine Versicherung

LG Saarbrücken, Az.: 12 O 233/08

Beschluss vom 17.01.2014

Die Gesuche der Klägerinnen vom 21.10.2013 und vom 02.12.2013, den Sachverständigen … wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerinnen auf Schadensersatz wegen brandbedingter Beschädigung des Flugzeugs Typ „Cessna Citation 560 XLS“ mit der Registrierung … und der Seriennummer … im Zusammenhang mit der Überlassung einer Flugzeugbatterie durch die Insolvenzschuldnerin, die Fa. …

Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit in einem Prozess gegen eine Versicherung
Symbolfoto: Elnur/bigstock

Die Klägerinnen hatten unter dem 23.07.2008 Klage eingereicht, die sich ursprünglich gegen die … richtete, der die Klägerinnen diverse Wartungsfehler im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Flugzeugbatterie vorwarfen. Nachdem über das Vermögen der … das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, haben die Klägerinnen das Verfahren seit dem 22.04.2010 gegen Herrn Rechtsanwalt … als Insolvenzverwalter fortgeführt.

Im weiteren Prozessverlauf wurden Herr … mit Beschluss der Kammer vom 01.02.2011 (Bl. 1222 d.A.), und auf dessen Anregung mit Beschluss vom 11.03.2011 daneben Herr …, zu Sachverständigen bestellt. Vorausgegangen waren längere Verhandlungen der Parteien in dem Versuch, sich auf einen Sachverständigen zu einigen. Mit Schriftsatz vom 25.11.2010 (Bl. 1100 d.A.) schlugen die Prozessbevollmächtigten des Beklagten Herrn … als Sachverständigen vor, wobei sie darauf hinwiesen, dass zu diesem „weder der Beklagte noch die Gemeinschuldnerin jemals Kontakt“ hatte. Eine unterstützende Hinzuziehung des Herrn … für die Erstellung des Gutachtens hatten die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 14.12.2010 (Bl. 1155 d.A.) selbst vorgeschlagen.

Das von den Sachverständigen aufgrund gemeinsamer Urteilsfindung erstattete schriftliche Gutachten vom 30.10.2011 ist am 08.11.2011 bei Gericht eingegangen und von diesen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.07.2012 erläutert worden (Bl. 1574ff. d.A.).

Ein erstes, auf vorgehende geschäftliche Beziehungen des Sachverständigen zu den für den Klagevorwurf letztlich einstandspflichtigen Versicherungen gestütztes Befangenheitsgesuch der Klägerinnen vom 07.09.2012 (Bl. 1696 d.A.) ist mit nicht angegriffenem Beschluss der Kammer vom 30.11.2012 (Bl. 1784 d.A.) als unbegründet zurückgewiesen worden.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2013, am Landgericht Saarbrücken am selben Tag eingegangen (Bl. 2102 d.A.), haben die Klägerinnen den Sachverständigen erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, die Klägerinnen hätten am 07.10.2013 erfahren, dass der gerichtliche Sachverständige … bereits vor dem streitgegenständlichen Schadensfall in einer engen geschäftlichen Beziehung zu der zwischenzeitlich liquidierten … Gruppe (…, … und …) in … gestanden habe. Zudem sei der Sachverständige auf privater Ebene ein enger Bekannter von Herrn …, dem Gründer der … Gruppe und Geschäftsführer zweier derer Gesellschaften. Beides habe Herr … in einem Telefonat mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 09.10.2013 bestätigt. Dass der Sachverständige diese Verbindung vor Gutachtenerstattung verschwiegen habe, rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit.

Der Sachverständige hat sich mit dienstlicher Stellungnahme vom 16.11.2013 (Bl. 2248 d.A.) zum Befangenheitsantrag geäußert, seine geschäftlichen Kontakte zur … Gruppe in der Vergangenheit detailliert beschrieben und insbesondere ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine weitergehende Bekanntschaft oder gar Freundschaft zu Herrn … nicht bestanden habe. Im Rahmen seiner dienstlichen Stellungnahme hat der Sachverständige zudem als „Vorbemerkung“ Angaben zu einem Gespräch mit dem im Verfahren bislang nicht aufgetretenen Herrn … vom 10.11.2011 gemacht, der dem Sachverständigen im Rahmen dieses Gespräches eine Aussage von Herr … – dem Geschäftsführer der Klägerinnen zu 2) und 3) – wiedergegeben habe, wonach Herr … nach Entdeckung des streitgegenständlichen Brandes einen Fehler seinerseits eingeräumt habe.

