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Unfallversicherung – 15-Monatsfrist zur Invaliditätsfeststellung und Gutachteneinholung durch Versicherung

Oberlandesgericht Saarbrücken

Az.: 5 U 343/12

Urteil vom 13.03.2013

In dem Rechtsstreit wegen Ansprüchen aus Unfallversicherungsvertrag hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2013 für R e c h t erkannt

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 14.8.2012 verkündeten Urteil des Landgerichts Saarbrücken – Az. 14 O 49/12 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 204.900,– €.

Gründe

Unfallversicherung - 15-Monatsfrist zur InvaliditätsfeststellungDer Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 12.1.2006 eine private Unfallversicherung (Versicherungsschein Nr. …1, Bl. 12 d.A.). Dem Vertrag liegen die allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen der Beklagten zu Grunde (Bl. 13 d.A.;im Folgenden: AUB 2002). Nach der Definition in Ziffer 1.3 AUB 2002 liegt ein Unfall vor, „wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet“. Nach Ziffer 1.4 AUB 2002 gilt als Unfall auch, „wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden“.

Gemäß Ziffer 2.1.1 ist Voraussetzung für die Leistung, dass die Invalidität

„- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

– innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden ist.“

Neben einer Invaliditätsleistung als Kapitalbetrag (Ziffer 2.1.2.1 AUB 2002) sehen die Bedingungen ab einem unfallbedingten Invaliditätsgrad von mindestens 50 % einen Anspruch auf Unfallrente vor (Ziffer 2.2 AUB 2002).

Die Klausel Ziffer 5.2.6 AUB 2002 regelt einen Leistungsausschluss für

„Krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden.“

Am 3.10.2010 fuhr der Kläger mit seinem Pkw über eine bewaldete Landstraße. Er behauptet, nach einer Kurve habe er sich plötzlich auf einer Lichtung befunden, wo er von der Sonne stark geblendet worden sei. Da er wegen des kurvigen Straßenverlaufs beide Hände am Lenkrad gehabt habe, sei es ihm nicht möglich gewesen, eine Hand vorzuhalten (Bl. 50 d.A.). Er habe wegen des plötzlich einfallenden Sonnenlichts den Kopf ruckartig nach links drehen müssen; unmittelbar danach habe er einen Sekunden dauernden Lichtblitz vor dem linken Auge gesehen und zwei Stunden später starke Kopfschmerzen bekommen (Bl. 4, 50 d.A.). Am 4.10.2010 begab er sich – das ist unstreitig – in die Arztpraxis der Frau Dr. S.-L. in D.. Sie überwies ihn in die neurologische Abteilung des C.-Krankenhauses in D.. Während des dortigen stationären Aufenthalts vom 6.10.2010 bis zum 20.10.2010 wurden eine Dissektion der linken Arteriacarotisinterna sowie ein Horner-Syndrom links diagnostiziert (Arztberichte Bl. 21-26 d.A.).

Der Kläger übersandte der Beklagten eine Schadensmeldung vom 29.10.2010 (Anlage B2). Das Formular hatte er sich aus dem Internet heruntergeladen (siehe informatorische Anhörung des Klägers vor dem Landgericht, Bl. 72 d.A.). Zu dem Vordruck gehört ein „Hinweisblatt für den Schadensfall und zum Versicherungsschutz Ihrer Unfallversicherung für Ihre Unterlagen“ (Bl. 84 d.A.). Dort sind die AUB-Regelungen zu den Fristen für den Eintritt der Invalidität, ihre ärztliche schriftliche Feststellung und ihre Geltendmachung wiedergegeben. Sodann heißt es, mit Fettdruck hervorgehoben:

„Wird die Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität versäumt, besteht kein Anspruch auf Invaliditätsleistung.“

Der Kläger hat – jedenfalls – das Formular als solches mit den Fragen ausgedruckt und zu Datum und Uhrzeit des Unfalls eingetragen „Beim Autofahren/Kundenbesuche in der Eifel, gegen 17:00 Uhr bei B./Eifel“. Zu 6. „Unfallhergang“ hat er keine Angaben gemacht, die Frage zu 7 „Welche Verletzungen/Erkrankungen sind unfallbedingt eingetreten?“ hat er beantwortet mit: „Schlaganfall/mit Hornersyndrom, Einriss der Kopfaorta, Dauermedikamentierung mit Marcumar gem. Verordnung tägl.“. Als „Dauer der Arbeitsunfähigkeit“ hat der Kläger „bis 30.6.2011“ angegeben, die Frage nach verbleibenden Dauerschäden hat er bejaht.

