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Abgrenzung Unfallereignis und Verletzung durch Eigenbewegung

OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 106/18 – Urteil vom 20.12.2018

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.06.2018, Az. 8 O 153/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger ist befugt, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, von Beruf Monteur/Rohrleitungsbauer, macht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit einer am 24.07.2014 erlittenen Verletzung (horizontaler Riss im Innenmeniskushinterhorn, Gelenkerguss, Plica suprapatellaris) Ansprüche aus einer bei dieser bestehenden Unfallversicherung geltend.

Der Kläger unterhält seit dem 27.05.2014 bei der Beklagten unter der Mitgliedsnummer … eine private Unfallversicherung als Familienvertrag …. Die Grundversicherungssumme der Invaliditätsleistung beträgt 20.000,- €, der Jahresbeitrag 139,- €. Der Unfallversicherung liegen u.a. die Versicherungsbedingungen zum A… Unfallschutz (nachfolgend: AUB) zu Grunde.

Deren § 1 (“Wann sprechen wir von einem Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen?“) lautet auszugsweise:

„1. Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet oder wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung ein Gelenk verrenkt, Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden.

(…)“

In § 23 AUB (“Invaliditätsleistung“) finden sich die folgenden Passagen:

„2. (…)

b) Wenn Sie einen Beruf haben, in dem Sie überwiegend körperlich arbeiten, mit ätzenden, giftigen, leichtentzündlichen oder explosiven Stoffen zu tun haben, im Vollzugsdienst bei der Feuerwehr, Polizei, bei der Bundespolizei arbeiten oder Soldat sind, wird bei einem berufsbedingten Unfall die errechnete Invaliditätsleistung zu 70 % ausbezahlt. (Bitte beachten Sie dazu die Beispiele in der Berufsgruppenübersicht auf Seite 27.) Ein Berufsunfall liegt vor, wenn sich der Unfall während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit ereignet hat. Unfälle auf dem Weg zur oder von der Arbeit sind hiervon nicht betroffen.

(…)

f) Haben Erkrankungen oder Gebrechen an den Unfallfolgen mitgewirkt, mindert sich der Prozentsatz des Invaliditätsgrades entsprechend dem Anteil der Erkrankung oder des Gebrechens. Beträgt dieser Anteil weniger als 50 %, verzichten wir auf diese Kürzung.“

Wegen des Vorfalls vom 24.07.2014 war der Kläger am selben Tag zunächst im Klinikum des Landkreises Tuttlingen und am 28.07.2014 in der Praxis Dr. W. in P.. Wegen des Inhalts der hierüber erstellten Dokumente, insbesondere soweit es die dortige Schilderung des Anlassereignisses betrifft, wird auf die Anlagen … verwiesen.

Nachdem der Kläger der Beklagten den Vorfall als versichertes Unfallereignis gemeldet hatte, forderte diese mit Schreiben vom 01.08.2014 weitere Unterlagen an und lehnte mit Schreiben vom 15.06.2015 Leistungen aus der Unfallversicherung mit dem Hinweis darauf ab, dass kein Unfall vorliege. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 23.07.2015, auf dessen Inhalt insbesondere in Bezug auf die Schilderung des Vorfalls vom 24.07.2014 verwiesen wird. Die Beklagte blieb bei ihrer ablehnenden Haltung.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei am 24.07.2014 für seine Arbeitgeberin, die Firma M. GmbH, für Montagearbeiten auf einer Baustelle in Tuttlingen gewesen, um dort Pulverbeschichtungsmaschinen aufzustellen und in Betrieb zu setzen. Er habe sich im unteren Teil der Maschine befunden, um etwas zu schrauben, während sein linkes Knie fest in einer „Schiene“, d.h. zwischen zwei dort verlaufenden Materialbändern gewesen sei.

Weil er ein Werkzeug gebraucht habe, habe er sich umgedreht und den Oberkörper nach rechts gedreht. Dabei habe er einen „Knackser“ im linken Knie und sofort Schmerzen gespürt. Das Knie sei angeschwollen. Er sei daraufhin aus der Maschine herausgegangen und auf die Leiter, die zur oberen Etage der Maschine geführt habe, gestiegen. Bereits auf der ersten Sprosse habe sein Knie erneut geknackt. Es liege ein Dauerschaden vor.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Schadensereignis sei als Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen zu werten. Insbesondere fehle es nicht an einem äußeren Ereignis. Erst durch den Kontakt äußerer Umstände (Schiene) sei die an sich unschädliche Eigenbewegung des Klägers außer Kontrolle geraten.