Auf diese „Vorbemerkung“ in der dienstlichen Stellungnahme des Sachverständigen haben die Klägerinnen einen zweiten Befangenheitsantrag vom 02.12.2013 gestützt. Es begründe eine weitere Besorgnis der Befangenheit, dass sich der Sachverständige im Rahmen seiner Stellungnahme nicht lediglich zu den vorgetragenen Befangenheitsgründen äußere, sondern sachfremde Erwägungen mache. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Sachverständige aufgrund dieses von ihm wiedergegebenen Gespräches mit einer unbekannten dritten Person eine einseitig gefestigte Grundhaltung gegenüber den Klägerinnen eingenommen und sein Gutachten daher nicht unparteiisch erstattet habe.

Die dienstliche Stellungnahme vom 16.11.2013 wurde nach Vermerk der Geschäftsstelle (Bl. 2242 RS d.A.) beiden Prozessbevollmächtigten am 26.11.2013 (formlos) übermittelt; der Befangenheitsantrag vom 02.12.2013 ging am selben Tag bei Gericht ein.

II.

Die Befangenheitsanträge der Klägerinnen sind nicht begründet, der unter dem 21.10.2013 gestellte Antrag zudem unzulässig.

1.

Der Befangenheitsantrag vom 21.10.2013 ist bereits unzulässig, da nach § 406 Abs. 2 ZPO nicht fristgemäß eingelegt.

a)

Dabei kann zunächst (erneut) offen bleiben, inwieweit eine Pflicht der Klägerinnen darin bestanden hätte, sich bereits im Jahr 2011 im Zusammenhang mit der Bestellung des Sachverständigen über dessen Person und seine Beziehungen zu den weiteren Prozessbeteiligten zu informieren. Zur rechtlichen Problematik wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf den Beschluss der Kammer vom 30.11.2012 verwiesen. Das Gericht ist hier nach wie vor der Auffassung, dass es den Klägerinnen unproblematisch möglich und insofern von diesen zu erwarten gewesen wäre, den im Saarland ansässigen Sachverständigen zu vorgehenden Kontakten zu der in … ansässigen … Gruppe zu befragen.

Doch auf das Bestehen einer solchen Nachforschungspflicht kommt es, bezogen auf den vorliegend geltend gemachten Ablehnungsgrund etwaiger – geschäftlicher oder privater – Kontakte des Sachverständigen … zu Herrn …, von vornherein nicht an. Denn besagter Herr … steht selbst auf Seiten der Klägerinnen. Wie sich aus dem der Klageschrift als Anlage K3 beigelegten Versicherungsvertrag (Bl. 15 d.A.) ergibt, ist oder jedenfalls war Herr … – neben dem Geschäftsführer der Klägerin zu 2) Herr … – Mitglied des Aufsichtsrates (…) der …, der Klägerin zu 3). Unter diesem Gesichtspunkt fehlt es aber auf Seiten der Klägerinnen – unabhängig der streitigen Frage der Zulässigkeit einer eidesstattlichen (Partei-)Erklärung – an einer hinreichenden Glaubhaftmachung dafür, dass sie an einer früheren Kenntnis der vorgetragenen Befangenheitsgründe unverschuldet gehindert waren. So hält es das Gericht für ausgeschlossen, das vorliegender Schadensfall zwischen Herrn … und Herrn … nicht schon früher in allen Einzelheiten besprochen worden wäre. Gerade die Richtigkeit des Vorbringens der Klägerinnen unterstellt, dass sich Herr … bei sämtlichen Problemfällen in erster Linie an den Sachverständigen … wandte, dürfte dies auch hier auf Seiten der Klägerin zu 3) geschehen sein, bzw. die „Personalie …“ dort besprochen worden sein.