Mit Schreiben vom 10.12.2010 bat die Beklagte den Kläger um eine ausführliche Schadensschilderung (Anlage B3). Der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten telefonierte mit dem Kläger am 14.1.2011, wobei streitig ist, ob das weitere Vorgehen im Sinne der Einholung eines Sachverständigengutachtens besprochen worden ist. Jedenfalls steht fest, dass die Beklagte ein Sachverständigengutachten in Auftrag gab. Sie stellte dem Kläger mit Schreiben vom 18.1.2011 das Auftragsschreiben an die Neurologische Klinik des …klinikums des S. in H. – Prof. Dr. D. – zur Verfügung (Bl. 35 d.A.). Darin war die Klärung unter anderem folgender Fragen erbeten (siehe Einleitung S. 2 des Gutachtens, Bl. 164 d.A.): ob der Vorfall geeignet gewesen sei, das in Rede stehende Verletzungsbild hervorzurufen, welche Verletzungen überhaupt und gegebenenfalls unfallbedingt entstanden seien, welche Dauerfolgen aufgrund der (fraglich) unfallbedingt erlittenen Verletzungen eingetreten seien und wie diese sich zurzeit und in Zukunft auswirkten. Nach Erhalt jenes Schreibens beauftragte der Kläger seine jetzigen Prozessbevollmächtigten. Diese forderten die Beklagte unter dem 9.2.2011 auf (Anlage B5), verbindlich bis zum 19.2.2011 zu erklären, ob dem Grunde nach in die Regulierung eingetreten werde.

Prof. Dr. D. erstellte sein neurologischen Gutachten am 28.10.2011 (Bl. 163 d.A.). Der Sachverständige hat festgestellt, eine kurzzeitige Sehstörung auf einem Auge („unter anderem in Form eines Lichtblitzes und oft im Vorfeld mit einer Änderung der Körperlage oder einer Blendung durch helles Licht assoziiert“) stelle ein mögliches Initial-Symptom einer Dissektion der Arteriacarotisinterna dar (Bl. 179 d.A.). Nach der Literatur wiesen 12-34 % der spontanen Dissektionen in der Anamnese ein unmittelbar vorausgehendes triviales „Trauma“ wie zum Beispiel eine Kopfdrehung, Husten oder Erbrechen auf. Die Dissektion resultiere in solchen Fällen aus einer biologisch bedingten erhöhten Dissektionsneigung der Gefäße und einer zusätzlichen Bewegung oder einem minimalen Trauma. Eine ruckartige Kopfdrehung sei als hinreichende Ursache denkbar, eine Kausalität aber nicht sicher feststellbar (Bl. 180, 185 d.A.).

Mit Schreiben vom 8.11.2011 (Anlage B6) stellte die Beklagte dem Kläger das Gutachten zur Verfügung und teilte mit, ein kausaler Zusammenhang zwischen der beschriebenen ruckartigen Kopfdrehung und dem Auftreten der Carotis-Dissektion sei nicht bewiesen; vorsorglich weise sie darauf hin, dass keine dauerhafte körperliche oder geistige Beeinträchtigung bestehe.

Im Februar 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat in dem Ereignis vom 3.10.2010 einen versicherten Unfall gesehen. Ein solcher sei auch dann zu bejahen, wenn der geplante Ablauf einer Eigenbewegung durch ein äußeres Ereignis gestört werde. Hier sei der Bewegungsablauf – der Blick nach vorne – durch die plötzliche Sonneneinstrahlung unterbrochen worden und er habe sich deshalb erschrocken und reflexhaft nach links gedreht. Der Kläger hat behauptet, dieses Geschehen sei die Ursache der Dissektion der Arteriacarotisinterna gewesen. Er hat den Vorfall zudem unter den erweiterten Unfallbegriff – erhöhte Kraftanstrengung – subsumiert (Bl. 51 d.A.).

Der Kläger hat die Annahme einer dauerhaften Invalidität von mindestens 50 % auf das behauptete Erfordernis einer dauerhaften Einnahme blutverdünnender Mittel – Marcumar – gestützt (Bl. 5-7, 52, 54 d.A.).

Der Kläger hat in erster Instanz Zahlung von 129.000 € verlangt, außerdem die Zahlung weiterer 25.500 € (Unfallrente von Oktober 2010 bis Februar 2012), die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass die Beklagte ab März 2012 weiterhin verpflichtet sei, eine monatliche Unfallrente von 1.500 € zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat Ansprüche wegen des Ereignisses vom 3.10.2010 nach Grund und Höhe bestritten. Zu der Schilderung des Vorfalls hat die Beklagte sich mit Nichtwissen erklärt (Bl. 36 d.A.). Dessen ungeachtet hat sie das behauptete Geblendet werden durch die Sonne und die gesteuerte Eigenbewegung des Kopfes nicht als relevante Einwirkung von außen im Sinne des bedingungsgemäßen Unfallbegriffs gesehen und zudem einen kausalen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Ereignis und einer Gesundheitsschädigung in Abrede gestellt. Schließlich hat die Beklagte die – im Übrigen von ihr bestrittene – dauerhafte Marcumar-Pflichtigkeit nicht als Einschränkung der Leistungsfähigkeit betrachtet.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Frist gemäß Ziffer 2.1.1 AUB 2002 sei nicht gewahrt (Bl. 74 d.A.). Als Belehrung über die Fristenregelung gemäß § 186 VVG hat sie das Hinweisblatt zum aus dem Internet heruntergeladenen Schadenmeldeformular angesehen.