Durch die Verletzung des Innenmeniskus im linken Knie sei eine Invalidität eingetreten. Bei dem vereinbarten Gliedertaxewert von 60 % für das Bein ergebe sich anhand der Versicherungssumme und der vereinbarten Progression eine Leistung aus der Versicherungssumme in Höhe von 305 %, somit in Höhe von 61.000,00 €. Hiervon macht der Kläger 55 % geltend, mithin 33.500,00 €.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 33.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten iHv 1.474,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Sie hat den vom Kläger vorgetragenen Unfallhergang bestritten, der mit seiner Schilderung beim Durchgangsarzt nicht übereinstimme. Weiter liege kein Unfallereignis im Sinne des § 1 Ziff. 1 AUB vor, da es an einer von außen auf den Körper einwirkenden Kraft im Sinne eines Ereignisses fehle, nachdem der Kläger eine Bewegung vollständig plan- und willensgemäß ausgeführt habe. Die Beklagte hat des Weiteren die Kausalität zwischen dem behaupteten Unfallgeschehen und dem behaupteten Dauerschaden des Klägers bestritten. Der Meniskusschaden sei degenerativer Natur. Auch sei keine Invalidität von 55 % eingetreten.

Schließlich habe der Kläger nicht § 23 Ziff. 2 b) AUB berücksichtigt, wonach die errechnete Invaliditätsleistung lediglich zu 70 % auszubezahlen sei. Zudem habe wegen einer degenerativen Vorschädigung eine Kürzung nach § 23 Ziff. 2 f) AUB zu erfolgen.

Das Landgericht Karlsruhe hat die Klage im angefochtenen Urteil mit der Begründung abgewiesen, dass kein bedingungsgemäßer Unfall vorliege. Es könne dahinstehen, wie es zu werten sei, dass die Schilderung des Klägers vom Unfallablauf nicht mit den Berichten der Ärzte übereinstimme. Jedenfalls handele es sich um kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis. Die Schiene habe hierbei nicht auf ihn eingewirkt, da ihr das erforderliche dynamische Element fehle. Der Kläger sei gerade nicht durch eine von ihr ausgehende Eigendynamik zu einer spontanen, extremen Bewegung veranlasst worden. In Fällen, in denen der Versicherungsnehmer eine eigene Bewegung vollständig planmäßig ausführe und hierbei ungewollt eine Beeinträchtigung erleide, sei ein Zusammenwirken mit einer äußeren Einwirkung erforderlich. Dies werde beispielsweise bejaht, wenn der Einwirkungsgegenstand plötzlich und unvorhergesehen eine Eigendynamik entfalte und hierdurch eine unerwartete Bewegung verursacht werde. Bleibe ein Einwirkungsgegenstand bei einer Arbeit damit oder daran ausschließlich das Objekt der Bemühungen, liege demgegenüber keine Einwirkung vor, solange keine Eigendynamik entwickelt werde und kein Sturz o. Ä. erfolge.

Gemessen hieran resultiere die Knieverletzung des Klägers aus einer selbstgesteuerten Eigenbewegung ohne Mitwirkung äußerer Umstände. Die Drehbewegung sei gerade nicht durch äußere Umstände – wie etwa eine plötzlich und unvorhergesehen entfaltete Eigendynamik der Schiene – außer Kontrolle geraten. Vielmehr habe sich der Kläger bereits zuvor fest in der Schiene befunden, was ihm bewusst gewesen sei. Auch das in den Arztberichten dargestellte Heruntersteigen von der Trittleiter beruhe auf einer voll beherrschbaren Eigenbewegung des Klägers.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, wonach ein bedingungsgemäßer Unfall vorliege. Die Sichtweise des Landgerichts Karlsruhe sei unzutreffend. In Form der Schiene habe ein Einwirken der Außenwelt auf den Körper bzw. ein Kontakt mit dieser als von außen wirkendes Ereignis vorgelegen. Das Einwirken dieser Kräfte sei außerhalb des eigenen Einflussbereichs gewesen. Hieran ändere sich wegen der physikalischen Gesetze auch nichts dadurch, dass die Schiene fest gewesen sei. In Bezug auf diesen physikalischen Hintergrund habe das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen.