Entsprechend ist dann aber von frühzeitiger Kenntnis der hier angegriffenen Kontakte bei den Klägerinnen auszugehen. Hinsichtlich der Klägerin zu 3) folgt dies aus der Stellung von Herr … selbst, bei den Klägerinnen zu 2) (und zu 3)) aus der anzunehmenden Kenntnis von Herr … Letztlich geht das Gericht aber auch von einer Verfristung zulasten der Klägerin zu 1) aus. Soweit ersichtlich ist die Frage bislang nicht erörtert, ob und wenn ja inwieweit die Kenntnis möglicher Befangenheitsgründe zwischen den Parteien einer Seite zugerechnet werden könnte. Jedenfalls für den vorliegenden Fall folgt eine Verfristung des Befangenheitsgesuchs auch der Klägerin zu 1) aber aus dem Verschuldensbegriff des § 406 Abs. 2 ZPO. Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich um die hinter den Klägerinnen zu 2) und zu 3) stehende Versicherung, die mangels eigener Kenntnis vom Ablauf des Schadensfalls in ihrer Prozessführung schon grundsätzlich in weiten Teilen von den anderen abhängig ist. In dieser Situation ist aber von einer fürsorglichen Partei zu erwarten, dass sie sich regelmäßig mit den auf ihrer Seite stehenden Parteien ins Benehmen setzt und über die wesentlichen Punkte des Prozesses informiert. Mit Blick auf den schon über einen längeren Zeitraum absehbaren ungünstigen Prozessverlauf (spätestens seit Ende 2011) und insbesondere den bereits zuvor gestellten Befangenheitsantrag wäre hier von der Klägerin zu 1) eine frühzeitige Auseinandersetzung auch mit der Person des Sachverständigen zu erwarten gewesen, weshalb eine unverschuldete Unkenntnis nicht anzunehmen ist.

b)

Nicht rechtzeitig gestellt und damit unzulässig ist der Befangenheitsantrag vom 21.10.2013 aber auch dann, wenn man allein auf die vorgetragene Neukenntnis im Oktober 2013 abstellt.

aa)

Ein Befangenheitsgrund ist außerhalb der in § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO genannten Zwei-Wochen-Frist nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern unverzüglich geltend zu machen (OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2013, I – 32 W 1/13). Liegt kein Fall des § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO vor, hat eine Partei den nach zu einem späteren Zeitpunkt auftretenden Befangenheitsgrund nach allgemeiner Meinung „unverzüglich“, somit ohne schuldhaftes Zögern gemäß § 121 BGB, geltend zu machen (Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage, § 406 Rn. 48; Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 406 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Auflage, § 406 Rn. 23, jeweils mit weiteren Nachweisen). Unverzüglich bedeutet dabei, dass in einem einfach gelagerten Fall bereits wenige Tage, regelmäßig 3 – 5 Tage, ausreichend sein können, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen und vorzutragen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.06.2012, 7 W 48/12).

bb)

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Befangenheitsgesuch verfristet. Die Klägerinnen behaupten, am 07.10.2013 von vorgehenden geschäftlichen und privaten Kontakten des gerichtlichen Sachverständigen … zu Herrn … erfahren zu haben. Im Anschluss habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen unter dem 09.10.2013 mit Herrn … telefoniert. Ausgehend davon ist aber nicht ersichtlich, warum das Befangenheitsgesuch erst am 21.10.2013 bei Gericht einging.