Mit dem am 14.8.2012 verkündeten Urteil (Bl. 98 d.A.) hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Es hat die klägerischen Behauptungen zu dem Ereignis vom 3.10.2010 als schlüssigen Vortrag eines bedingungsgemäßen Unfalls gewertet, Ansprüche aus dem Vertrag aber mit der Begründung versagt, der Kläger habe innerhalb der vereinbarten Frist von 15 Monaten seit dem Unfall keine Invaliditätsbescheinigung vorgelegt und das auch im Prozess nicht nachgeholt.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Der Kläger hat Berufung eingelegt.

Nach seiner Ansicht ist das Berufen auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung rechtsmissbräuchlich. Er stützt diese Einschätzung darauf, dass die Beklagte von sich aus innerhalb der Feststellungsfrist ein ärztliches Gutachten eingeholt habe, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass er seinerseits für eine fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung zu sorgen habe (Bl. 140 d.A.).

Der Kläger stützt die behauptete Invalidität auf der Gefäß-Dissektion als solche, auf das dadurch hervorgerufene Horner-Syndrom (hierzu S. 17 des Gutachtens des Prof. Dr. D., Bl. 179 d.A.), die – von der Beklagten bestrittene – dauernde Marcumar-Pflichtigkeit und ein fortbestehendes erhöhtes Schlaganfallrisiko (Schriftsatz vom 5.2.2013).

Der Kläger beantragt sinngemäß (bei dem im Berufungsantrag zu 1. genannten Betrag von 1.209 € handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler), unter Abänderung des am 14.8.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az. 14 O 49/12,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 129.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.3.2011 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.500 € (Unfallrente von Oktober 2010 bis Februar 2012) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag in Höhe von 1.500 € seit dem 2.10.2010 und aus jeweils weiteren 1.500 € seit dem Zweiten eines jeden Folgemonats bis einschließlich 2.2.2012;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab März 2012 eine weitere monatliche Unfallrente in Höhe von 1.500 € der Unfallversicherung (Versicherungsschein Nr. …2) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (6.3.2012);

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 3.198,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (6.3.2012) als Nebenforderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt dabei, dass das behauptete Ereignis keinen Unfall darstelle. Abgesehen davon teilt sie die Einschätzung des Landgerichts zum Versäumen der Feststellungsfrist (Bl. 191 d.A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 21.5.2012 (Bl. 71 d.A.) und vom 3.7.2012 (Bl. 94 d.A.) und des Senats vom 13.2.2013(Bl. 204 d.A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 14.8.2012 (Bl. 98 d.A.).

Die Berufung ist nicht begründet.

Zwar hat das Landgericht die angefochtene Entscheidung mit einer die Klageabweisung nicht tragenden Argumentation begründet. Gleichwohl hat die Berufung keinen Erfolg, weil das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruht(§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche im Ergebnis nicht zu, weil er keinen nach seinem Vertrag versicherten Unfall erlitten hat.

1. Für die rechtliche Beurteilung des Versicherungsfalls sind die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung anzuwenden. Es handelt sich zwar um einen vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossenen Altvertrag, der Unfall als der maßgebliche Versicherungsfall ereignete sich aber nach dem 31.12.2008 (Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG).

2. Zu Unrecht meint das Landgericht, Ansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag scheiterten daran, dass der Kläger es versäumt habe, rechtzeitig eine ärztliche Bescheinigung über den Eintritt der Invalidität einzureichen (Ziffer 2.1.1.1 AUB 2002).

a. Gemäß Ziffer 2.1.1.1 AUB 2002 hängt die Leistungspflicht des Versicherers davon ab, dass die Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten von einem Arzt schriftlich festgestellt worden ist. Zweck der Invaliditätsfeststellung ist es, dem Versicherer eine Grundlage für die Überprüfung seiner Leistungspflicht zu bieten, außerdem sollen schwer aufklärbare Spätschäden ausgegrenzt werden. Das Versäumen der Fristen, deren Einhaltung nach den Bedingungen als Anspruchsvoraussetzung ausgestaltet ist, führt selbst dann zum Leistungsausschluss, wenn den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden trifft (BGH, Urt. v. 7.3.2007 – IV ZR 137/06 – VersR 2007, 1114, auch zur Wirksamkeit der Klausel; Senat, Urt. v. 16.2.2011 – 5 U 147/09).

Diesen Anforderungen wurde hier zu keinem Zeitpunkt Rechnung getragen. Weder vorgerichtlich noch im Laufe des Rechtsstreits hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung eingereicht, die sich in bejahendem Sinne zu einer unfallbedingten dauerhaften Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit erklären würde. Das Landgericht hat das zutreffend festgestellt, der Kläger hat jene Feststellungen der Sache nach nicht angegriffen.

b. Die Beklagte kann sich auf das Versäumen der Frist aber nicht berufen.