Der Kläger habe seine Bewegung nicht vollständig und willensgemäß ausführen können. Auch wäre die Verletzung nicht alleine durch die Eigenbewegung des Klägers eingetreten, sondern sei erst durch den Kontakt mit äußeren Umständen verursacht worden. Die Schiene habe den Ablauf beeinträchtigt, so dass die Bewegung nicht mehr beherrschbar, sondern irregulär gewesen sei. Entscheidend sei, dass das letzte Glied der Ursachenkette von außen gekommen sei, ohne dass es einer Eigendynamik der Schiene bedürfe. Der Kläger behauptet, dass die Drehbewegung ganz anders hätte ablaufen und enden sollen.

Der Kläger beantragt: Unter Abänderung des am 22.06.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Karlsruhe, Az.: 8 O 153/17, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 33.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.01.2016 zu zahlen; sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Auf Grundlage der Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung sei von einer vollständig willensgetragenen Eigenbewegung auszugehen. Soweit er nunmehr behauptet, diese hätte ganz anders ablaufen und enden sollen, könne dieses – im Übrigen unsubstantiierte und nicht in Übereinstimmung mit seinen eigenen Angaben stehende – Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht berücksichtigt werden. Schließlich sei die Verletzung des Klägers ausschließlich auf das nachfolgende Herabsteigen von der Leiter zurückzuführen. Insoweit sei der Kläger beweisfällig geblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat, auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Karlsruhe sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus der bei dieser unterhaltenen Unfallversicherung kein Anspruch auf Zahlung von € 33.500,00 zu, weil die von ihm geltend gemachte Invalidität nicht auf einem Unfall im Sinne der dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen beruht.

1.

Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2017 erstinstanzlich geschilderte Ablauf begründet keinen Unfall im Sinne von § 1 Ziffer 1 der AUB.

a)

Nach § 1 Ziffer 1 Satz 1 Alt. 1 der AUB liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

b)

Die zu Gunsten des Klägers – ungeachtet etwaiger Fragen der Beweiswürdigung bei inhaltlich abweichenden Dokumentationen (vgl. hierzu: OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.12.2010, 7 U 102/10, Rn. 11) – als zutreffend unterstellte Schilderung, sein Knie habe sich bei Arbeiten in einem Brennofen in einer sogenannten Schiene befunden und es habe einen Knacks gegeben, als er sich umgedreht habe, um nach einem Werkzeug zu greifen, stellt kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis dar.

aa)

Versicherungsschutz besteht nur bei einem Einwirken der Außenwelt (Person oder Sache) auf den Körper des Verletzten, etwa bei einem Zusammenstoß oder einem Sturz, wobei die Art der Einwirkung beliebig ist (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, 30. Aufl. 2018, VVG § 178 Rn. 3). Mit diesem Kriterium sollen rein körperinterne Vorgänge (z.B. Erkrankungen, degenerative Vorgänge) als nicht dem Unfallbegriff unterfallend ausgeschlossen werden (vgl. Langheid/Wandt/Dörner, 2. Aufl. 2017, VVG § 178 Rn. 55).

bb)

Besonderheiten gelten in den Fällen, in denen das schädigende Ereignis auf Eigenbewegungen des Versicherten zurückzuführen ist (nach Langheid/Wandt/Dörner, 2. Aufl. 2017, VVG § 178 Rn. 66 soll es sich hierbei um eine durch Normzweck und Interessenlage gebotene und auf die AUB durchschlagende analoge Anwendung des § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG auf Fälle handeln, die vom Wortlaut der Vorschrift nicht mehr gedeckt werden).

Zudem hat die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, die bei Arbeiten an oder mit einem Gegenstand zu beachten sind.