Die in dem Befangenheitsgesuch dargelegten Vorgänge sind in tatsächlicher Hinsicht überaus einfach zu erfassen und für die Klägerinnen als mögliche Befangenheitsgründe ohne weiteres zu erkennen. Dies wird bereits durch den zeitlichen Ablauf aufgezeigt, wonach der Geschäftsführer der Klägerin zu 2), Herr …, sich am 07.10.2013 direkt an seine Prozessbevollmächtigte wandte und diese schon am 09.10.2013 mit Herrn … telefonierte. Nach diesem Telefonat waren aber alle für die Klägerinnen eventuell bedeutsamen Informationen vollständig bekannt, weitere Nachforschungen in irgendeiner Hinsicht nicht mehr erforderlich. Ein Zuwarten von weiteren 12 Tagen bis zur Stellung des Befangenheitsgesuchs ist daher nicht mehr als unverzüglich anzusehen.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung, dass eine den Umständen nach angemessene Prüfungs- und Überlegungszeit der Unverzüglichkeit nicht entgegensteht (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2005, VI ZB 74/04). Mit Blick auf das bereits zuvor unter dem 07.09.2012 wegen Verbindungen des Sachverständigen … zu den hinter dem Beklagten stehenden Versicherungen gestellte Befangenheitsgesuchs ist für die nunmehr vorliegende Konstellation nicht nachvollziehbar, dass die Klägerinnen einen längeren Zeitraum als die benannten 3 – 5 Tage für die Entscheidung gebraucht haben wollen, ob sie den Sachverständigen jetzt auch wegen der anzunehmenden Verbindungen zur … Gruppe selbst als befangen ablehnen möchten. Tatsächlich ist das Gericht vollständig davon überzeugt, dass die Entscheidung der Klägerinnen, einen weiteren Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen zu stellen, am 09.10.2013 bereits abschließen getroffen worden war. Dies gilt jedenfalls unzweifelhaft für die von Herr … als deren Geschäftsführer vertretenen Klägerinnen zu 2) und zu 3); die jedenfalls zu erwartende Zustimmung der Klägerin zu 1) war dann aber – bei Telefonat durch Herrn … auch ohne Sprachschwierigkeiten – binnen eines oder zwei weiteren Tagen zu bekommen.

Entsprechend ist das Gesuch vom 21.10.2013 im Ergebnis als verfristet anzusehen.

2.

Darüber hinaus sind beide Befangenheitsanträge unbegründet. Die Ablehnung eines Sachverständigen wird von § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO unter die gleichen Voraussetzungen einer Richterablehnung nach § 42 ZPO gestellt. Nach § 42 Abs. 1, 2 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dafür ist das Vorliegen eines Sachverhalts erforderlich, der von dem Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit <des Richters> gibt (BVerfG, Beschluss vom 05.04.1990, 2 BvR 413/88; BGH, Beschluss vom 18.04.1980, RiZ 1/80; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 42 Rn. 9). Dazu zählen eine negative Einstellung gegenüber einer Partei unter Bevorzugung der anderen Partei, unsachliche Äußerungen oder die willkürliche Benachteiligung einer Partei in der Ausübung ihrer Rechte (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 20ff.). Erforderlich ist stets, dass das Verhalten des Richters (hier: des Sachverständigen) geeignet ist, den Eindruck einer unsachlichen, auf Voreingenommenheit beruhenden Einstellung gegenüber der Partei oder der streitbefangenen Sache zu erwecken (BGH, Beschluss vom 30.01.1986, X ZR 70/84).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen … weder mit Blick auf die behauptete Beziehung zu Herrn … noch aufgrund des Inhalts seiner dienstlichen Stellungnahme vom 16.11.2013 anzunehmen.

a) Befangenheitsantrag vom 21.10.2013

Allerdings können die von den Klägerinnen vorgebrachten Punkte, jetziges oder früheres Anstellungsverhältnis bei einer Partei (OLG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2019 83, 1 W 4/83) bzw. bestehende geschäftliche Beziehungen (BGH, Beschluss vom 13.01.1987, X ZR 29/86) sowie besondere freundschaftliche Kontakte zu einer Partei (OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2012, I – 1 W 20/12) unter Umständen eine Besorgnis der Befangenheit begründen. Maßgeblich sind jedoch stets die konkreten Umstände des Einzelfalls (MüKo/Zimmermann, ZPO, § 406 Rn. 5). So können im Rahmen des Beruflichen bestehende Kontakte des Sachverständigen zu einer Prozesspartei oder ein hieraus resultierendes allgemein kollegiales Verhältnis alleine die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen (OLG München, Beschluss vom 12.01.2012, 1 W 2183/11). Auch unter Berücksichtigung aller klägerseits vorgetragenen Umstände ist aber nicht ersichtlich, inwiefern von einer voreingenommenen Parteilichkeit des Sachverständigen … ausgegangen werden sollte.