Es kann dahinstehen, inwieweit das sich schon daraus ergibt, dass der Kläger über die einzuhaltenden Fristen möglicherweise nicht ordnungsgemäß belehrt wurde (§ 186 Satz 2 VVG). Jedenfalls kann er dem Einwand der Fristversäumnis seinerseits den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten.

 (1) Der Versicherer kann in bestimmten Fallkonstellationen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Leistung nicht mit der Begründung ablehnen, die Frist für die ärztliche Feststellung sei abgelaufen. Das gilt insbesondere dann, wenn er den Versicherungsnehmer in dem Glauben gewogen hat, er selbst – der Versicherer – sorge für die Klärung der Anspruchsvoraussetzungen und der Versicherungsnehmer brauche nichts weiter zu unternehmen. Macht der Versicherungsnehmer, ohne eine ärztliche Bescheinigung zu einer dauerhaften Beeinträchtigung vorzulegen, Invalidität geltend und setzt der Versicherer ihn davon in Kenntnis, dass er selbst – noch innerhalb der 15-Monatsfrist – ein ärztliches Gutachten einhole, um die Frage eines Dauerschadens und seiner Unfallbedingtheit zu überprüfen, so hat der Versicherungsnehmer keine Veranlassung zu der Annahme, er müsse sich unbeschadet dessen seinerseits um eine fristgerechte Feststellung kümmern (siehe BGH, Urt. v. 23.2.2005 – IV ZR 273/03 – VersR 2005, 639; BGH, Urt. v. 30.11.2005 – IV ZR 154/04 – VersR 2006, 352; Senat, Urt. v. 16.2.2011 – 5 U 147/09 – und Urt. v. 8.5.1996 – 5 U 508/95 – VersR 1997, 956; Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 186 Rdn. 10). Er darf sich unter solchen Umständen darauf verlassen, dass der Versicherer die Leistung einer Invaliditätsentschädigung jedenfalls nicht wegen Versäumung der 15-Monatsfrist ablehnen werde (vgl. Senat, Urt. v. 8.5.1996 – 5 U 508/95 – VersR 1997, 956 [OLG Saarbrücken 08.05.1996 – 5 U 508/95 – 36]). Will der Versicherer das vermeiden, so muss er der gegenläufigen Einschätzung des Versicherungsnehmers entgegenwirken und ihm (nochmals) einen ausdrücklichen hierauf bezogenen Hinweis erteilen.

 (2) Nach diesen Grundsätzen ist der Treuwidrigkeitseinwand hier begründet. Nach einem Telefonat zwischen dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten und dem Kläger – gleichviel welchen genauen Inhalts – hat die Beklagte im Rahmen ihrer Leistungsprüfung ein Gutachten beauftragt, mit dem sie neben der Art des aufgetretenen Verletzungsbilds Fragen des Kausalzusammenhangs zu klären beabsichtigte, ferner das Vorhandensein von Dauerfolgen und ihre Auswirkungen. Dem Kläger wurde das entsprechende Auftragsschreiben zur Kenntnis übersandt. Er musste vor diesem Hintergrund nicht davon ausgehen, es werde von ihm erwartet, zusätzlich in eigener Initiative ärztliche Bescheinigungen zu eben diesen Fragen einzuholen. Hätte die Beklagte das gewollt, hätte sie das dem Kläger deutlich sagen müssen. Der zuvor in dem Internet-Schadenformular enthaltene Hinweis genügte nicht, weil der Kläger dessen Inhalt und Bedeutung als durch das spätere Verhalten der Beklagten hinfällig geworden betrachten durfte (vgl. Senat, Urt. v. 16.2.2011 – 5 U 147/09).

Der Umstand, dass Prof. Dr. D. einen nachweislichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der behaupteten Kopfdrehung und dem Auftreten einer Carotis-Dissektion sowie einen unfallbedingten Dauerschaden verneint hat, ändert daran nichts (hätte er beides bejaht, hätte die Beklagte wohl ohnehin geleistet). Der Kläger durfte sich ab dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte ihm das Einholen einer ärztlichen Feststellung aus der Hand nahm, als hiervon endgültig befreit betrachten. Inhalt und Ergebnis des Gutachtens waren nicht mehr geeignet, eigene hierauf bezogene Obliegenheiten wieder aufleben zu lassen. Das Schreiben vom 8.11.2011 (Anlage B6) konnte der Kläger eindeutig dahin verstehen, dass die Beklagte einen Kausalzusammenhang zwischen Kopfdrehung und Gefäß-Dissektion sowie eine dauerhafte Beeinträchtigung in der Sache verneinte, nicht aber dahin, dass sie darauf bestehe, er möge nunmehr noch selbst den formalen und Fristerfordernissen der Ziffer 2.1.1.1 AUB 2002 Rechnung tragen.