(1)

Bei Eigenbewegungen des Versicherungsnehmers sind die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt, wenn diese in ihrem Verlauf nicht gänzlich willensgesteuert sind und die Gesundheitsschädigung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst wird (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, 30. Aufl. 2018, VVG § 178 Rn. 4). Führt etwa eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung zu einer plötzlichen Einwirkung von außen, wie es bei einer ursprünglich zwar gewollten und bewusst eingeleiteten, hinsichtlich des Tritts in eine Vertiefung neben dem Plattenweg dann aber unerwarteten Ausweichbewegung mit nachfolgendem Straucheln der Fall ist, wobei die vom Kläger bis dahin willentlich und problemlos getragene Last von 40 kg eine ebenfalls unerwartete Eigendynamik entfaltet hat und vom Kläger abgefangen bzw. abgestützt werden musste, war die anfänglich willensgesteuerte Eigenbewegung in ihrem weiteren Verlauf nicht mehr gezielt und für den Kläger beherrschbar, so dass Eigenbewegung und äußere Einwirkung zusammengetroffen sind, wobei die äußere Einwirkung ihrerseits Einfluss auf die veränderte und nicht mehr beherrschbare Eigenbewegung genommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2009, IV ZR 6/08, Rn. 11).

Tritt im Zuge der Aktion des Versicherten ein irregulärer Zustand der Außenwelt hinzu, der der willensgesteuerten Bewegung eine andere Richtung gibt und damit dem Handlungsverlauf eine Eigendynamik verleiht, die diesen für den Versicherten nicht mehr beherrschbar macht, begründet dies eine Einwirkung von außen (vgl. BeckOK VVG/Jacob, 4. Ed. 1.7.2018, VVG § 178 Rn. 16). Erforderlich ist immer, dass die geplanten Bewegungsabläufe nicht programmgemäß bzw. dass sie irregulär verlaufen. Die Bewegung muss anders als gewollt verlaufen oder abgeschlossen werden. Ein Unfallereignis setzt also gewissermaßen stets die irreguläre Unterbrechung eines „normalen“ Ablaufs der Eigenbewegungen voraus (vgl. Langheid/Rixecker/Rixecker, 5. Aufl. 2016, VVG § 178 Rn. 7).

Ihr Ablauf oder Abschluss muss von außen gestört oder behindert werden, wie etwa beim Umknicken des Fußes auf Grund einer Bodenunebenheit (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2007, 20 U 05/07, Rn. 20), bei Verletzungen nach dem Abspringen vom Fahrrad (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 17.08.1994, 20 U 213/92, Rn. 23) oder bei einem ungeschickten und unerwartet harten Aufkommen nach einem Sprung (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.1984, IVa ZR 88/83, Rn. 9, 12).

(2)

Andererseits genügt es nicht, dass der Geschädigte im Rahmen einer gewollten Bewegung eine Verletzung erleidet. Als für einen bedingungsgemäßen Unfall nicht ausreichend erachtet wurden demgemäß Schäden auf Grund einer ungeschickten, aber gewollten und planmäßig verlaufenden Eigenbewegung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.06.2015, 15 U 214/14, Rn. 3; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.11.2011, 9 U 140/10, Rn. 18; OLG Thüringen, Beschluss vom 07.05.2015, 4 U 557/14, Rn. 7). Unter einer reinen Eigenbewegung als Verletzungsursache versteht man ein rein willensgesteuertes, planmäßig verlaufendes, vom Versicherungsnehmer beherrschtes Geschehen, dass schon als solches und ohne jeden Kontakt mit der Außenwelt zu einer gesundheitlichen Schädigung führt (vgl. Langheid/Rixecker/Rixecker, 5. Aufl. 2016, VVG § 178 Rn. 6).

(3)

Allein die Arbeit mit oder an einem Gegenstand ist keine Einwirkung in diesem Sinne, solange dieser ausschließlich Objekt von Bemühungen bleibt, also keine unvorhergesehene Eigendynamik entwickelt und auf Grund dessen auf den Körper des Geschädigten dahingehend einwirkt, dass dieser stürzt, umknickt oder abgleitet (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.1988, IVa ZR 38/88, Rn. 8; OLG Frankfurt, Urteil vom 14.06.2013, 7 U 98/12, Rn. 29; OLG Hamm, Urteil vom 21.09.2012, 20 U 92/12, Rn. 41; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.06.2011, 4 U 149/10, Rn. 4, 5). Hierbei erlittene Verletzungen beruhen nicht auf einem Unfall.