aa)

Soweit die Klägerinnen enge persönliche Kontakte des Sachverständigen … zu Herrn … zur Begründung der Besorgnis einer Befangenheit heranziehen, haben sie schon keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen. Wie ausgeführt, sind bei der Beurteilung persönlicher Beziehungen reine Bekanntschaften oder ein allgemein kollegiales Verhältnis nicht zu berücksichtigen. Eine enge Beziehung des Sachverständigen zu Herrn … im Sinne einer echten Freundschaft haben die Klägerinnen jedoch nicht einmal substantiiert behauptet. Eine solche Verbindung hat der Sachverständige auch selbst klar verneint. Soweit unter Bezugnahme auf das Telefonat der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen mit Herrn … ein „guter Draht“ zu dem Sachverständigen vorgetragen ist, bezog sich dieser nach der eigenen Darstellung der Klägerinnen auf die Abklärung betrieblicher Störungen/Schadensfälle und damit auf einen rein geschäftlichen Kontakt. Allein dass sich die Beteiligten geduzt oder Telefonnummern ausgetauscht haben sollen, ist für eine Besorgnis der Befangenheit in keiner Weise ausreichend. Eine sonstige private Verbindung zwischen dem Sachverständigen und Herr … in Form privater Treffen o.ä. ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

bb)

Die von den Klägerinnen vorgetragenen Kontakte des Sachverständigen zur … Gruppe sind aber auch darüber hinaus nicht geeignet, aus Sicht einer verständigen Prozesspartei die Besorgnis einer Befangenheit zu begründen. Selbst den Angaben der Klägerinnen folgend, bestand zwischen dem Sachverständigen und der … Gruppe keine solch enge geschäftliche Beziehung, dass hieraus eine besondere Verbundenheit des Sachverständigen – geschweige denn eine wirtschaftliche Abhängigkeit – zu schließen wäre. Unstreitig bestehen in dem hier maßgeblichen spezialisierten Teil der Luftfahrtbranche solch enge Verflechtungen zwischen verschiedensten Personen, Firmen und Institutionen, dass per se nicht verlangt werden kann, zwischen dem Sachverständigen und den Prozessparteien habe im Vorfeld keinerlei Kontakt bestanden.

(1)

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen bestand eine über das übliche Maß kollegialer Zusammenarbeit in der Luftfahrtbranche hinausgehende Bekanntschaft zwischen dem Sachverständigen und Herrn … nicht. Nach den Angaben des Sachverständigen im Rahmen seiner dienstlichen Stellungnahme beschränkten sich seine Kontakte zur … Gruppe auf drei Beauftragungen innerhalb von zwölf Jahren mit Gesamt(lohn)zahlungen von nur wenigen 100 €. Die übrigen Kontakte zwischen dem Sachverständigen und der … Gruppe resultierten dagegen aus Beauftragungen des Sachverständigen durch verschiedene Versicherungen, bei denen dieser gleichsam auf der Gegenseite der … Gruppe stand. Inwieweit in diesem Fall eine Voreingenommenheit zugunsten der Beklagtenseite resultieren könnte, ist nicht ersichtlich. Dass zwischen den Beteiligten zuvor keinerlei Kontakt bestanden hätte, ist wie ausgeführt nicht erforderlich.

(2)