 (3) Der Schlüssigkeit der Klage schadet es nicht, dass der Kläger auch im Rechtsstreit keine ärztliche Bescheinigung zur Invalidität vorgelegt hat. Das bedeutet – selbstverständlich – nicht, dass die anspruchsrelevante Frage unfallbedingter dauerhafter Leistungsbeeinträchtigungen, soweit entscheidungsrelevant, nicht geklärt werden müsste. Die hier in Rede stehenden Voraussetzungen für den versicherungsvertraglichen Anspruch müssen indessen erst zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt sein, so dass die erforderlichen Feststellungen auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens – gegebenenfalls im Wege der Erhebung des Sachverständigenbeweises – getroffen werden können. Einen sinnvollen Grund dafür, parallel hierzu eine durch den Kläger zu initiierende außergerichtliche Feststellung zu fordern, sieht der Senat nicht. Die von Ziffer 2.1.1.1 AUB 2002 intendierte Ausgrenzung von Spätschäden lässt sich ohnehin nicht mehr erreichen, ebenso wenig wäre eine ärztliche Feststellung nach Anhängig werden des Rechtsstreits noch geeignete Grundlage für eine Leistungsprüfung der Beklagten (siehe Senat, Urt. v. 16.2.2011 – 5 U 147/09; in diesem Sinne – im Zusammenhang mit § 186 Satz 2 VVG – auch Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 186 Rdn. 9).

3. Gleichwohl ist die Klage unbegründet.

Ob der Kläger das der erlittenen Gefäßdissektion vorangegangene und von der Beklagten zulässig gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestrittene Geschehen zu beweisen vermag und ob er tatsächlich in einer Invalidität begründenden Weise dauerhaft beeinträchtigt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls hat er – entgegen der Auffassung des Landgerichts – deshalb keine Ansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag, weil er keinen Unfall erlitten hat.

Die sinnliche Wahrnehmung von Sonnenstrahlen und das dadurch veranlasste ruckartige Abwenden des Kopfes sind kein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes, eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung hervorrufendes Ereignis im Sinne der Ziffer 1.3 AUB 2002.

a. Ein bedingungsgemäßer Unfall folgt nicht aus der Fiktion gemäß Ziffer 1.4 AUB 2002. Die Klausel schließt Eigenbewegungen insoweit in den Versicherungsschutz ein, als durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden. Die Dissektion eines Blutgefäßes fällt hierunter ersichtlich nicht.

b. Ein Unfall wäre deshalb nur dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen der Ziffer 1.3 AUB 2002 erfüllt wären.

 (1) Die Unfalldefinition der Ziffer 1.3 AUB 2002 enthält drei Elemente: (a) ein plötzliches, von außen auf den Körper wirkendes Ereignis – im Klammerzusatz als das „Unfallereignis“ bezeichnet -, (b) eine unfreiwillig erlittenen Gesundheitsschädigung und (3) einen kausalen Zusammenhang zwischen beiden („durch“).

Die von „außen“ kommende Einwirkung auf den Körper ist nicht näher eingegrenzt. Sie kann ihrer Art nach im Grundsatz beliebig sein (Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2012, AUB 2010 Ziffer 1, Rdn. 20; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 178 Rdn. 3; OLG Köln, r+s 1990, 33). Das ihr zugrunde liegende Ereignis braucht den Körper des Versicherten nicht unmittelbar zu verletzen. Vielmehr kann genügen, dass es eine Gesundheitsschädigung durch sinnliche Wahrnehmungen oder seelische Eindrücke (Schockwirkung) herbeiführt (BGH, Urt. v. 19.4.1972 – IV ZR 50/71 – VersR 1972, 582; im dort entschiedenen Fall war das den Gesundheitsschaden auslösende Ereignis das Zertrümmern einer Windschutzscheibe durch einen Stein; siehe auch OLG Hamm, VersR 1976, 336; Dörner in: MünchKommVVG, 2011, § 178 Rdn. 63; Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziff. 1, Rdn. 29). Im Körper selbst ablaufende Prozesse sind zunächst einmal keine „äußeren“ Ereignisse (BGH, Urt. v. 15.2.1962 – II ZR 95/60 – NJW 1962, 914), können solche aber ihrerseits auslösen. Für die Prüfung, ob ein bedingungsgemäßer Unfall vorliegt, ist das Ereignis in den Blick zu nehmen, das die Gesundheitsbeschädigung unmittelbar herbeiführt, nicht relevant sind die Ursachen, auf denen es seinerseits beruht (BGH, Urt. v. 6.7.2011 – IVZR 29/09 – VersR 2011, 1135 [BGH 06.07.2011 – IV ZR 29/09]). Kommt der Körper in einen schadensursächlichen Kontakt mit der Außenwelt, etwa indem er mit einem Gegenstand zusammenstößt oder auf den Boden prallt, ist so stellt dieser Kontakt immer ein geeignetes Unfallereignis dar, selbst wenn er seinen Ursprung in körperinneren Vorgängen – etwa einem krankheitsbedingten Gleichgewichtsverlust – genommen hat (siehe Kloth, Private Unfallversicherung, 2008, E.II., Rdn. 7, Fußn. 18; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 178 Rdn. 3). Ebenso wenig wie für rein körperinterne Vorgänge besteht im Grundsatz Versicherungsschutz für Eigenbewegungen (Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2012, AUB 2010 Ziffer 1, Rdn. 32). Verändert jemand aus eigenem Antrieb seine physische Position oder Haltung, wirkt nichts von außen auf ihn ein, es sei denn, ein äußerer Einfluss tritt hinzu und stört den „programmgemäßen“ Bewegungsablauf (siehe BGH, Urt. v. 23.11.1988 – IVa ZR 38/88 – VersR 1989, 73; OLG Köln, r+s 1990, 33; zur Abgrenzung der Eigenbewegung zum Unfall Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 178 VVG Rdn. 4; siehe auch Dörner in: MünchKommVVG, 2011, § 178 Rdn. 66-71). Die ursprüngliche Eigenbewegung wird unter diesem Gesichtspunkt etwa dann zum Unfall, wenn jemand über ein Hindernis stürzt, mit dem Fuß an einer Bordsteinkante umknickt (OLG Hamm, VersR 1976, 336) oder infolge einer Unebenheit stolpert (siehe OLG Celle, r+s 2011, 346, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Ein „Unfall“ setzt weiter voraus, dass das äußere, auf den Körper wirkende Ereignis eine Gesundheitsschädigung im Sinne einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit herbeigeführt hat. Die Gesundheitsschädigung ist keine Unfallfolge, sondern ihrerseits Bestandteil des Unfallbegriffs (Grimm Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 1, Rdn. 48).