Entscheidend ist, dass in einem derartigen Fall die Bewegung in ihrem ganzen Verlauf willensgesteuert erfolgt und es allein vom Willen des Geschädigten abhängt, ob und wie stark er in Einwirkung auf den Gegenstand seine Kräfte entfaltet (vgl. BGH, aaO).

(4)

Demgegenüber ist nicht mehr nur Objekt von Bemühungen ein Gegenstand, der aus dem Gleichgewicht zu geraten oder umzustürzen droht und der beim Gegensteuern des Versicherungsnehmers dessen Gesundheitsschädigung nach sich zieht (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2009, IV ZR 6/08, Rn. 11; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.03.2008, 15 U 217/07, Rn. 27; OLG Koblenz, Beschluss vom 03.03.2005, 10 U 586/04, Rn. 21; OLG Nürnberg, Urteil vom 03.08.2000, 8 U 465/00, Rn. 11).

cc)

(1)

Nach diesen Grundsätzen liegt kein von außen auf den Körper des Klägers wirkendes Ereignis vor, als sich dieser umgedreht hat, um nach einem Werkzeug zu greifen, während sich sein Knie bei Arbeiten in einem Brennofen in einer sogenannten Schiene befunden hat. Die nach den vorstehenden Maßstäben von diesem bei Arbeiten an einem Gegenstand durchgeführte und von seinem Willen getragene sowie gesteuerte Eigenbewegung – Umdrehen des Oberkörpers, um ein benötigtes Werkzeug zu erreichen – verlief gezielt, planmäßig und für den Kläger durchgängig beherrschbar. Dementsprechend liegt keine unerwartete Ausweichbewegung vor. Die Beschränkung durch die Schiene hat dabei außer Betracht zu bleiben, da diese keinen hinzutretenden irregulären Zustand der Außenwelt darstellt. Vielmehr existierte sie von vornherein in dieser Form und wurde vom Kläger bewusst in dieser Form in Anspruch genommen. Aus diesem Grund entfaltete sie auch nicht die notwendige unerwartete Eigendynamik, die auf den Körper des Klägers dahingehend einwirkte, dass dieser stürzte, umknickte oder abgleitete und die vom Kläger hätte abgefangen bzw. abgestützt werden müssen. Die Schiene, der jegliches dynamische Element fehlt, weil sie ganz unabhängig von jeglicher menschlicher oder sonstiger Einwirkung einfach vorhanden ist, blieb ausschließlich Objekt von Bemühungen. Vorliegend trafen nicht – wie erforderlich – Eigenbewegung (z.B. Laufen) und äußere Einwirkung (z.B. ins Wackeln geratene Last) dergestalt zusammen, dass die hinzutretende äußere Einwirkung ihrerseits Einfluss auf die veränderte und nicht mehr beherrschbare Eigenbewegung (z.B. Straucheln infolge eines Fehltritts) genommen hat. Vielmehr erfolgte die Eigenbewegung (Umdrehen) unter Nutzung der von Anfang an unveränderten äußeren Rahmenbedingungen (Schiene), die ihrerseits nicht Einfluss auf die – unveränderte und nach wie vor beherrschbare – Eigenbewegung nahmen, sondern lediglich infolge ungeschickten Verhaltens zur vom Kläger erlittenen Verletzung führten. Die Schiene hat nicht auf den Kläger, sondern er hat durch die Drehbewegung auf sie eingewirkt.

Dementsprechend erfuhr das Umdrehen als willensgesteuerte Bewegung des Klägers keine andere Richtung und wurde auch nicht irregulär unterbrochen. Dass letztlich mit der Schädigung des Meniskus ein unerwünschtes Ergebnis vorliegt, begründet zwar die bedingungsgemäß weiter erforderliche Unfreiwilligkeit, vermag aber nichts daran zu ändern, dass es sich hierbei um einen auf Grund einer ungeschickten, aber gewollten und planmäßig verlaufenen Eigenbewegung erlittenen Schaden handelt.