Danach wäre eine Besorgnis der Befangenheit schon im Verhältnis des Sachverständigen zu einer „echten“ Prozesspartei nicht gegeben. Noch viel weniger gilt dies für die vorliegende Konstellation, dass die behaupteten Kontakte überhaupt nicht zu der (ehemaligen) beklagten Partei, der …, bestanden haben sollen, sondern lediglich zu anderen der gleichen Gruppe angehörenden Firmen. Insgesamt auszuschließen ist eine Unparteilichkeit des Sachverständigen letztlich aber insbesondere unter Berücksichtigung der vorliegenden Parteikonstellation, dass sich die Klage seit dem 22.04.2010 – und damit vor Beauftragung des Sachverständigen – gegen Herrn Rechtsanwalt … als Insolvenzverwalter richtet. Behält man im Blick, dass die Beurteilung einer Besorgnis der Befangenheit nicht anhand abstrakter (Beziehungs-)Fragen zu beurteilen ist, sondern allein an die berechtigte tatsächliche Befürchtung einer Partei darin anknüpft, der Sachverständige könne ein persönliches Interesse an dem Obsiegen einer bestimmten Partei haben, ist ein solches zu Gunsten des jetzigen Beklagten schlechterdings nicht zu erkennen. Nachdem über das Vermögen der vormaligen Beklagten, der …, das Insolvenzverfahren im Zeitpunkt seiner Beauftragung bereits eröffnet war, war dem Sachverständigen ohne weiteres bewusst, dass das Ergebnis des Prozesses (und damit seiner Begutachtung) für die Insolvenzschuldnerin keine bedeutsamen Folgen mehr haben würde.

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich neben dem Schutz rein wirtschaftlicher Interessen einer Partei eine Voreingenommenheit auch daraus ergeben könnte, dass der Sachverständige die von ihm bevorzugte Seite von bestimmten (je nach Fallgestaltung eventuell ehrenrührigen) Vorwürfen freizuhalten versucht. Doch eine solche Gefahr ist vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der Sachverständige … die aus mehreren Firmen bestehende „… Gruppe“ davor hätte schützen wollen, für den (Wartungs-)Fehler eines Mitarbeiters einstehen zu müssen. Einen insgesamt schädlichen Ruf hätte ein solch einmaliger Vorfall ohne Zweifel nicht verursacht, dieser zudem wie ausgeführt auch keine (wirtschaftlichen) Auswirkungen mehr gehabt.

cc)

Das Befangenheitsgesuch könnte im Übrigen selbst dann keinen Erfolg haben, wenn man unter Außerachtlassung etwaiger Folgen einer fehlerhaften Begutachtung allein auf die von den Klägerinnen herausgehobene Beziehung des Sachverständigen zu Herrn … abstellen wollte. Denn wie oben aufgezeigt, wäre Herr … im weiten Sinn dem Rechtskreis beider Seiten dieses Prozesses zuzuordnen, womit eine Voreingenommenheit des Sachverständigen zu einer der prozessbeteiligten Parteien in jedem Fall ausgeschlossen scheint.

dd)

Letztlich kann dem Sachverständigen in diesem Zusammenhang auch nicht vorgeworfen werden, dass er pflichtwidrig eine ausdrückliche Frage nach vormaligen Verbindungen zu einer der Prozessparteien verneint hätte. Denn die entsprechende Angabe eines vormals vollständig fehlenden Kontakts des Sachverständigen zu dem Beklagten oder der Gemeinschuldnerin kam allein von der Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Darüber hinaus heißt es in den maßgeblichen Schriftsatz vom 25.11.2010 (Bl. 1103 der Akte) lediglich, dass der Sachverständige … in einem telefonischen Gespräch angegeben habe, dass er als Sachverständiger für die im Beweisbeschluss aufgeführten Fragen in Frage käme. Gab es aber – wie vorliegend für sich genommen eine Besorgnis der Befangenheit nicht ausreichende – geschäftliche Kontakte des Sachverständigen zur … Gruppe, kann eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die Prozessvertreter des Beklagten diese Kontakte negierten; dies insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt, dass sich den vorgehenden Verfügungen des Gerichts deutlich entnehmen lässt, dass der Sachverständige … unabhängig eines etwaigen Einverständnisses der Klägerinnen bestellt wurde.