Schließlich hängt die Annahme eines Unfalls davon ab, dass zwischen dem äußeren Ereignis und der Gesundheitsbeschädigung ein kausaler Zusammenhang besteht.

Damit umschreibt der Unfallbegriff in der privaten Unfallversicherung eine Ursachenkette, die mit einem äußeren (Unfall-)Ereignis beginnt und mit einer Gesundheitsschädigung endet (Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 1, Rdn. 51). Für die Kausalität gilt insbesondere die Theorie der adäquaten Kausalität (Senat, Urt. v. 29.10.2003 – 5 U 265/03 – VersR 2004, 1544). Sie ist, weil das alleiniges Abstellen auf Wahrscheinlichkeiten Risiken nicht immer sachgerecht verteilt, wie auch sonst im Zivilrecht durch weitere Kriterien der Zurechnung, insbesondere Schutzzwecküberlegungen, zu ergänzen (allgemein hierzu Schiemann in: Staudinger, BGB, 2005, § 249 Rdn. 19-22).

 (2) Unter Berücksichtigung all dessen erfüllt das vom Kläger behauptete Geschehen die Voraussetzungen eines bedingungsgemäßen Unfalls nicht.

 (a) Ein Unfall im „klassischen“ Sinne im Sinne eines unmittelbar verletzenden Kontakts mit der Außenwelt war nicht gegeben. „Von außen“ wirkten allein die Sonnenstrahlen. Sie beeinträchtigten die körperliche Unversehrtheit des Klägers nicht.

 (b) Das Scheinen der Sonne hat auch nicht indirekt „auf den Körper“ gewirkt, der Kläger hat es bloß gesehen.

Allerdings muss, wie dargelegt, das zu Beginn der Kausalkette stehende äußere Ereignis als solches nicht körperlich verletzt haben, sondern es kann eine über einen Sinneseindruck vermittelt worden sein. Das ändert aber nichts daran, dass nach der Formulierung der Ziffer 1.3 AUB 2002 aber doch irgendein physischer Wirkungszusammenhang bestehen muss, weil nur dann das Ereignis eine Gesundheitsschädigung „durch“ eine sinnliche Wahrnehmung herbeiführt (siehe die Formulierung in BGH, Urt. v. 19.4.1972 – IV ZR 50/71 – VersR 1972, 582). Zu bejahen ist das ohne weiteres, wenn der Sinneseindruck eine unwillkürliche physiologische Reaktion auslöst. Solche Konstellationen wurden in der Rechtsprechung vielfach entschieden und Unfälle etwa bejaht, wenn das Erschrecken über ein wahrgenommenes äußeres Ereignis zum Tod führte (Auflistung bei Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 5, Rdn. 6; ferner in BGH, Urt. v. 19.4.1972 – IV ZR 50/71 – VersR 1972, 582). Der hiesige Sachverhalt ist ein anderer. Im Fall des Klägers blieb der Sinneseindruck als solcher – das Sehen der als blendend empfundenen Sonne – ohne jede körperliche Folge. Körperlich war allein das Wegdrehen des Kopfes, diesem war aber ein Willensentschluss vorgeschaltet. Er hat den Wirkungszusammenhang zum äußeren Ereignis unterbrochen, mag er auch in Sekundenbruchteilen gefasst worden sein.

 (c) Es bleibt mithin letztlich nur der Aspekt der als solcher nicht versicherten Eigenbewegung. Das vom Kläger dargestellte Geschehen ist nicht geeignet, eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu begründen.