(2)

Soweit der Kläger auf Seite 4 der Berufungsbegründung vom 27.09.2018 pauschal behauptet, dass die Drehbewegung ganz anders hätte ablaufen und enden sollen, hat der Senat dies seiner Entscheidung nicht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zu Grunde zu legen. Nachdem der Kläger im Rahmen seiner Anhörung keine derartigen Vorstellungen bekundete, dürfte es sich hierbei um Vortrag handeln, der als Reaktion auf das die Klage abweisende Urteil den Anforderungen der einschlägigen Rechtsprechung Rechnung trägt. Abgesehen davon ist der entsprechende Vortrag jedoch unsubstantiiert, da er jegliche Ausführungen schuldig bleibt, wie die Drehbewegung denn tatsächlich hätte aussehen und ablaufen sollen. Im Übrigen handelt es sich in dieser Form um neuen Vortrag, der nicht berücksichtigungsfähig ist, weil er bereits erstinstanzlich zu halten gewesen wäre, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO. Selbst für den Fall, dass dieser – von der Beklagten bestrittene – Vortrag ausreichend substantiiert und im Berufungsverfahren zu berücksichtigen wäre, führte er zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger ihn nicht beweisen kann. Der erstinstanzlich vernommene Zeuge konnte zum Geschehen in der Maschine selbst nichts beitragen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß §§ 447, 448 ZPO liegen nicht vor. Andere Beweismittel stehen dem Kläger nicht zur Verfügung.

Sollte der Kläger diesen Vortrag im Schriftsatz vom 12.12.2018 ausschließlich dahingehend präzisiert haben, dass der Kontakt mit der Schiene den Ablauf und den Abschluss der von ihm begonnenen Eigenbewegung von außen gestört habe, wird auf die vorstehenden Ausführungen unter (1) verwiesen.

(3)

Da die maßgeblichen Fragen hinsichtlich des Merkmals des von außen auf den Körper wirkenden Ereignisses Rechtsfragen sind, bedurfte und bedarf es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die physikalischen Auswirkungen der Schiene. Insoweit handelt es sich um offenkundige Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO.

(4)

Soweit das Landgericht Karlsruhe das Besteigen der Trittleiter, das in den als Anlagen … vorgelegten ärztlichen Berichten nach den Angaben des Klägers als unfallursächlich beschrieben wird, unter Hinweis auf die Grundsätze zur voll beherrschbaren Eigenbewegung zutreffend nicht als Unfall qualifiziert hat, bringt die Berufung hiergegen nichts vor.

c)

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 1 Ziffer 1 Satz 1 Alt. 2 der AUB berufen, wonach ein Unfall auch dann vorliegt, wenn die versicherte Person durch eine erhöhte Kraftanstrengung ein Gelenk verrenkt bzw. Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder gerissen werden.

Da eine erhöhte Kraftanstrengung in diesem Sinne einen Einsatz an Muskelkraft erfordert, der über diejenigen Anstrengungen hinausgeht, welche üblicherweise bei alltäglicher körperlicher Tätigkeit für den Bewegungsablauf erforderlich sind (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.12.2001, 5 U 842/00, Rn. 17; Langheid/Wandt/Dörner, 2. Aufl. 2017, VVG § 178 Rn. 104), dürfte es hieran auf Grundlage der Angaben des Klägers fehlen. Dieser hat lediglich eine normale Eigenbewegung beschrieben, so dass nur von der hierzu notwendigen Kraftanstrengung auszugehen ist. Hinzu kommt, dass Meniskusverletzungen von der Erweiterung des Unfallbegriffs nicht umfasst werden, da es sich hierbei um Knorpelschäden und nicht um eine Verletzung der aufgeführten Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln handelt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.12.2004, 5 U 752/03, Rn. 21; Prölss/Martin/Knappmann, 30. Aufl., AUB 2010, Ziff. 1 Rn. 12).

d)

Mangels bedingungsgemäßen Unfalls bedürfen die weiteren aufgeworfenen Probleme (z.B.: Beweiswürdigung bei inhaltlich abweichender Schilderung/Dokumentation des Unfalls; Kausalität; exakter Invaliditätsgrad; Begrenzung und Minderung der Invaliditätsleistung gemäß § 23 Ziffer 2 b) und f) der AUB) keiner Entscheidung. Soweit nach Einschätzung des Klägers erstinstanzlich der „falsche“ Dr. W. schriftlich vernommen worden ist, kommt es hierauf ebenfalls nicht an.

2.

Da dem Kläger in der Hauptsache kein Anspruch gegen die Beklagte zusteht, kann er von ihr auch nicht die Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

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