Insoweit kann eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen auch nicht daraus abgeleitet werden, dass er die vormaligen Kontakte nicht von alleine offenbarte. Denn die Pflicht eines Sachverständigen, mögliche Befangenheitsgründe offen zu legen, beschränkt sich auf solche Tatsachen, an deren Kenntnis auch eine vernünftig denkende Prozesspartei interessiert ist. Gab es aber wie vorliegend lediglich allgemeine und länger zurückliegende Kontakte, war eine Angabe durch den Sachverständigen entbehrlich. Im Übrigen wäre nicht erkennbar, dass der Sachverständige den für die eigentliche Beweisfrage irrelevanten Schriftsatz vom 25.11.10 und die dort enthaltene Zusicherung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zur Kenntnis genommen hätte.

b) Befangenheitsantrag vom 02.12.2013

Auch der – unverzüglich und damit fristgemäß eingegangene – Befangenheitsantrag der Klägerinnen vom 02.12.2013 ist nicht begründet. Aus der von dem Sachverständigen … seiner dienstlichen Stellungnahme vom 16.11.2013 vorangestellten „Vorbemerkung“ sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass dieser dem erstatteten Gutachten fehlerhafte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt oder von vorneherein eine gegenüber den Klägerinnen nachteilige Position eingenommen hätte.

aa)

Zunächst einmal ist nicht erkennbar, inwieweit der Sachverständige mit seiner „Vorbemerkung“, den Boden der sachlichen Auseinandersetzung verlassen hätte. Wie sich der von den Parteien zitierten und inhaltlich überzeugenden obergerichtlichen Rechtsprechung (u.a. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.03.2008, 5 W 42/08; OLG Oldenburg, Beschluss vom 19.01.1999, 2 W 5/99; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.09.1997, 5 WF 115/96) entnehmen lässt, können Zweifel an der Unvoreingenommenheit eines Sachverständigen unter anderem dann gegeben sein, wenn dieser unsachlich auf Einwendungen gegen sein Gutachten oder mit unsachlicher oder überzogener Kritik an eine Partei reagiert.

Ein solches Verhalten hat der Sachverständige im Rahmen des Prozesses aber in keiner Weise gezeigt. Tatsächlich hat er sich mit den seiner Beauftragung zu Grunde liegenden Fragen ausführlich sachlich auseinandergesetzt und ist mit überzeugender Darlegung der technischen Gegebenheiten zu einem nachvollziehbaren und überzeugenden (wenngleich für die Klägerinnen ungünstigen) Ergebnis gekommen.

Dabei enthält die von den Klägerinnen angegriffene „Vorbemerkung“ auch keine irgendwie gearteten unsachlichen Ausführungen oder gar persönliche Angriffe gegen die Klägerinnen. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass sich der Sachverständige an dieser Stelle gerade nicht mit gutachterlichen Sachfragen auseinandersetzen sollte, sondern mit einer vermuteten Voreingenommenheit seinerseits. Muss sich der Sachverständige aber mit einem solchen, durchaus als persönlichen Angriff anzusehenden Vorhalt auseinandersetzen, ist auch der Maßstab dessen, was als „sachlich“ zu verstehen ist, entsprechend zu bestimmen. So haben die Klägerinnen mit umfangreichem Vortrag wiederholt darauf hingewiesen, dass die von dem (bzw. den) Sachverständigen gefundenen Ergebnisse nicht nachvollziehbar seien, diese insbesondere „in diametralem Widerspruch zu allen anderen von den Klägerinnen eingeholten Privatgutachten … stehen“ (zuletzt mit SS vom 09.12.2013, Bl. 2282 d.A.). Nachdem sich der Sachverständige damit schon dem zweiten, erneut auf die vermeintliche Bevorzugung des Beklagten gestützten Befangenheitsantrag ausgesetzt sieht, mit dem die Klägerinnen quasi darauf beharren, das (zweifellos falsche) Ergebnis der sachverständigen Begutachtung sei nur mit einer Parteilichkeit des Sachverständigen zu begründen, ist für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar, wenn sich der Sachverständige hiergegen „wehrt“. Damit zeigt er entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht, dass er unter Außerachtlassung der zu erwartenden Neutralität einseitig auf die „Schuld“ der Klägerinnen festgelegt war. Dass der Sachverständige aber heute, nach abgeschlossener Erstattung des Gutachtens, einen bestimmten Standpunkt eingenommen hat, liegt in der Natur der Sache. Sofern er diesen nunmehr weiter vertritt, kann dies die Besorgnis einer (anfänglichen) Befangenheit sicher nicht begründen.