Der Gesundheitsschaden entstand nach dem Vortrag des Kläger dadurch, dass er ruckartig den Kopf zur Seite drehte. Das ist kein geeignetes Unfallereignis, weil nicht von außen wirkend. Das Geschehen nahm Unfallcharakter auch nicht dadurch an, dass die ursprünglich planmäßige Bewegung von außen störend beeinflusst worden und außer Kontrolle geraten wäre (vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2009 – IV ZR 6/08 – VersR 2009, 492; OLG Naumburg, VersR 2013, 229 [OLG Naumburg 19.04.2012 – 4 U 37/10]; OLG Karlsruhe, zfs 2012, 157). Die Drehbewegung des Kopfes als solche war, abgesehen von der dabei eingetretenen, als äußeres Unfallereignis ausscheidenden inneren Verletzung, nicht „unprogrammgemäß“. Der Kläger sucht Gegenteiliges mit der Überlegung zu begründen, der geplante Bewegungsablauf sei der Blick nach vorne gewesen und dieser sei durch die plötzliche Sonneneinstrahlung unterbrochen worden. Der Senat teilt diese Einschätzung nicht. Abgesehen davon, dass das Beibehalten der Blickrichtung nicht als Bewegung gewertet werden kann, wurde der „Bewegungsablauf“ durch das Auftauchen der Sonne nicht gestört. Hierzu wäre – wie in den Fällen des Sturzes über ein Hindernis oder des Stolperns über eine Bodenunebenheit – eine unmittelbar physische, richtungsändernde Einwirkung erforderlich. Daran fehlt es. Die Sonne war lediglich der Anlass, der den – wenn auch kurz und „instinktiv“ gefassten – Entschluss des Klägers, eine Bewegung in Gang zu setzen, begründete.

Soweit der Kläger darauf hinweist, es genüge für die Annahme eines Unfalls, wenn irgendein äußeres Ereignis – das Auftauchen der Sonne – Anlass für eine Eigenbewegung gegeben habe, welche dann ihrerseits einen Gesundheitsschaden hervorgerufen habe, kann dem nicht allgemein, sondern allenfalls unter eng zu fassenden besonderen Bedingungen zugestimmt werden, die in seinem Fall nicht anzunehmen sind. Ausgangspunkt bleibt die Unfalldefinition, die verlangt, dass ein Ereignis plötzlich von außen „auf den Körper“ wirkt und dass „durch“ diese körperliche Einwirkung, mithin kausal, eine Gesundheitsbeschädigung eintritt. Das bloße Nacheinander der Wahrnehmung eines beliebigen Zustands der Außenwelt oder seiner Veränderung und einer durch ihn – wenn auch im Sinne einer condicio sine qua non – veranlassten Reaktion begründet noch keinen relevantenWirkungs- und Zurechnungszusammenhangs (OLG Naumburg, VersR 2013, 229 [OLG Naumburg 19.04.2012 – 4 U 37/10]: 51: für einen Unfall sei nicht ausreichend, dass überhaupt ein äußeres Ereignis auf den Verletzten einwirke; OLG Hamm, VersR 1976, 336: keine plötzliche Einwirkung auf den Körper, wenn jemand vor herannahenden Kraftfahrzeugen noch rasch über die Straße eilen wolle; zum Fehlschluss vom „post hoc“ auf das propter hoc“ auchGrewing, VersR 1973, 8). Es ist geradezu typisch, dass einer Bewegung ein von außen gesetzter Sinnesreiz vorausgeht. Niemand – auch nicht die Vertragsparteien eines Unfallversicherungsvertrags – wird aber davon ausgehen, dass jemandem ein Unfall zustoße, wenn er auf einen Zuruf reagiert, sich von einem als unästhetisch empfundenen Gegenstand abwendet oder, wie hier, in die Sonne blickt, und dass ein privater Unfallversicherer das Risiko dabei eintretender Gesundheitsschäden absichern wolle. Sähe man das anders, würde man jeden Normalfall zum potenziellen Unfall machen und den Versicherungsschutz in einer für den Unfallversicherer nicht kalkulierbaren Weise überdehnen (vgl. zu diesem Aspekt Grewing, VersR 1973, 8).

Soweit der Senat einen Unfall für eine besondere Konstellation einer Kausalkette zwischen Sinneseindruck, Eigenbewegung und Gesundheitsschaden mit Urteil vom 15.12.2004 (5 U 752/03, VersR 2005, 1276 [OLG Saarbrücken 15.12.2004 – 5 U 752/03-72]) bejaht hat, ist der vom Kläger behauptete Sachverhalt ihr nicht vergleichbar. Der Versicherte hatte in einem Bergwerk gearbeitet, als er plötzlich einen Gebirgsschlag hörte, erschrocken zur Seite auswich und sich dabei das Knie verdrehte. Der Senat definierte den „Unfall“ auf der Grundlage der einschlägigen Bedingungen, des Gesetzesund des allgemeinen Sprachgebrauchs als einen den normalen Ablauf des Geschehens plötzlich unterbrechender, ungewollter Vorfall, „bei dem“ ein Mensch verletzt oder getötet worden sei. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde bei einer den Sinn und Zweck der Unfallversicherung würdigenden Lektüre der Versicherungsbedingungen von ihm beherrschbare, von seinem Willen abhängige Bewegungen und ihre Folgen nicht als Unfallgeschehen betrachten. Demgegenüber werde er als mehr oder weniger zufällig und für seinen Versicherungsschutz irrelevant ansehen, ob sein Körper von einem Gegenstand der Außenwelt berührt worden sei oder er dies durch gute Reflexe – „geistesgegenwärtig“ – gerade noch habe vermeiden können. Es wäre für einen verständigen Versicherungsnehmer geradezu unverständlich, genösse er Versicherungsschutz bei einem Gebirgsschlag, wenn seine reaktionsschnelle Ausweichbewegung von äußeren Hindernissen behindert worden wäre oder wenn ihn Teile der Berge wenn auch nur geringfügig getroffen hätten, er jedoch keine Ansprüche erheben könnte, wenn es ihm gelungen wäre, in einem in Sekundenbruchteilen ablaufenden Geschehen physischen Hindernissen auszuweichen oder dies allein auf Zufall beruhte. Die Argumentation jener „Gebirgsschlagentscheidung“ kann auf den hiesigen Fall nicht übertragen werden. Hätte der Kläger den Kopf nicht vor der – nicht einmal potenziell seine Unversehrtheit beeinträchtigenden – Sonne weggedreht, wäre gar nichts passiert.

Hinzu kommt folgende Überlegung: Bei einem Unfallereignis wird ein „normaler Ablauf“ plötzlich unterbrochen. Das impliziert die Annahme einer gewissen Irregularität (OLG Hamm, VersR 1976, 336, spricht von einem „Moment des Unerwarteten und Unentrinnbaren“). Der vom Kläger geschilderte Ablauf war dergestalt, dass er im Rahmen der Fortbewegung mit seinem Kraftfahrzeug geradeaus schaute, das Scheinen der Sonne wahrnahm und hierdurch veranlasst wurde, den Kopf wegzudrehen. Anders als das in der oben zitierten Senatsentscheidung vom 15.12.2004 in Rede stehende Herabbrechen von Gestein kann das Auftauchen der Sonne schwerlich als plötzlich eintretendes, irreguläres Ereignis der Außenwelt betrachtet werden (vgl. OLG-Hamm, VersR 1998, 708: ein Ereignis, welches eine willensgesteuerte Eigenbewegung veranlasst habe, könne einen Unfall allenfalls dann begründen, wenn es ein „unkalkulierbares“ sei; zum Sonderfall der Ausweichbewegungen auch Kloth, Private Unfallversicherung, 2008, E.II., Rdn 11-13).

4. Ob Ansprüche des Klägers auch an der Ausschlussklausel der Ziffer 5.2.6 AUB 2002 scheitern, weil die Arterien-Dissektion als Gesundheitsschaden im Wege einer Reaktion auf einen Sinneseindruck eingetreten sein soll, kann offen bleiben.

Die Klausel ist wirksam und aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, verständigen Versicherungsnehmers dahin auszulegen, dass der Versicherer nur für solche Gesundheitsschäden Versicherungsschutz gewähren möchte, die auf eine körperlich/organische Betroffenheit durch den Unfall zurückzuführen sind (siehe BGH, Urt. v. 23.6.2004 – IV ZR 130/03 – VersR 2004, 1039). Nach herrschender Ansicht betrifft der Ausschluss nicht nur krankhafte psychische Folgen eines Unfallereignisses (unfallbedingte Fehlverarbeitung), sondern auch die Fälle, in denen die erste Einwirkung von außen auf psychischem Wege (etwa Schreck, Angst, Erregung) vermittelt wurde (BGH, Urt. v. 19.3.2003 – IV ZR 283/02 – VersR 2003, 634; Knappmann, Anm. zu OLG Celle, VersR 2009, 1652 [OLG Celle 15.01.2009 – 8 U 131/08]; siehe auch; Kessal-Wulf, r+s 2008, 313; Knappmann, VersR 2011, 324, und in: Prölss/Martin, 28. Aufl. 2010, AUB 2008 Nr. 5. Rdn. 68; Schwintowski, NVersZ 2002, 395). Die Gegenansicht hält demgegenüber nur solche Gesundheitsschäden für ausgeschlossen, die auf psychischer Fehlverarbeitung eines Unfalls beruhen (Jakob, Unfallversicherung, AUB 2010, 5.2.6, Rdn. 2).

Der Senat braucht die Frage nicht zu entscheiden, weil der Kläger, wie dargelegt, keinen bedingungsgemäßen Unfall erlitten hat.

5. Der allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB) begründbare Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten scheitert, weil die Hauptforderung nicht besteht.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Eigenbewegung als Unfallereignis im Sinne der privaten Unfallversicherung in Betracht kommt, ist in der Rechtsprechung geklärt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 194.900 € (129.000 € und 25.500 € für die Zahlungsanträge zu 1 und 2 sowie 50.400 € für den Feststellungsantrag zu 3 154.500 [80 % des 3,5-fachen Jahresbetrags der begehrten monatlichen Unfallrente, § 9 ZPO]).

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