Sofern es dem Sachverständigen also „wesentlich <erschien>, darauf hinzuweisen“, dass möglicherweise seitens der Klägerinnen ein gravierendes Fehlhandeln eingeräumt worden war, er somit lediglich darauf hinweist, dass die (bereits zuvor gefundenen) Ergebnisse doch nachvollziehbar seien, stellt dies keine unsachliche sondern im Hinblick auf die Angriffe der Klägerinnen gegen sein Gutachten verständliche Reaktion dar.

bb)

Im Übrigen lässt sich aus besagter Vorbemerkung keine von Anfang an bestandene negative innere Einstellung des Sachverständigen gegenüber den Klägerinnen entnehmen (vgl. OLG Saarbrücken, aaO). Weder ist ersichtlich, dass der Sachverständige seiner Begutachtung falsche bzw. ihm nicht vorgegebene Anknüpfungstatsachen zu Grunde gelegt hätte, noch dass er aufgrund eines vermeintlichen „Schuldeingeständnis“ des Herrn … von Anfang an gegen die Klägerinnen eingenommen gewesen wäre.

(1)

Jedenfalls hat der Sachverständige seiner Begutachtung keine fehlerhaften Tatsachen zu Grunde gelegt. Insoweit lässt sich der dienstlichen Stellungnahme vom 16.11.2013 und dem in der Vorbemerkung wiedergegebenen Gespräch mit Herrn … lediglich zweierlei entnehmen: Zum einen sei das Flugzeug im Vorfeld der streitgegenständlichen Beschädigung an ein (eingeschaltetes) Bodenstromaggregat angeschlossen gewesen und zum anderen soll Herr … dies selbst als Fehler angesehen bzw. eingeräumt haben. Als eine der Begutachtung zugrunde zu legende Tatsache kommt dabei überhaupt nur der Anschluss des Flugzeugs an das Bodenstromaggregat in Betracht. Dabei handelt es sich aber um eine richtige, zwischen den Parteien unstreitige und dem Sachverständigen vom Gericht vorgegebene Tatsache. Ob das in der Vorbemerkung der dienstlichen Stellungnahme wiedergegebene Gespräch dabei eine Unrichtigkeit hinsichtlich der möglicherweise fehlerhaft handelnden Person enthält, ist aber nicht weiter relevant. Denn ausweislich des schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen … und … vom 30.10.2011 (Bl. 1243 d.A.), dort Seite 3, sind die Sachverständigen im Rahmen ihrer Begutachtung von den richtigen Anknüpfungstatsachen ausgegangen.

(2)

Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass ein vermeintliches „Schuldeingeständnis“ von Herrn … Eingang in die Begutachtung gefunden hätte. Dies folgt schon aus dem zeitlichen Ablauf, dass die Gutachtenerstellung im Zeitpunkt des Gesprächs, in welchem dem Sachverständigen … die vermeintliche Aussage von Herrn … bekannt wurde, bereits abgeschlossen war. Die Sachverständigen haben im Rahmen ihres schriftlichen Gutachtens die technischen Grundlagen und die daraus resultierenden Folgen ausführlich und überzeugend dargestellt. Zwar stand die mündliche Anhörung zur Erläuterung des Gutachtens zu diesem Zeitpunkt noch bevor, aus Sicht einer verständigen Prozesspartei wäre aber in keiner Weise anzunehmen, dass sich der (oder gar beide) Sachverständige wegen einer solchen – allein von Dritten übermittelten – Aussage voreingenommen allen verständigen Argumenten der Klägerinnen von vorne herein verschlossen hätte. Eine so von Dritten herbeigeführte Befangenheit des Sachverständigen kann sicherlich nicht angenommen werden, zumal der Sachverständige nach seiner Darstellung gar nicht hätte verhindern können, dass ihm die vermeintliche Aussage von Herrn … zur Kenntnis gelangt.

c)

Nach alledem konnten die Anträge der Klägerinnen, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit zu entpflichten, keinen Erfolg haben.

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